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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798.

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möglich seyn, daß ein Mensch sich von der Stelle bewegte, geschweige denn, daß die Himmelskörper, deren Lauf keine merkliche Retardation zeigt, in einem vollkommen dichten Mittel fortgehen könnten.

Diese Gründe, mit welchen Newton den vollen Raum des Descartes bestreitet, sollten seiner Meinung nach bloß das Daseyn einer zerstreuten Leere beweisen, keineswegs aber eine absolute Leere im Weltraume darthun, welche mit seinem System über das Licht ganz unverträglich ist. Vielleicht sind die Uebertreibungen seiner Schüler Schuld daran, daß man ihn mißverstauden, und so grober Ungereimtheiten beschuldigt hat, als kaum der gedankenloseste Mensch zu sagen fähig seyn würde. Man s. hierüber das Wort Aether (Th. I. S. 85.).

Gegen Descartes Behauptungen läßt sich auch noch Folgendes anführen. Wenn das erste Element oder die subtile Materie sich von den übrigen Körpern bloß durch die Feinheit und Gestalt der Theile unterscheiden soll, so muß es eben soviel eigenthümliches Gewicht, als andere Körper, besitzen; denn die Gestalt ändert nichts im Gewichte. Ein Lichtstral müßte den ganzen Weltbau zerstören, wenn er sich den ungeheuren Weg durch eine Linie bahnen sollte, die ihm in jedem Punkte einen Widerstand entgegensetzte. In dem Augenblicke, da man zween Körper trennt, die sich vorher berührten, dringt andere Materie zwischen sie durch Bewegung ein; Bewegung aber ersordert Zeit; also giebt es doch Zeitmomente, in welchen der entstandne Raum noch nicht ganz ausgefüllt ist, d. h. es ist leerer Raum gedenkbar u. s. w.

Man nimmt endlich das Wort Leere oder leerer Raum, Vacuum, oft bloß für luftleeren Raum (spatium ab aere vacuum). Weil die Luft bey uns auf der Erde durch ihre Elasticität in alle Räume dringt, die von andern Materien leer sind und zu denen ihr der Zugang offen steht, so lassen sich solche leere Räume bloß durch künstliche Veranstaltungen hervorbringen. Der durch die Luftpumpe erhaltene, die boylische oder guerickische Leere (Vacuum Boylianum, Guerickianum, Vuide de Boyle) ist


moͤglich ſeyn, daß ein Menſch ſich von der Stelle bewegte, geſchweige denn, daß die Himmelskoͤrper, deren Lauf keine merkliche Retardation zeigt, in einem vollkommen dichten Mittel fortgehen koͤnnten.

Dieſe Gruͤnde, mit welchen Newton den vollen Raum des Descartes beſtreitet, ſollten ſeiner Meinung nach bloß das Daſeyn einer zerſtreuten Leere beweiſen, keineswegs aber eine abſolute Leere im Weltraume darthun, welche mit ſeinem Syſtem uͤber das Licht ganz unvertraͤglich iſt. Vielleicht ſind die Uebertreibungen ſeiner Schuͤler Schuld daran, daß man ihn mißverſtauden, und ſo grober Ungereimtheiten beſchuldigt hat, als kaum der gedankenloſeſte Menſch zu ſagen faͤhig ſeyn wuͤrde. Man ſ. hieruͤber das Wort Aether (Th. I. S. 85.).

Gegen Descartes Behauptungen laͤßt ſich auch noch Folgendes anfuͤhren. Wenn das erſte Element oder die ſubtile Materie ſich von den uͤbrigen Koͤrpern bloß durch die Feinheit und Geſtalt der Theile unterſcheiden ſoll, ſo muß es eben ſoviel eigenthuͤmliches Gewicht, als andere Koͤrper, beſitzen; denn die Geſtalt aͤndert nichts im Gewichte. Ein Lichtſtral muͤßte den ganzen Weltbau zerſtoͤren, wenn er ſich den ungeheuren Weg durch eine Linie bahnen ſollte, die ihm in jedem Punkte einen Widerſtand entgegenſetzte. In dem Augenblicke, da man zween Koͤrper trennt, die ſich vorher beruͤhrten, dringt andere Materie zwiſchen ſie durch Bewegung ein; Bewegung aber erſordert Zeit; alſo giebt es doch Zeitmomente, in welchen der entſtandne Raum noch nicht ganz ausgefuͤllt iſt, d. h. es iſt leerer Raum gedenkbar u. ſ. w.

Man nimmt endlich das Wort Leere oder leerer Raum, Vacuum, oft bloß fuͤr luftleeren Raum (ſpatium ab aëre vacuum). Weil die Luft bey uns auf der Erde durch ihre Elaſticitaͤt in alle Raͤume dringt, die von andern Materien leer ſind und zu denen ihr der Zugang offen ſteht, ſo laſſen ſich ſolche leere Raͤume bloß durch kuͤnſtliche Veranſtaltungen hervorbringen. Der durch die Luftpumpe erhaltene, die boyliſche oder guerickiſche Leere (Vacuum Boylianum, Guerickianum, Vuide de Boyle) iſt

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[870/0876] moͤglich ſeyn, daß ein Menſch ſich von der Stelle bewegte, geſchweige denn, daß die Himmelskoͤrper, deren Lauf keine merkliche Retardation zeigt, in einem vollkommen dichten Mittel fortgehen koͤnnten. Dieſe Gruͤnde, mit welchen Newton den vollen Raum des Descartes beſtreitet, ſollten ſeiner Meinung nach bloß das Daſeyn einer zerſtreuten Leere beweiſen, keineswegs aber eine abſolute Leere im Weltraume darthun, welche mit ſeinem Syſtem uͤber das Licht ganz unvertraͤglich iſt. Vielleicht ſind die Uebertreibungen ſeiner Schuͤler Schuld daran, daß man ihn mißverſtauden, und ſo grober Ungereimtheiten beſchuldigt hat, als kaum der gedankenloſeſte Menſch zu ſagen faͤhig ſeyn wuͤrde. Man ſ. hieruͤber das Wort Aether (Th. I. S. 85.). Gegen Descartes Behauptungen laͤßt ſich auch noch Folgendes anfuͤhren. Wenn das erſte Element oder die ſubtile Materie ſich von den uͤbrigen Koͤrpern bloß durch die Feinheit und Geſtalt der Theile unterſcheiden ſoll, ſo muß es eben ſoviel eigenthuͤmliches Gewicht, als andere Koͤrper, beſitzen; denn die Geſtalt aͤndert nichts im Gewichte. Ein Lichtſtral muͤßte den ganzen Weltbau zerſtoͤren, wenn er ſich den ungeheuren Weg durch eine Linie bahnen ſollte, die ihm in jedem Punkte einen Widerſtand entgegenſetzte. In dem Augenblicke, da man zween Koͤrper trennt, die ſich vorher beruͤhrten, dringt andere Materie zwiſchen ſie durch Bewegung ein; Bewegung aber erſordert Zeit; alſo giebt es doch Zeitmomente, in welchen der entſtandne Raum noch nicht ganz ausgefuͤllt iſt, d. h. es iſt leerer Raum gedenkbar u. ſ. w. Man nimmt endlich das Wort Leere oder leerer Raum, Vacuum, oft bloß fuͤr luftleeren Raum (ſpatium ab aëre vacuum). Weil die Luft bey uns auf der Erde durch ihre Elaſticitaͤt in alle Raͤume dringt, die von andern Materien leer ſind und zu denen ihr der Zugang offen ſteht, ſo laſſen ſich ſolche leere Raͤume bloß durch kuͤnſtliche Veranſtaltungen hervorbringen. Der durch die Luftpumpe erhaltene, die boyliſche oder guerickiſche Leere (Vacuum Boylianum, Guerickianum, Vuide de Boyle) iſt

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 2. Leipzig, 1798, S. 870. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch02_1798/876>, abgerufen am 22.11.2024.