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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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So kan eine sehr geringe Menge Wasser einer ungleich größern das Gleichgewicht halten, wenn ein Schenkel der Röhre eng, der andere sehr weit ist. Bey Fig. 114. steht ein Pfund Wasser in FB mit 16 Pfund in IC im Gleichgewicht. Wenn aber das Wasser in der weiten Röhre um 1 Zoll steigen sollte, so müßte es in der engern um 16 Zoll fallen, weil hier eben so viel Wasser fallen muß, als dort aussteigt, und gleicher Cylinder Höhen sich umgekehrt, wie die Grundflächen, verhalten. Daher verhält sich (wenn das Wasser im engen Schenkel als Kraft, das im weitern, als Last, betrachtet wird) bey wirklicher Bewegung der Weg der Kraft zum Wege der Last, wie die Last zur Kraft im Falle des Gleichgewichts. Dies stimmt überein mit dem Grundsatze der Mechanik, daß an Raume oder Geschwindigkeit allemal eben so viel verlohren wird, als man an Kraft gewinnt. Da dieser Satz bey festen Körpern mit dem statischen Momente oder mit dem Maaße der Bewegungen des Descartes zusammenhängt, so sieht man, wie auf diese Gründe der mariottische oder wolfische Beweiß des Satzes von communicirenden Röhren habe gebaut werden können, der aber den Fehler hat, daß er flüßige Körper, wie feste, behandelt.

Wenn in communicirenden Röhren die Oberflächen des Wassers nicht in einerley wagrechter Ebene liegen, so kan auch kein Gleichgewicht statt finden. Denn alsdann ist die eine Wassersäule niedriger, als die andere. Und da die niedrigere gerade nur vermögend ist, mit einer ihr gleich hohen das Gleichgewicht zu halten, so wird sie es mit einer höhern zu halten unvermögend seyn. Die höhere Säule wird also sinken, und die niedrigere in die Höhe treiben, bis endlich nach verschiedenen Oscillationen beyde in einerley wagrechte Ebene und dadurch ins Gleichgewicht kommen.

Wenn die eine Röhre in AB Taf. XX. Fig. 118. abgeschnitten, und die andere bis CD mit Wasser erfüllt ist, so wid das Wasser in AB überlaufen. Ist aber AB verschlossen, und nur in F mit einer engen Oefnung versehen, so springt das Wasser aus F mit Gewalt hervor, und die Höhe G, bis zu der es fteigt, sollte eigentlich mit CD in


So kan eine ſehr geringe Menge Waſſer einer ungleich groͤßern das Gleichgewicht halten, wenn ein Schenkel der Roͤhre eng, der andere ſehr weit iſt. Bey Fig. 114. ſteht ein Pfund Waſſer in FB mit 16 Pfund in IC im Gleichgewicht. Wenn aber das Waſſer in der weiten Roͤhre um 1 Zoll ſteigen ſollte, ſo muͤßte es in der engern um 16 Zoll fallen, weil hier eben ſo viel Waſſer fallen muß, als dort auſſteigt, und gleicher Cylinder Hoͤhen ſich umgekehrt, wie die Grundflaͤchen, verhalten. Daher verhaͤlt ſich (wenn das Waſſer im engen Schenkel als Kraft, das im weitern, als Laſt, betrachtet wird) bey wirklicher Bewegung der Weg der Kraft zum Wege der Laſt, wie die Laſt zur Kraft im Falle des Gleichgewichts. Dies ſtimmt uͤberein mit dem Grundſatze der Mechanik, daß an Raume oder Geſchwindigkeit allemal eben ſo viel verlohren wird, als man an Kraft gewinnt. Da dieſer Satz bey feſten Koͤrpern mit dem ſtatiſchen Momente oder mit dem Maaße der Bewegungen des Descartes zuſammenhaͤngt, ſo ſieht man, wie auf dieſe Gruͤnde der mariottiſche oder wolfiſche Beweiß des Satzes von communicirenden Roͤhren habe gebaut werden koͤnnen, der aber den Fehler hat, daß er fluͤßige Koͤrper, wie feſte, behandelt.

Wenn in communicirenden Roͤhren die Oberflaͤchen des Waſſers nicht in einerley wagrechter Ebene liegen, ſo kan auch kein Gleichgewicht ſtatt finden. Denn alsdann iſt die eine Waſſerſaͤule niedriger, als die andere. Und da die niedrigere gerade nur vermoͤgend iſt, mit einer ihr gleich hohen das Gleichgewicht zu halten, ſo wird ſie es mit einer hoͤhern zu halten unvermoͤgend ſeyn. Die hoͤhere Saͤule wird alſo ſinken, und die niedrigere in die Hoͤhe treiben, bis endlich nach verſchiedenen Oſcillationen beyde in einerley wagrechte Ebene und dadurch ins Gleichgewicht kommen.

Wenn die eine Roͤhre in AB Taf. XX. Fig. 118. abgeſchnitten, und die andere bis CD mit Waſſer erfuͤllt iſt, ſo wid das Waſſer in AB uͤberlaufen. Iſt aber AB verſchloſſen, und nur in F mit einer engen Oefnung verſehen, ſo ſpringt das Waſſer aus F mit Gewalt hervor, und die Hoͤhe G, bis zu der es fteigt, ſollte eigentlich mit CD in

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[725/0731] So kan eine ſehr geringe Menge Waſſer einer ungleich groͤßern das Gleichgewicht halten, wenn ein Schenkel der Roͤhre eng, der andere ſehr weit iſt. Bey Fig. 114. ſteht ein Pfund Waſſer in FB mit 16 Pfund in IC im Gleichgewicht. Wenn aber das Waſſer in der weiten Roͤhre um 1 Zoll ſteigen ſollte, ſo muͤßte es in der engern um 16 Zoll fallen, weil hier eben ſo viel Waſſer fallen muß, als dort auſſteigt, und gleicher Cylinder Hoͤhen ſich umgekehrt, wie die Grundflaͤchen, verhalten. Daher verhaͤlt ſich (wenn das Waſſer im engen Schenkel als Kraft, das im weitern, als Laſt, betrachtet wird) bey wirklicher Bewegung der Weg der Kraft zum Wege der Laſt, wie die Laſt zur Kraft im Falle des Gleichgewichts. Dies ſtimmt uͤberein mit dem Grundſatze der Mechanik, daß an Raume oder Geſchwindigkeit allemal eben ſo viel verlohren wird, als man an Kraft gewinnt. Da dieſer Satz bey feſten Koͤrpern mit dem ſtatiſchen Momente oder mit dem Maaße der Bewegungen des Descartes zuſammenhaͤngt, ſo ſieht man, wie auf dieſe Gruͤnde der mariottiſche oder wolfiſche Beweiß des Satzes von communicirenden Roͤhren habe gebaut werden koͤnnen, der aber den Fehler hat, daß er fluͤßige Koͤrper, wie feſte, behandelt. Wenn in communicirenden Roͤhren die Oberflaͤchen des Waſſers nicht in einerley wagrechter Ebene liegen, ſo kan auch kein Gleichgewicht ſtatt finden. Denn alsdann iſt die eine Waſſerſaͤule niedriger, als die andere. Und da die niedrigere gerade nur vermoͤgend iſt, mit einer ihr gleich hohen das Gleichgewicht zu halten, ſo wird ſie es mit einer hoͤhern zu halten unvermoͤgend ſeyn. Die hoͤhere Saͤule wird alſo ſinken, und die niedrigere in die Hoͤhe treiben, bis endlich nach verſchiedenen Oſcillationen beyde in einerley wagrechte Ebene und dadurch ins Gleichgewicht kommen. Wenn die eine Roͤhre in AB Taf. XX. Fig. 118. abgeſchnitten, und die andere bis CD mit Waſſer erfuͤllt iſt, ſo wid das Waſſer in AB uͤberlaufen. Iſt aber AB verſchloſſen, und nur in F mit einer engen Oefnung verſehen, ſo ſpringt das Waſſer aus F mit Gewalt hervor, und die Hoͤhe G, bis zu der es fteigt, ſollte eigentlich mit CD in

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/731>, abgerufen am 22.11.2024.