Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.
Varenius (Geograph. gener. Cap. 16. Prop. 5.) und Derham (Physicotheologie, II. B. 5. Cap.) leiten den Ursprung der Quellen auch aus dem Meere, aber auf eine andere Weise, als Descartes, her. Sie glauben, das Wasser steige bis auf die Spitzen der Berge durch die Adhäsion, wie in Haarröhrchen, Schwämmen, oder in einem Haufen feinen Sandes, der in einer Schüssel voll Wasser steht. Kircher, der diese Erklärung schon kannte, erläutert sie durch einen Versuch mit einem Säulchen von Gyps, das aufrecht ins Wasser gestellt, und oben wie eine Schüssel ausgehölt wird. Das Wasser soll sich darinn in die Höhe ziehen, und oben in der Höhlung sammeln. Aber dieser Versuch ist von Kirchern ersonnen; das Wasser steigt zwar auf, aber es sammelt sich nichts in der gemachten Höhlung, wie Lulofs durch mehrere Proben gefunden hat. Perrault setzte eine bleyerne Röhre mit trocknem durchgesiebten Flußsande gefüllt, aufrecht vier Linien tief ins Wasser, und fand nach 24 Stunden den Sand 18 Zoll hoch angefeuchtet. Um nun zu sehen, ob dieses Wasser seitwärts auslaufen, und Quellwasser geben könne, machte er in der Bleyröhre, 2 Zoll über der Oberfläche des Wassers im Gefäße, eine Oefnung von 7--8 Lin. im Durchmesser, brachte eine schiefe Seitenrinne mit trocknem Sande an, und legte darunter Löschpapier, dessen Ende hervorragte. Allein das Löschpapier wurde kaum feucht, geschweige daß sich ein Abtröpfeln des Wassers gezeigt hätte. Füllte er die Röhre mit grobem Sande und kleinen Kieseln, so zog sich die Feuchtigteit nur 10 Zoll hoch. Nach den Gesetzen der Adhäsion steigt zwar das Wasser in Haarröhren auf, aber es bleibt auch an ihren Wänden fest hängen, und kan nicht seitwärts auslaufen. Auf der Spitze des Tafelbergs am Cap der guten Hofnung entspringen viele Quellen 1857 Fuß, oder 22284 Zoll über der Meeresfläche. Nun steigt in einem Haarrohre vom Durchmesser 0,06 Zoll das Wasser 0,61 Zoll hoch, und in andern verhalten sich die Höhen des Aufsteigens
Varenius (Geograph. gener. Cap. 16. Prop. 5.) und Derham (Phyſicotheologie, II. B. 5. Cap.) leiten den Urſprung der Quellen auch aus dem Meere, aber auf eine andere Weiſe, als Descartes, her. Sie glauben, das Waſſer ſteige bis auf die Spitzen der Berge durch die Adhaͤſion, wie in Haarroͤhrchen, Schwaͤmmen, oder in einem Haufen feinen Sandes, der in einer Schuͤſſel voll Waſſer ſteht. Kircher, der dieſe Erklaͤrung ſchon kannte, erlaͤutert ſie durch einen Verſuch mit einem Saͤulchen von Gyps, das aufrecht ins Waſſer geſtellt, und oben wie eine Schuͤſſel ausgehoͤlt wird. Das Waſſer ſoll ſich darinn in die Hoͤhe ziehen, und oben in der Hoͤhlung ſammeln. Aber dieſer Verſuch iſt von Kirchern erſonnen; das Waſſer ſteigt zwar auf, aber es ſammelt ſich nichts in der gemachten Hoͤhlung, wie Lulofs durch mehrere Proben gefunden hat. Perrault ſetzte eine bleyerne Roͤhre mit trocknem durchgeſiebten Flußſande gefuͤllt, aufrecht vier Linien tief ins Waſſer, und fand nach 24 Stunden den Sand 18 Zoll hoch angefeuchtet. Um nun zu ſehen, ob dieſes Waſſer ſeitwaͤrts auslaufen, und Quellwaſſer geben koͤnne, machte er in der Bleyroͤhre, 2 Zoll uͤber der Oberflaͤche des Waſſers im Gefaͤße, eine Oefnung von 7—8 Lin. im Durchmeſſer, brachte eine ſchiefe Seitenrinne mit trocknem Sande an, und legte darunter Loͤſchpapier, deſſen Ende hervorragte. Allein das Loͤſchpapier wurde kaum feucht, geſchweige daß ſich ein Abtroͤpfeln des Waſſers gezeigt haͤtte. Fuͤllte er die Roͤhre mit grobem Sande und kleinen Kieſeln, ſo zog ſich die Feuchtigteit nur 10 Zoll hoch. Nach den Geſetzen der Adhaͤſion ſteigt zwar das Waſſer in Haarroͤhren auf, aber es bleibt auch an ihren Waͤnden feſt haͤngen, und kan nicht ſeitwaͤrts auslaufen. Auf der Spitze des Tafelbergs am Cap der guten Hofnung entſpringen viele Quellen 1857 Fuß, oder 22284 Zoll uͤber der Meeresflaͤche. Nun ſteigt in einem Haarrohre vom Durchmeſſer 0,06 Zoll das Waſſer 0,61 Zoll hoch, und in andern verhalten ſich die Hoͤhen des Aufſteigens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0617" xml:id="P.3.611" n="611"/><lb/> durch Ausduͤnſtung unterirdiſcher Gewaͤſſer entſtehen koͤnnen. Es iſt aber die Frage, ob ſie Glauben verdienen, und mit gehoͤriger Genauigkeit angeſtellt ſind.</p> <p><hi rendition="#b">Varenius</hi><hi rendition="#aq">(Geograph. gener. Cap. 16. Prop. 5.)</hi> und <hi rendition="#b">Derham</hi> (Phyſicotheologie, <hi rendition="#aq">II.</hi> B. 5. Cap.) leiten den Urſprung der Quellen auch aus dem Meere, aber auf eine andere Weiſe, als Descartes, her. Sie glauben, das Waſſer ſteige bis auf die Spitzen der Berge durch die Adhaͤſion, wie in Haarroͤhrchen, Schwaͤmmen, oder in einem Haufen feinen Sandes, der in einer Schuͤſſel voll Waſſer ſteht. <hi rendition="#b">Kircher,</hi> der dieſe Erklaͤrung ſchon kannte, erlaͤutert ſie durch einen Verſuch mit einem Saͤulchen von Gyps, das aufrecht ins Waſſer geſtellt, und oben wie eine Schuͤſſel ausgehoͤlt wird. Das Waſſer ſoll ſich darinn in die Hoͤhe ziehen, und oben in der Hoͤhlung ſammeln. Aber dieſer Verſuch iſt von Kirchern erſonnen; das Waſſer ſteigt zwar auf, aber es ſammelt ſich nichts in der gemachten Hoͤhlung, wie <hi rendition="#b">Lulofs</hi> durch mehrere Proben gefunden hat. <hi rendition="#b">Perrault</hi> ſetzte eine bleyerne Roͤhre mit trocknem durchgeſiebten Flußſande gefuͤllt, aufrecht vier Linien tief ins Waſſer, und fand nach 24 Stunden den Sand 18 Zoll hoch angefeuchtet. Um nun zu ſehen, ob dieſes Waſſer ſeitwaͤrts auslaufen, und Quellwaſſer geben koͤnne, machte er in der Bleyroͤhre, 2 Zoll uͤber der Oberflaͤche des Waſſers im Gefaͤße, eine Oefnung von 7—8 Lin. im Durchmeſſer, brachte eine ſchiefe Seitenrinne mit trocknem Sande an, und legte darunter Loͤſchpapier, deſſen Ende hervorragte. Allein das Loͤſchpapier wurde kaum feucht, geſchweige daß ſich ein Abtroͤpfeln des Waſſers gezeigt haͤtte. Fuͤllte er die Roͤhre mit grobem Sande und kleinen Kieſeln, ſo zog ſich die Feuchtigteit nur 10 Zoll hoch. Nach den Geſetzen der Adhaͤſion ſteigt zwar das Waſſer in Haarroͤhren auf, aber es bleibt auch an ihren Waͤnden feſt haͤngen, und kan nicht ſeitwaͤrts auslaufen. Auf der Spitze des Tafelbergs am Cap der guten Hofnung entſpringen viele Quellen 1857 Fuß, oder 22284 Zoll uͤber der Meeresflaͤche. Nun ſteigt in einem Haarrohre vom Durchmeſſer 0,06 Zoll das Waſſer 0,61 Zoll hoch, und in andern verhalten ſich die Hoͤhen des Aufſteigens<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [611/0617]
durch Ausduͤnſtung unterirdiſcher Gewaͤſſer entſtehen koͤnnen. Es iſt aber die Frage, ob ſie Glauben verdienen, und mit gehoͤriger Genauigkeit angeſtellt ſind.
Varenius (Geograph. gener. Cap. 16. Prop. 5.) und Derham (Phyſicotheologie, II. B. 5. Cap.) leiten den Urſprung der Quellen auch aus dem Meere, aber auf eine andere Weiſe, als Descartes, her. Sie glauben, das Waſſer ſteige bis auf die Spitzen der Berge durch die Adhaͤſion, wie in Haarroͤhrchen, Schwaͤmmen, oder in einem Haufen feinen Sandes, der in einer Schuͤſſel voll Waſſer ſteht. Kircher, der dieſe Erklaͤrung ſchon kannte, erlaͤutert ſie durch einen Verſuch mit einem Saͤulchen von Gyps, das aufrecht ins Waſſer geſtellt, und oben wie eine Schuͤſſel ausgehoͤlt wird. Das Waſſer ſoll ſich darinn in die Hoͤhe ziehen, und oben in der Hoͤhlung ſammeln. Aber dieſer Verſuch iſt von Kirchern erſonnen; das Waſſer ſteigt zwar auf, aber es ſammelt ſich nichts in der gemachten Hoͤhlung, wie Lulofs durch mehrere Proben gefunden hat. Perrault ſetzte eine bleyerne Roͤhre mit trocknem durchgeſiebten Flußſande gefuͤllt, aufrecht vier Linien tief ins Waſſer, und fand nach 24 Stunden den Sand 18 Zoll hoch angefeuchtet. Um nun zu ſehen, ob dieſes Waſſer ſeitwaͤrts auslaufen, und Quellwaſſer geben koͤnne, machte er in der Bleyroͤhre, 2 Zoll uͤber der Oberflaͤche des Waſſers im Gefaͤße, eine Oefnung von 7—8 Lin. im Durchmeſſer, brachte eine ſchiefe Seitenrinne mit trocknem Sande an, und legte darunter Loͤſchpapier, deſſen Ende hervorragte. Allein das Loͤſchpapier wurde kaum feucht, geſchweige daß ſich ein Abtroͤpfeln des Waſſers gezeigt haͤtte. Fuͤllte er die Roͤhre mit grobem Sande und kleinen Kieſeln, ſo zog ſich die Feuchtigteit nur 10 Zoll hoch. Nach den Geſetzen der Adhaͤſion ſteigt zwar das Waſſer in Haarroͤhren auf, aber es bleibt auch an ihren Waͤnden feſt haͤngen, und kan nicht ſeitwaͤrts auslaufen. Auf der Spitze des Tafelbergs am Cap der guten Hofnung entſpringen viele Quellen 1857 Fuß, oder 22284 Zoll uͤber der Meeresflaͤche. Nun ſteigt in einem Haarrohre vom Durchmeſſer 0,06 Zoll das Waſſer 0,61 Zoll hoch, und in andern verhalten ſich die Hoͤhen des Aufſteigens
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