Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.
Um wie viel aber der Mittag eines Orts früher einfällt, als der Mittag des andern, um eben soviel wird auch jede Stunde und überhaupt jede Zeitangabe am ersten Orte früher, als am andern, eintreten, weil jeder Ort seine Zeit von seinem Mittage zu zählen anfängt: um eben soviel müssen also auch die Zeitangaben beyder Orte in jedem Augenblicke von einander abweichen. Wenn z. B. in einem und eben demselben Augenblicke die wahre Zeit zu Leipzig 3 Uhr 50 Min., zu Paris 3 Uhr 10 Min. ist, so kan dieser Unterschied von 40 Min. von nichts anderm herrühren, als davon, daß Leipzig um 40 Min. früher zu zählen angefangen, oder 40 Min. eher Mittag gehabt hat, als Paris. Demnach würde für diese Orte der Zeitunterschied 40 Min. und der Bogen CD=10° seyn. Es erhellet hieraus, daß das ganze Problem von der Erfindung der Länge sich auf die Frage bringen lasse: Man kennt die Zeit eines Orts; man fragt, welche Zeit es in demselben Augenblicke an einem andern Orte ist? Der Unterschied beyder Zeiten in Grade verwandelt (1 Min. für 15' oder 4 Min. für einen Grad gerechnet), giebt den Unterschied der Längen beyder Orte. Diese Frage scheint sehr einfach; aber die große Schwierigkeit liegt in der Ausfindung eines Merkmals, woran sich gleichzeitige Augenblicke an entlegnen Orten der Erde erkennen lassen. Signale durch Bomben, Raketen, Pulverentzündungen, Blendungen eines angezündeten Feuers u. dgl. dienen nur auf dem festen Lande, und für nahe Orte, die freye Aussichten haben. So ist in der Gegend von London der Unterschied der Längen der Sternwarte zu Greenwich und einiger andern Orte durch solche Mittel aufs genauste bestimmt worden. Zur See aber und in großen Entfernungen, wie es Whiston und Ditton um das Jahr 1714
Um wie viel aber der Mittag eines Orts fruͤher einfaͤllt, als der Mittag des andern, um eben ſoviel wird auch jede Stunde und uͤberhaupt jede Zeitangabe am erſten Orte fruͤher, als am andern, eintreten, weil jeder Ort ſeine Zeit von ſeinem Mittage zu zaͤhlen anfaͤngt: um eben ſoviel muͤſſen alſo auch die Zeitangaben beyder Orte in jedem Augenblicke von einander abweichen. Wenn z. B. in einem und eben demſelben Augenblicke die wahre Zeit zu Leipzig 3 Uhr 50 Min., zu Paris 3 Uhr 10 Min. iſt, ſo kan dieſer Unterſchied von 40 Min. von nichts anderm herruͤhren, als davon, daß Leipzig um 40 Min. fruͤher zu zaͤhlen angefangen, oder 40 Min. eher Mittag gehabt hat, als Paris. Demnach wuͤrde fuͤr dieſe Orte der Zeitunterſchied 40 Min. und der Bogen CD=10° ſeyn. Es erhellet hieraus, daß das ganze Problem von der Erfindung der Laͤnge ſich auf die Frage bringen laſſe: Man kennt die Zeit eines Orts; man fragt, welche Zeit es in demſelben Augenblicke an einem andern Orte iſt? Der Unterſchied beyder Zeiten in Grade verwandelt (1 Min. fuͤr 15′ oder 4 Min. fuͤr einen Grad gerechnet), giebt den Unterſchied der Laͤngen beyder Orte. Dieſe Frage ſcheint ſehr einfach; aber die große Schwierigkeit liegt in der Ausfindung eines Merkmals, woran ſich gleichzeitige Augenblicke an entlegnen Orten der Erde erkennen laſſen. Signale durch Bomben, Raketen, Pulverentzuͤndungen, Blendungen eines angezuͤndeten Feuers u. dgl. dienen nur auf dem feſten Lande, und fuͤr nahe Orte, die freye Ausſichten haben. So iſt in der Gegend von London der Unterſchied der Laͤngen der Sternwarte zu Greenwich und einiger andern Orte durch ſolche Mittel aufs genauſte beſtimmt worden. Zur See aber und in großen Entfernungen, wie es Whiſton und Ditton um das Jahr 1714 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0844" xml:id="P.2.838" n="838"/><lb/> Auf dieſe Art giebt die Zeit, um welche der Mittag eines Orts fruͤher, als der eines andern einfaͤllt, den Unterſchied der Meridiane in Graden, und heißt daher der <hi rendition="#b">Unterſchied der Mittagskreiſe in Zeit</hi> <hi rendition="#aq">(differentia meridianorum in tempore).</hi></p> <p>Um wie viel aber der Mittag eines Orts fruͤher einfaͤllt, als der Mittag des andern, um eben ſoviel wird auch jede Stunde und uͤberhaupt jede Zeitangabe am erſten Orte fruͤher, als am andern, eintreten, weil jeder Ort ſeine Zeit von <hi rendition="#b">ſeinem</hi> Mittage zu zaͤhlen anfaͤngt: um eben ſoviel muͤſſen alſo auch die Zeitangaben beyder Orte in jedem Augenblicke von einander abweichen. Wenn z. B. in einem und eben demſelben Augenblicke die wahre Zeit zu Leipzig 3 Uhr 50 Min., zu Paris 3 Uhr 10 Min. iſt, ſo kan dieſer Unterſchied von 40 Min. von nichts anderm herruͤhren, als davon, daß Leipzig um 40 Min. fruͤher zu zaͤhlen angefangen, oder 40 Min. eher Mittag gehabt hat, als Paris. Demnach wuͤrde fuͤr dieſe Orte der Zeitunterſchied 40 Min. und der Bogen <hi rendition="#aq">CD=10°</hi> ſeyn.</p> <p>Es erhellet hieraus, daß das ganze Problem von der Erfindung der Laͤnge ſich auf die Frage bringen laſſe: <hi rendition="#b">Man kennt die Zeit eines Orts; man fragt, welche Zeit es in demſelben Augenblicke an einem andern Orte iſt?</hi> Der Unterſchied beyder Zeiten in Grade verwandelt (1 Min. fuͤr 15′ oder 4 Min. fuͤr einen Grad gerechnet), giebt den Unterſchied der Laͤngen beyder Orte. Dieſe Frage ſcheint ſehr einfach; aber die große Schwierigkeit liegt in der Ausfindung eines Merkmals, woran ſich <hi rendition="#b">gleichzeitige Augenblicke</hi> an entlegnen Orten der Erde erkennen laſſen.</p> <p>Signale durch Bomben, Raketen, Pulverentzuͤndungen, Blendungen eines angezuͤndeten Feuers u. dgl. dienen nur auf dem feſten Lande, und fuͤr nahe Orte, die freye Ausſichten haben. So iſt in der Gegend von London der Unterſchied der Laͤngen der Sternwarte zu Greenwich und einiger andern Orte durch ſolche Mittel aufs genauſte beſtimmt worden. Zur See aber und in großen Entfernungen, wie es <hi rendition="#b">Whiſton</hi> und <hi rendition="#b">Ditton</hi> um das Jahr 1714<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [838/0844]
Auf dieſe Art giebt die Zeit, um welche der Mittag eines Orts fruͤher, als der eines andern einfaͤllt, den Unterſchied der Meridiane in Graden, und heißt daher der Unterſchied der Mittagskreiſe in Zeit (differentia meridianorum in tempore).
Um wie viel aber der Mittag eines Orts fruͤher einfaͤllt, als der Mittag des andern, um eben ſoviel wird auch jede Stunde und uͤberhaupt jede Zeitangabe am erſten Orte fruͤher, als am andern, eintreten, weil jeder Ort ſeine Zeit von ſeinem Mittage zu zaͤhlen anfaͤngt: um eben ſoviel muͤſſen alſo auch die Zeitangaben beyder Orte in jedem Augenblicke von einander abweichen. Wenn z. B. in einem und eben demſelben Augenblicke die wahre Zeit zu Leipzig 3 Uhr 50 Min., zu Paris 3 Uhr 10 Min. iſt, ſo kan dieſer Unterſchied von 40 Min. von nichts anderm herruͤhren, als davon, daß Leipzig um 40 Min. fruͤher zu zaͤhlen angefangen, oder 40 Min. eher Mittag gehabt hat, als Paris. Demnach wuͤrde fuͤr dieſe Orte der Zeitunterſchied 40 Min. und der Bogen CD=10° ſeyn.
Es erhellet hieraus, daß das ganze Problem von der Erfindung der Laͤnge ſich auf die Frage bringen laſſe: Man kennt die Zeit eines Orts; man fragt, welche Zeit es in demſelben Augenblicke an einem andern Orte iſt? Der Unterſchied beyder Zeiten in Grade verwandelt (1 Min. fuͤr 15′ oder 4 Min. fuͤr einen Grad gerechnet), giebt den Unterſchied der Laͤngen beyder Orte. Dieſe Frage ſcheint ſehr einfach; aber die große Schwierigkeit liegt in der Ausfindung eines Merkmals, woran ſich gleichzeitige Augenblicke an entlegnen Orten der Erde erkennen laſſen.
Signale durch Bomben, Raketen, Pulverentzuͤndungen, Blendungen eines angezuͤndeten Feuers u. dgl. dienen nur auf dem feſten Lande, und fuͤr nahe Orte, die freye Ausſichten haben. So iſt in der Gegend von London der Unterſchied der Laͤngen der Sternwarte zu Greenwich und einiger andern Orte durch ſolche Mittel aufs genauſte beſtimmt worden. Zur See aber und in großen Entfernungen, wie es Whiſton und Ditton um das Jahr 1714
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