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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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schwimmt, heißt Seifensiederlauge, Meisterlauge (Lixivium saponariorum s. magistrale). Sie ist so fressend, daß sie die Theile des thierischen Körpers augenblicklich angreift, und giebt bis zur Trockne abgeraucht, geschmolzen und in Formen gegossen, den Aetzstein der Wundärzte (lapis causticus). Uebrigens kan man die fixen Laugensalze auch durch anhaltendes Calciniren ätzend machen, wobey sie aber die Gefäße leicht angreifen.

An der freyen Luft ziehen die ätzenden Laugensalze nach und nach die Luftsäure wieder an sich, und verlieren ihre Aetzbarkeit. Wenn man eine mit Luftsäure gefüllte Flasche mit ofner Mündung in eine ätzende Lauge stellt, so steigt die Flüßigkeit allmählig in die Höhe, wird mild, mit Säuren brausend und krystallisirungsfähig. Durch Sättigung mit Luftsäure lassen sich sogar Krystallen des Gewächslaugensalzes darstellen. Zwey Loth Weinsteinsalz in so wenig, als möglich, Wasser aufgelöset und in einer mit Luftsäure gefüllten Flasche von 100 Cubikzoll geschüttelt, schießen zu vierseitigen prismatischen Krystallen an, deren Endspitzen von zwey dachförmig zusammengehenden Dreyecken gebildet sind.

Macquer chym. Wörterbuch. Art.: Alkalien.

Gren syst. Handbuch der gesammten Chemie. Th. I. §. 109-- 219. §. 259--266.

Leere, leerer Raum

Vacuum, Spatium vacuum, Vuide. Man drückt durch das Wort Raum den Begrif der körperlichen Ausdehnung aus, der noch immer zurückbleibt, wenn man den Körper selbst in Gedanken aus seiner Stelle hinwegnimmt. Unsere Sinne zeigen uns so etwas nie anders, als an Körpern; wir sehen und fühlen nie Ausdehnung für sich allein ohne andere dem Körper zukommende Eigenschaften. Es ist aber die Frage, ob es nicht in der Natur Räume ohne Körper geben könne, und wirklich gebe. Solche Räume würde man alsdann leere Räume, Leeren nennen müssen. Soviel man aus metaphysischen Gründen dem Daseyn solcher Leeren entgegensetzen


ſchwimmt, heißt Seifenſiederlauge, Meiſterlauge (Lixivium ſaponariorum ſ. magiſtrale). Sie iſt ſo freſſend, daß ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers augenblicklich angreift, und giebt bis zur Trockne abgeraucht, geſchmolzen und in Formen gegoſſen, den Aetzſtein der Wundaͤrzte (lapis cauſticus). Uebrigens kan man die fixen Laugenſalze auch durch anhaltendes Calciniren aͤtzend machen, wobey ſie aber die Gefaͤße leicht angreifen.

An der freyen Luft ziehen die aͤtzenden Laugenſalze nach und nach die Luftſaͤure wieder an ſich, und verlieren ihre Aetzbarkeit. Wenn man eine mit Luftſaͤure gefuͤllte Flaſche mit ofner Muͤndung in eine aͤtzende Lauge ſtellt, ſo ſteigt die Fluͤßigkeit allmaͤhlig in die Hoͤhe, wird mild, mit Saͤuren brauſend und kryſtalliſirungsfaͤhig. Durch Saͤttigung mit Luftſaͤure laſſen ſich ſogar Kryſtallen des Gewaͤchslaugenſalzes darſtellen. Zwey Loth Weinſteinſalz in ſo wenig, als moͤglich, Waſſer aufgeloͤſet und in einer mit Luftſaͤure gefuͤllten Flaſche von 100 Cubikzoll geſchuͤttelt, ſchießen zu vierſeitigen prismatiſchen Kryſtallen an, deren Endſpitzen von zwey dachfoͤrmig zuſammengehenden Dreyecken gebildet ſind.

Macquer chym. Woͤrterbuch. Art.: Alkalien.

Gren ſyſt. Handbuch der geſammten Chemie. Th. I. §. 109— 219. §. 259—266.

Leere, leerer Raum

Vacuum, Spatium vacuum, Vuide. Man druͤckt durch das Wort Raum den Begrif der koͤrperlichen Ausdehnung aus, der noch immer zuruͤckbleibt, wenn man den Koͤrper ſelbſt in Gedanken aus ſeiner Stelle hinwegnimmt. Unſere Sinne zeigen uns ſo etwas nie anders, als an Koͤrpern; wir ſehen und fuͤhlen nie Ausdehnung fuͤr ſich allein ohne andere dem Koͤrper zukommende Eigenſchaften. Es iſt aber die Frage, ob es nicht in der Natur Raͤume ohne Koͤrper geben koͤnne, und wirklich gebe. Solche Raͤume wuͤrde man alsdann leere Raͤume, Leeren nennen muͤſſen. Soviel man aus metaphyſiſchen Gruͤnden dem Daſeyn ſolcher Leeren entgegenſetzen

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[866/0872] ſchwimmt, heißt Seifenſiederlauge, Meiſterlauge (Lixivium ſaponariorum ſ. magiſtrale). Sie iſt ſo freſſend, daß ſie die Theile des thieriſchen Koͤrpers augenblicklich angreift, und giebt bis zur Trockne abgeraucht, geſchmolzen und in Formen gegoſſen, den Aetzſtein der Wundaͤrzte (lapis cauſticus). Uebrigens kan man die fixen Laugenſalze auch durch anhaltendes Calciniren aͤtzend machen, wobey ſie aber die Gefaͤße leicht angreifen. An der freyen Luft ziehen die aͤtzenden Laugenſalze nach und nach die Luftſaͤure wieder an ſich, und verlieren ihre Aetzbarkeit. Wenn man eine mit Luftſaͤure gefuͤllte Flaſche mit ofner Muͤndung in eine aͤtzende Lauge ſtellt, ſo ſteigt die Fluͤßigkeit allmaͤhlig in die Hoͤhe, wird mild, mit Saͤuren brauſend und kryſtalliſirungsfaͤhig. Durch Saͤttigung mit Luftſaͤure laſſen ſich ſogar Kryſtallen des Gewaͤchslaugenſalzes darſtellen. Zwey Loth Weinſteinſalz in ſo wenig, als moͤglich, Waſſer aufgeloͤſet und in einer mit Luftſaͤure gefuͤllten Flaſche von 100 Cubikzoll geſchuͤttelt, ſchießen zu vierſeitigen prismatiſchen Kryſtallen an, deren Endſpitzen von zwey dachfoͤrmig zuſammengehenden Dreyecken gebildet ſind. Macquer chym. Woͤrterbuch. Art.: Alkalien. Gren ſyſt. Handbuch der geſammten Chemie. Th. I. §. 109— 219. §. 259—266. Leere, leerer Raum Vacuum, Spatium vacuum, Vuide. Man druͤckt durch das Wort Raum den Begrif der koͤrperlichen Ausdehnung aus, der noch immer zuruͤckbleibt, wenn man den Koͤrper ſelbſt in Gedanken aus ſeiner Stelle hinwegnimmt. Unſere Sinne zeigen uns ſo etwas nie anders, als an Koͤrpern; wir ſehen und fuͤhlen nie Ausdehnung fuͤr ſich allein ohne andere dem Koͤrper zukommende Eigenſchaften. Es iſt aber die Frage, ob es nicht in der Natur Raͤume ohne Koͤrper geben koͤnne, und wirklich gebe. Solche Raͤume wuͤrde man alsdann leere Raͤume, Leeren nennen muͤſſen. Soviel man aus metaphyſiſchen Gruͤnden dem Daſeyn ſolcher Leeren entgegenſetzen

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 866. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/872>, abgerufen am 01.09.2024.