Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Indessen hatte D. Black in Edinburgh seine Versuche über die in den Kalkerden und Laugensalzen enthaltene fixe Luft schon im Jahre 1756 bekannt gemacht. Diese Versuche bewiesen deutlich, daß die gedachten Substanzen im natürlichen Zustande mit einer Menge fixer Luft gesättiget sind, und daß sie nur in demjenigen Grade ätzbar werden, in welchem man sie durch das Feuer oder durch andere Mittel von dieser gasartigen Materie befreyet; daß die Laugensalze durch die Sättigung mit fixer Luft ihre Aetzkraft verlieren und mild werden; daß der lebendige Kalk den Laugensalzen dieses Gas wieder entziehet, wodurch er selbst mild wird, die Salze aber die Aetzbarkeit wieder erhalten; daß endlich die Alkalien im Zustande der Milde oder der Sättigung mit Gas der Krystallisirung fähig sind, durch die Entziehung des Gas aber mit der Kausticität zugleich die größte Zerfließbarkeit erhalten. Diese wichtige Entdeckung einer Materie, auf welche man bey den bisherigen Theorien gar nicht gerechnet hatte, und welche Feuer und Kausticum hiebey völlig zurückwies, mißfiel den Chymikern, die sich mit den vorigen leichten Erklärungen befriediget hatten, und veranlaßte anfänglich Mißtrauen und Einwendungen gegen die von Priestley weiter bearbeitete Lehre von den Gasarten. Sie ward aber bald von einigen großen Chymikern in Deutschland und Frankreich, von Iacquin, Well, Lavoisier (Opuscules chym. et phys. Paris, 1774.) mit einer Gewißheit bestätiget, die keine weitern Zweifel zuließ. Einer der stärksten Gründe für das alte System war dieser, daß die Säuren mit rohem Kalk und milden Alkalien kaum eine merkliche Wärme erzeugen, da sie hingegen mit dem lebendigen Kalke und ätzenden Laugensalzen eine brennende Hitze hervorbringen. Diese Erhitzung hatte man sonst aus dem Feuer der ätzenden Stoffe so leicht erklärt,
Indeſſen hatte D. Black in Edinburgh ſeine Verſuche uͤber die in den Kalkerden und Laugenſalzen enthaltene fixe Luft ſchon im Jahre 1756 bekannt gemacht. Dieſe Verſuche bewieſen deutlich, daß die gedachten Subſtanzen im natuͤrlichen Zuſtande mit einer Menge fixer Luft geſaͤttiget ſind, und daß ſie nur in demjenigen Grade aͤtzbar werden, in welchem man ſie durch das Feuer oder durch andere Mittel von dieſer gasartigen Materie befreyet; daß die Laugenſalze durch die Saͤttigung mit fixer Luft ihre Aetzkraft verlieren und mild werden; daß der lebendige Kalk den Laugenſalzen dieſes Gas wieder entziehet, wodurch er ſelbſt mild wird, die Salze aber die Aetzbarkeit wieder erhalten; daß endlich die Alkalien im Zuſtande der Milde oder der Saͤttigung mit Gas der Kryſtalliſirung faͤhig ſind, durch die Entziehung des Gas aber mit der Kauſticitaͤt zugleich die groͤßte Zerfließbarkeit erhalten. Dieſe wichtige Entdeckung einer Materie, auf welche man bey den bisherigen Theorien gar nicht gerechnet hatte, und welche Feuer und Kauſticum hiebey voͤllig zuruͤckwies, mißfiel den Chymikern, die ſich mit den vorigen leichten Erklaͤrungen befriediget hatten, und veranlaßte anfaͤnglich Mißtrauen und Einwendungen gegen die von Prieſtley weiter bearbeitete Lehre von den Gasarten. Sie ward aber bald von einigen großen Chymikern in Deutſchland und Frankreich, von Iacquin, Well, Lavoiſier (Opuſcules chym. et phyſ. Paris, 1774.) mit einer Gewißheit beſtaͤtiget, die keine weitern Zweifel zuließ. Einer der ſtaͤrkſten Gruͤnde fuͤr das alte Syſtem war dieſer, daß die Saͤuren mit rohem Kalk und milden Alkalien kaum eine merkliche Waͤrme erzeugen, da ſie hingegen mit dem lebendigen Kalke und aͤtzenden Laugenſalzen eine brennende Hitze hervorbringen. Dieſe Erhitzung hatte man ſonſt aus dem Feuer der aͤtzenden Stoffe ſo leicht erklaͤrt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0751" xml:id="P.2.745" n="745"/><lb/> koͤnne; er erklaͤrt aber hieraus die Aetzbarkeit des Kalks, der Laugenſalze, Saͤuren rc. eben ſo, wie Meyer, und ſetzt noch hinzu, daß das Feuer die einzige Urſache des Geſchmacks der Salze ſey, als welcher bloß in den Modificationen ihrer Aetzkraft beſtehe.</p> <p>Indeſſen hatte <hi rendition="#b">D. Black</hi> in Edinburgh ſeine Verſuche uͤber die in den Kalkerden und Laugenſalzen enthaltene <hi rendition="#b">fixe Luft</hi> ſchon im Jahre 1756 bekannt gemacht. Dieſe Verſuche bewieſen deutlich, daß die gedachten Subſtanzen im natuͤrlichen Zuſtande mit einer Menge fixer Luft geſaͤttiget ſind, und daß ſie nur in demjenigen Grade aͤtzbar werden, in welchem man ſie durch das Feuer oder durch andere Mittel von dieſer gasartigen Materie befreyet; daß die Laugenſalze durch die Saͤttigung mit fixer Luft ihre Aetzkraft verlieren und <hi rendition="#b">mild</hi> werden; daß der lebendige Kalk den Laugenſalzen dieſes Gas wieder entziehet, wodurch er ſelbſt mild wird, die Salze aber die Aetzbarkeit wieder erhalten; daß endlich die Alkalien im Zuſtande der Milde oder der Saͤttigung mit Gas der Kryſtalliſirung faͤhig ſind, durch die Entziehung des Gas aber mit der Kauſticitaͤt zugleich die groͤßte Zerfließbarkeit erhalten.</p> <p>Dieſe wichtige Entdeckung einer Materie, auf welche man bey den bisherigen Theorien gar nicht gerechnet hatte, und welche Feuer und Kauſticum hiebey voͤllig zuruͤckwies, mißfiel den Chymikern, die ſich mit den vorigen leichten Erklaͤrungen befriediget hatten, und veranlaßte anfaͤnglich Mißtrauen und Einwendungen gegen die von <hi rendition="#b">Prieſtley</hi> weiter bearbeitete Lehre von den Gasarten. Sie ward aber bald von einigen großen Chymikern in Deutſchland und Frankreich, von <hi rendition="#b">Iacquin, Well, Lavoiſier</hi> <hi rendition="#aq">(Opuſcules chym. et phyſ. Paris, 1774.)</hi> mit einer Gewißheit beſtaͤtiget, die keine weitern Zweifel zuließ.</p> <p>Einer der ſtaͤrkſten Gruͤnde fuͤr das alte Syſtem war dieſer, daß die Saͤuren mit rohem Kalk und milden Alkalien kaum eine merkliche Waͤrme erzeugen, da ſie hingegen mit dem lebendigen Kalke und aͤtzenden Laugenſalzen eine brennende Hitze hervorbringen. Dieſe Erhitzung hatte man ſonſt aus dem Feuer der aͤtzenden Stoffe ſo leicht erklaͤrt,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [745/0751]
koͤnne; er erklaͤrt aber hieraus die Aetzbarkeit des Kalks, der Laugenſalze, Saͤuren rc. eben ſo, wie Meyer, und ſetzt noch hinzu, daß das Feuer die einzige Urſache des Geſchmacks der Salze ſey, als welcher bloß in den Modificationen ihrer Aetzkraft beſtehe.
Indeſſen hatte D. Black in Edinburgh ſeine Verſuche uͤber die in den Kalkerden und Laugenſalzen enthaltene fixe Luft ſchon im Jahre 1756 bekannt gemacht. Dieſe Verſuche bewieſen deutlich, daß die gedachten Subſtanzen im natuͤrlichen Zuſtande mit einer Menge fixer Luft geſaͤttiget ſind, und daß ſie nur in demjenigen Grade aͤtzbar werden, in welchem man ſie durch das Feuer oder durch andere Mittel von dieſer gasartigen Materie befreyet; daß die Laugenſalze durch die Saͤttigung mit fixer Luft ihre Aetzkraft verlieren und mild werden; daß der lebendige Kalk den Laugenſalzen dieſes Gas wieder entziehet, wodurch er ſelbſt mild wird, die Salze aber die Aetzbarkeit wieder erhalten; daß endlich die Alkalien im Zuſtande der Milde oder der Saͤttigung mit Gas der Kryſtalliſirung faͤhig ſind, durch die Entziehung des Gas aber mit der Kauſticitaͤt zugleich die groͤßte Zerfließbarkeit erhalten.
Dieſe wichtige Entdeckung einer Materie, auf welche man bey den bisherigen Theorien gar nicht gerechnet hatte, und welche Feuer und Kauſticum hiebey voͤllig zuruͤckwies, mißfiel den Chymikern, die ſich mit den vorigen leichten Erklaͤrungen befriediget hatten, und veranlaßte anfaͤnglich Mißtrauen und Einwendungen gegen die von Prieſtley weiter bearbeitete Lehre von den Gasarten. Sie ward aber bald von einigen großen Chymikern in Deutſchland und Frankreich, von Iacquin, Well, Lavoiſier (Opuſcules chym. et phyſ. Paris, 1774.) mit einer Gewißheit beſtaͤtiget, die keine weitern Zweifel zuließ.
Einer der ſtaͤrkſten Gruͤnde fuͤr das alte Syſtem war dieſer, daß die Saͤuren mit rohem Kalk und milden Alkalien kaum eine merkliche Waͤrme erzeugen, da ſie hingegen mit dem lebendigen Kalke und aͤtzenden Laugenſalzen eine brennende Hitze hervorbringen. Dieſe Erhitzung hatte man ſonſt aus dem Feuer der aͤtzenden Stoffe ſo leicht erklaͤrt,
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