Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.Der Mond durchläuft seine Bahn, im Durchschnitt genommen, in einer Zeit von 27 Tagen 7 St. 43 Min. 5 Sec., und legt also, der mittlern Bewegung nach, täglich 13° 10' 35" des Kreises zurück. Nimmt man hiezu die Größe dieses Kreises, so läßt sich berechnen, daß er in 1 Zeitsecunde in der Erdferne 3132 pariser Fuß durchlaufe. Aus den Flecken des Monds, s. Mondflecken, sieht man, daß er der Erdkugel beständig eine und ebendieselbe Seite zeigt. Unerfahrne schließen hieraus, er drehe sich nicht um seine Axe. Sie sind um so mehr zu entschuldigen, da selbst Wolf (Anfangsgr. d. Astr. Halle, 1716. 8. §. 314.) so geschlossen hat. Man findet aber den Fehlschluß bald, wenn man überlegt, daß z. B. eine um einen Baum herumgehende Person, die stets das Gesicht gegen den Baum kehret, dasselbe während jeden Umgangs nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren, und also bey jedem Herumgehen auch sich selbst einmal umdrehen muß. Daß wir immer einerley Seite des Monds sehen, beweißt also vielmehr eine wirkliche Umdrehung desselben, die aber in eben der Zeit erfolgt, in der er um die Erde läuft, und deren Axe auf der Ebene seiner Bahn fast lothrecht steht. Die Ursache, welche beym Monde diese Umdrehungszeit der Umlaufszeit gerade gleich macht, kan wohl schwerlich zufällig seyn. Galilei gab schon als einen Grund das an, daß die gegen uns gekehrte Seite eine natürliche Beziehung oder Neigung gegen die Erde habe; welches Newton weit richtiger so ausdrückt: die diesseitige Halbkugel des Monds gravitire wegen der größern Nähe stärker gegen die Erde und nehme dadurch nach dieser Richtung eine länglichere Gestalt an. Uebrigens geht diese Umdrehung, aus dem Mittelpunkte des Monds betrachtet, wie alle Umwälzungen im Sonnensystem, nach der Ordnung der Zeichen. Dennoch hat schon Galilei bey der ersten Betrachtung des Monds durch Fernröhre entdeckt, daß sich seine der Erde zugewendete Halbkugel periodisch ein wenig verrückt, indem die mitten auf ihr stehenden Flecken bald nach der einen bald nach der andern Seite, bald nord- bald südwärts treten. Man nennt diese kleine Bewegung der Flecken Der Mond durchlaͤuft ſeine Bahn, im Durchſchnitt genommen, in einer Zeit von 27 Tagen 7 St. 43 Min. 5 Sec., und legt alſo, der mittlern Bewegung nach, taͤglich 13° 10′ 35″ des Kreiſes zuruͤck. Nimmt man hiezu die Groͤße dieſes Kreiſes, ſo laͤßt ſich berechnen, daß er in 1 Zeitſecunde in der Erdferne 3132 pariſer Fuß durchlaufe. Aus den Flecken des Monds, ſ. Mondflecken, ſieht man, daß er der Erdkugel beſtaͤndig eine und ebendieſelbe Seite zeigt. Unerfahrne ſchließen hieraus, er drehe ſich nicht um ſeine Axe. Sie ſind um ſo mehr zu entſchuldigen, da ſelbſt Wolf (Anfangsgr. d. Aſtr. Halle, 1716. 8. §. 314.) ſo geſchloſſen hat. Man findet aber den Fehlſchluß bald, wenn man uͤberlegt, daß z. B. eine um einen Baum herumgehende Perſon, die ſtets das Geſicht gegen den Baum kehret, daſſelbe waͤhrend jeden Umgangs nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren, und alſo bey jedem Herumgehen auch ſich ſelbſt einmal umdrehen muß. Daß wir immer einerley Seite des Monds ſehen, beweißt alſo vielmehr eine wirkliche Umdrehung deſſelben, die aber in eben der Zeit erfolgt, in der er um die Erde laͤuft, und deren Axe auf der Ebene ſeiner Bahn faſt lothrecht ſteht. Die Urſache, welche beym Monde dieſe Umdrehungszeit der Umlaufszeit gerade gleich macht, kan wohl ſchwerlich zufaͤllig ſeyn. Galilei gab ſchon als einen Grund das an, daß die gegen uns gekehrte Seite eine natuͤrliche Beziehung oder Neigung gegen die Erde habe; welches Newton weit richtiger ſo ausdruͤckt: die diesſeitige Halbkugel des Monds gravitire wegen der groͤßern Naͤhe ſtaͤrker gegen die Erde und nehme dadurch nach dieſer Richtung eine laͤnglichere Geſtalt an. Uebrigens geht dieſe Umdrehung, aus dem Mittelpunkte des Monds betrachtet, wie alle Umwaͤlzungen im Sonnenſyſtem, nach der Ordnung der Zeichen. Dennoch hat ſchon Galilei bey der erſten Betrachtung des Monds durch Fernroͤhre entdeckt, daß ſich ſeine der Erde zugewendete Halbkugel periodiſch ein wenig verruͤckt, indem die mitten auf ihr ſtehenden Flecken bald nach der einen bald nach der andern Seite, bald nord- bald ſuͤdwaͤrts treten. Man nennt dieſe kleine Bewegung der Flecken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0282" xml:id="P.3.276" n="276"/><lb/> </p> <p>Der Mond durchlaͤuft ſeine Bahn, im Durchſchnitt genommen, in einer Zeit von 27 Tagen 7 St. 43 Min. 5 Sec., und legt alſo, der mittlern Bewegung nach, taͤglich 13° 10′ 35″ des Kreiſes zuruͤck. Nimmt man hiezu die Groͤße dieſes Kreiſes, ſo laͤßt ſich berechnen, daß er in 1 Zeitſecunde in der Erdferne 3132 pariſer Fuß durchlaufe.</p> <p>Aus den Flecken des Monds, ſ. <hi rendition="#b">Mondflecken,</hi> ſieht man, daß er der Erdkugel beſtaͤndig eine und ebendieſelbe Seite zeigt. Unerfahrne ſchließen hieraus, er drehe ſich <hi rendition="#b">nicht</hi> um ſeine Axe. Sie ſind um ſo mehr zu entſchuldigen, da ſelbſt <hi rendition="#b">Wolf</hi> (Anfangsgr. d. Aſtr. Halle, 1716. 8. §. 314.) ſo geſchloſſen hat. Man findet aber den Fehlſchluß bald, wenn man uͤberlegt, daß z. B. eine um einen Baum herumgehende Perſon, die ſtets das Geſicht gegen den Baum kehret, daſſelbe waͤhrend jeden Umgangs nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren, und alſo bey jedem Herumgehen auch ſich ſelbſt einmal umdrehen muß. Daß wir immer einerley Seite des Monds ſehen, beweißt alſo vielmehr eine <hi rendition="#b">wirkliche Umdrehung</hi> deſſelben, die aber in eben der Zeit erfolgt, in der er um die Erde laͤuft, und deren Axe auf der Ebene ſeiner Bahn faſt lothrecht ſteht. Die Urſache, welche beym Monde dieſe Umdrehungszeit der Umlaufszeit gerade gleich macht, kan wohl ſchwerlich zufaͤllig ſeyn. <hi rendition="#b">Galilei</hi> gab ſchon als einen Grund das an, daß die gegen uns gekehrte Seite eine natuͤrliche Beziehung oder Neigung gegen die Erde habe; welches <hi rendition="#b">Newton</hi> weit richtiger ſo ausdruͤckt: die diesſeitige Halbkugel des Monds gravitire wegen der groͤßern Naͤhe ſtaͤrker gegen die Erde und nehme dadurch nach dieſer Richtung eine laͤnglichere Geſtalt an. Uebrigens geht dieſe Umdrehung, aus dem Mittelpunkte des Monds betrachtet, wie alle Umwaͤlzungen im Sonnenſyſtem, nach der Ordnung der Zeichen.</p> <p>Dennoch hat ſchon <hi rendition="#b">Galilei</hi> bey der erſten Betrachtung des Monds durch Fernroͤhre entdeckt, daß ſich ſeine der Erde zugewendete Halbkugel periodiſch ein wenig verruͤckt, indem die mitten auf ihr ſtehenden Flecken bald nach der einen bald nach der andern Seite, bald nord- bald ſuͤdwaͤrts treten. Man nennt dieſe kleine Bewegung der Flecken<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0282]
Der Mond durchlaͤuft ſeine Bahn, im Durchſchnitt genommen, in einer Zeit von 27 Tagen 7 St. 43 Min. 5 Sec., und legt alſo, der mittlern Bewegung nach, taͤglich 13° 10′ 35″ des Kreiſes zuruͤck. Nimmt man hiezu die Groͤße dieſes Kreiſes, ſo laͤßt ſich berechnen, daß er in 1 Zeitſecunde in der Erdferne 3132 pariſer Fuß durchlaufe.
Aus den Flecken des Monds, ſ. Mondflecken, ſieht man, daß er der Erdkugel beſtaͤndig eine und ebendieſelbe Seite zeigt. Unerfahrne ſchließen hieraus, er drehe ſich nicht um ſeine Axe. Sie ſind um ſo mehr zu entſchuldigen, da ſelbſt Wolf (Anfangsgr. d. Aſtr. Halle, 1716. 8. §. 314.) ſo geſchloſſen hat. Man findet aber den Fehlſchluß bald, wenn man uͤberlegt, daß z. B. eine um einen Baum herumgehende Perſon, die ſtets das Geſicht gegen den Baum kehret, daſſelbe waͤhrend jeden Umgangs nach und nach gegen alle Weltgegenden kehren, und alſo bey jedem Herumgehen auch ſich ſelbſt einmal umdrehen muß. Daß wir immer einerley Seite des Monds ſehen, beweißt alſo vielmehr eine wirkliche Umdrehung deſſelben, die aber in eben der Zeit erfolgt, in der er um die Erde laͤuft, und deren Axe auf der Ebene ſeiner Bahn faſt lothrecht ſteht. Die Urſache, welche beym Monde dieſe Umdrehungszeit der Umlaufszeit gerade gleich macht, kan wohl ſchwerlich zufaͤllig ſeyn. Galilei gab ſchon als einen Grund das an, daß die gegen uns gekehrte Seite eine natuͤrliche Beziehung oder Neigung gegen die Erde habe; welches Newton weit richtiger ſo ausdruͤckt: die diesſeitige Halbkugel des Monds gravitire wegen der groͤßern Naͤhe ſtaͤrker gegen die Erde und nehme dadurch nach dieſer Richtung eine laͤnglichere Geſtalt an. Uebrigens geht dieſe Umdrehung, aus dem Mittelpunkte des Monds betrachtet, wie alle Umwaͤlzungen im Sonnenſyſtem, nach der Ordnung der Zeichen.
Dennoch hat ſchon Galilei bey der erſten Betrachtung des Monds durch Fernroͤhre entdeckt, daß ſich ſeine der Erde zugewendete Halbkugel periodiſch ein wenig verruͤckt, indem die mitten auf ihr ſtehenden Flecken bald nach der einen bald nach der andern Seite, bald nord- bald ſuͤdwaͤrts treten. Man nennt dieſe kleine Bewegung der Flecken
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |