vorhersagen lassen. Er enthält eine Bestimmung eines beständigen Erfolgs, der unter gleichen Umständen immer der nemliche ist. Alle solche beständige Erfahrungen könnten schon Naturgesetze heißen: gemeiniglich aber haben mehrere derselben noch etwas gemein, und es lassen sich aus ihnen noch allgemeinere Erfahrungssätze abstrahiren, die eine noch größere Menge beständiger Erfahrungen unter sich begreifen. Die einfachsten und allgemeinsten dieser Sätze heißen nun vorzugsweise Naturgesetze, besonders, wenn sie genaue mathematische Bestimmungen über die Größe der Wirkungen mit sich führen.
So ist es z. B. eine allgemeine Erfahrung, daßjeder sreygelassene Stein lothrecht niederfällt. Eben so: daß jeder freygelassene Körper an der Erde lothrecht niederfällt. Ausnahmen, wie bey den Aerostaten, welche freygelassen aufsteigen, lassen sich aus den Umständen so erklären, daß die Regel dadurch nur noch mehr bestätiget wird. Der Aerostat würde auch niederfallen, wenn die Luft nicht sein ganzes Gewicht trüge, und ihn noch überdies höbe. Dies giebt also den allgemeinen Satz: Alle bekannte Körper streben gegen die Erde zu fallen. Schon dies kan ein Naturgesetz heißen.
Weil man aber auch bemerkt, daß alle Materien, bey welchen Wahrnehmungen dieser Art möglich sind, z. B. die Gewässer gegen den Mond zu fallen streben, daß die Theile des Monds und aller Planeten gegen die ganzen Massen dieser Körper gravitiren, daß der Mond gegen die Erde, daß Erde und alle Planeten gegen die Sonne und gegen einander selbst schwer sind u. s. w., so zieht man hieraus den weit allgemeinern Satz: Alle bekannte Materien sind gegen einander schwer.
Da man nun nach Newtons Entdeckungen diesem Satze noch die mathematische Bestimmung beyfügen kan, daß die Materien im directen Verhältnisse der Masse und im umgekehrten des Quadrats der Entfernung schwer sind, so behauptet derselbe unter dem Namen des Gesetzes der Gravitation einen vorzüglichen Rang unter den bisher bekannten
vorherſagen laſſen. Er enthaͤlt eine Beſtimmung eines beſtaͤndigen Erfolgs, der unter gleichen Umſtaͤnden immer der nemliche iſt. Alle ſolche beſtaͤndige Erfahrungen koͤnnten ſchon Naturgeſetze heißen: gemeiniglich aber haben mehrere derſelben noch etwas gemein, und es laſſen ſich aus ihnen noch allgemeinere Erfahrungsſaͤtze abſtrahiren, die eine noch groͤßere Menge beſtaͤndiger Erfahrungen unter ſich begreifen. Die einfachſten und allgemeinſten dieſer Saͤtze heißen nun vorzugsweiſe Naturgeſetze, beſonders, wenn ſie genaue mathematiſche Beſtimmungen uͤber die Groͤße der Wirkungen mit ſich fuͤhren.
So iſt es z. B. eine allgemeine Erfahrung, daßjeder ſreygelaſſene Stein lothrecht niederfaͤllt. Eben ſo: daß jeder freygelaſſene Koͤrper an der Erde lothrecht niederfaͤllt. Ausnahmen, wie bey den Aeroſtaten, welche freygelaſſen aufſteigen, laſſen ſich aus den Umſtaͤnden ſo erklaͤren, daß die Regel dadurch nur noch mehr beſtaͤtiget wird. Der Aeroſtat wuͤrde auch niederfallen, wenn die Luft nicht ſein ganzes Gewicht truͤge, und ihn noch uͤberdies hoͤbe. Dies giebt alſo den allgemeinen Satz: Alle bekannte Koͤrper ſtreben gegen die Erde zu fallen. Schon dies kan ein Naturgeſetz heißen.
Weil man aber auch bemerkt, daß alle Materien, bey welchen Wahrnehmungen dieſer Art moͤglich ſind, z. B. die Gewaͤſſer gegen den Mond zu fallen ſtreben, daß die Theile des Monds und aller Planeten gegen die ganzen Maſſen dieſer Koͤrper gravitiren, daß der Mond gegen die Erde, daß Erde und alle Planeten gegen die Sonne und gegen einander ſelbſt ſchwer ſind u. ſ. w., ſo zieht man hieraus den weit allgemeinern Satz: Alle bekannte Materien ſind gegen einander ſchwer.
Da man nun nach Newtons Entdeckungen dieſem Satze noch die mathematiſche Beſtimmung beyfuͤgen kan, daß die Materien im directen Verhaͤltniſſe der Maſſe und im umgekehrten des Quadrats der Entfernung ſchwer ſind, ſo behauptet derſelbe unter dem Namen des Geſetzes der Gravitation einen vorzuͤglichen Rang unter den bisher bekannten
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vorherſagen laſſen. Er enthaͤlt eine Beſtimmung eines beſtaͤndigen Erfolgs, der unter gleichen Umſtaͤnden immer der nemliche iſt. Alle ſolche beſtaͤndige Erfahrungen koͤnnten ſchon Naturgeſetze heißen: gemeiniglich aber haben mehrere derſelben noch etwas gemein, und es laſſen ſich aus ihnen noch allgemeinere Erfahrungsſaͤtze abſtrahiren, die eine noch groͤßere Menge beſtaͤndiger Erfahrungen unter ſich begreifen. Die einfachſten und allgemeinſten dieſer Saͤtze heißen nun vorzugsweiſe Naturgeſetze, beſonders, wenn ſie genaue mathematiſche Beſtimmungen uͤber die Groͤße der Wirkungen mit ſich fuͤhren.
So iſt es z. B. eine allgemeine Erfahrung, daßjeder ſreygelaſſene Stein lothrecht niederfaͤllt. Eben ſo: daß jeder freygelaſſene Koͤrper an der Erde lothrecht niederfaͤllt. Ausnahmen, wie bey den Aeroſtaten, welche freygelaſſen aufſteigen, laſſen ſich aus den Umſtaͤnden ſo erklaͤren, daß die Regel dadurch nur noch mehr beſtaͤtiget wird. Der Aeroſtat wuͤrde auch niederfallen, wenn die Luft nicht ſein ganzes Gewicht truͤge, und ihn noch uͤberdies hoͤbe. Dies giebt alſo den allgemeinen Satz: Alle bekannte Koͤrper ſtreben gegen die Erde zu fallen. Schon dies kan ein Naturgeſetz heißen.
Weil man aber auch bemerkt, daß alle Materien, bey welchen Wahrnehmungen dieſer Art moͤglich ſind, z. B. die Gewaͤſſer gegen den Mond zu fallen ſtreben, daß die Theile des Monds und aller Planeten gegen die ganzen Maſſen dieſer Koͤrper gravitiren, daß der Mond gegen die Erde, daß Erde und alle Planeten gegen die Sonne und gegen einander ſelbſt ſchwer ſind u. ſ. w., ſo zieht man hieraus den weit allgemeinern Satz: Alle bekannte Materien ſind gegen einander ſchwer.
Da man nun nach Newtons Entdeckungen dieſem Satze noch die mathematiſche Beſtimmung beyfuͤgen kan, daß die Materien im directen Verhaͤltniſſe der Maſſe und im umgekehrten des Quadrats der Entfernung ſchwer ſind, ſo behauptet derſelbe unter dem Namen des Geſetzes der Gravitation einen vorzuͤglichen Rang unter den bisher bekannten
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/329>, abgerufen am 21.11.2024.
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