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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798.

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Erklärung einiger Erscheinungen und Versuche.

Ein Körper fällt durch sein eignes Gewicht nicht um, wenn seine Directionslinie (die Verticallinie durch seinen Schwerpunkt) genau durch den unterstützten Ort geht, oder wenn der Schwerpunkt lothrecht über dem unterstützten Grunde steht. Auf diesem Satze beruht der feste Stand der Menschen, Thiere und leblosen Körper. Ieder Körper steht auf einer großen Grundfläche sicherer, als auf einer kleinern, z. B. der Mensch auf beyden Füßen, deren Stellung ein Trapezium bildet, fester, als auf einem; auch fester mit gerade vorwärts gekehrten, als mit auswärts gestellten Füßen, die ein schmäleres Trapezium bilden, über dessen Grenzen eine kleine Bewegung den Schwerpunkt des Körpers leicht hinausrückt. Die vierfüßigen Thiere stehen auf einer größern Grundfläche, mithin fester, als der Mensch. Beym Gehen giebt es Augenblicke, wo der Schwerpunkt nicht unterstützt ist, und der Körper sallen würde; da aber zum Falle Zeit gehört, so wird während derselben der fortschreitende Fuß wieder lothrecht unter den Schwerpunkt gebracht. Gehen, Laufen und Springen sind also ein immer erneuertes und wieder unterbrochnes Fallen: eben so der Schritt, Trott und Galopp der Pferde.

Wenn man Lasten trägt, so fällt der gemeinschaftliche Schwerpunkt des Körpers und der Last weiter vom Körper ab, nach der Gegend zu, wo sich die Last befindet. Daher beugt und streckt der Träger den Oberleib oder andere Theile des Körpers nach der entgegengesetzten Seite, um den Schwerpunkt wieder an seinen gewöhnlichen Ort zurück zu bringen. Er beugt sich vorwärts, wenn er die Last auf dem Rücken trägt, rückwärts, wenn er sie vor sich hat; er streckt den rechten Arm aus, wenn die Lost am linken hängt, u. s. w.

Bringt man den Körper in Stellungen, bey welchen die Directionslinie außerhalb des unterstützten Grundes fällt, so verändert man zugleich die Stellung der Füße so, daß sie einen neuen Grund bilden, der nun den Schwerpunkt unterstützt. So setzt man den einen Fuß vorwärts,


Erklaͤrung einiger Erſcheinungen und Verſuche.

Ein Koͤrper faͤllt durch ſein eignes Gewicht nicht um, wenn ſeine Directionslinie (die Verticallinie durch ſeinen Schwerpunkt) genau durch den unterſtuͤtzten Ort geht, oder wenn der Schwerpunkt lothrecht uͤber dem unterſtuͤtzten Grunde ſteht. Auf dieſem Satze beruht der feſte Stand der Menſchen, Thiere und lebloſen Koͤrper. Ieder Koͤrper ſteht auf einer großen Grundflaͤche ſicherer, als auf einer kleinern, z. B. der Menſch auf beyden Fuͤßen, deren Stellung ein Trapezium bildet, feſter, als auf einem; auch feſter mit gerade vorwaͤrts gekehrten, als mit auswaͤrts geſtellten Fuͤßen, die ein ſchmaͤleres Trapezium bilden, uͤber deſſen Grenzen eine kleine Bewegung den Schwerpunkt des Koͤrpers leicht hinausruͤckt. Die vierfuͤßigen Thiere ſtehen auf einer groͤßern Grundflaͤche, mithin feſter, als der Menſch. Beym Gehen giebt es Augenblicke, wo der Schwerpunkt nicht unterſtuͤtzt iſt, und der Koͤrper ſallen wuͤrde; da aber zum Falle Zeit gehoͤrt, ſo wird waͤhrend derſelben der fortſchreitende Fuß wieder lothrecht unter den Schwerpunkt gebracht. Gehen, Laufen und Springen ſind alſo ein immer erneuertes und wieder unterbrochnes Fallen: eben ſo der Schritt, Trott und Galopp der Pferde.

Wenn man Laſten traͤgt, ſo faͤllt der gemeinſchaftliche Schwerpunkt des Koͤrpers und der Laſt weiter vom Koͤrper ab, nach der Gegend zu, wo ſich die Laſt befindet. Daher beugt und ſtreckt der Traͤger den Oberleib oder andere Theile des Koͤrpers nach der entgegengeſetzten Seite, um den Schwerpunkt wieder an ſeinen gewoͤhnlichen Ort zuruͤck zu bringen. Er beugt ſich vorwaͤrts, wenn er die Laſt auf dem Ruͤcken traͤgt, ruͤckwaͤrts, wenn er ſie vor ſich hat; er ſtreckt den rechten Arm aus, wenn die Loſt am linken haͤngt, u. ſ. w.

Bringt man den Koͤrper in Stellungen, bey welchen die Directionslinie außerhalb des unterſtuͤtzten Grundes faͤllt, ſo veraͤndert man zugleich die Stellung der Fuͤße ſo, daß ſie einen neuen Grund bilden, der nun den Schwerpunkt unterſtuͤtzt. So ſetzt man den einen Fuß vorwaͤrts,

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[932/0938] Erklaͤrung einiger Erſcheinungen und Verſuche. Ein Koͤrper faͤllt durch ſein eignes Gewicht nicht um, wenn ſeine Directionslinie (die Verticallinie durch ſeinen Schwerpunkt) genau durch den unterſtuͤtzten Ort geht, oder wenn der Schwerpunkt lothrecht uͤber dem unterſtuͤtzten Grunde ſteht. Auf dieſem Satze beruht der feſte Stand der Menſchen, Thiere und lebloſen Koͤrper. Ieder Koͤrper ſteht auf einer großen Grundflaͤche ſicherer, als auf einer kleinern, z. B. der Menſch auf beyden Fuͤßen, deren Stellung ein Trapezium bildet, feſter, als auf einem; auch feſter mit gerade vorwaͤrts gekehrten, als mit auswaͤrts geſtellten Fuͤßen, die ein ſchmaͤleres Trapezium bilden, uͤber deſſen Grenzen eine kleine Bewegung den Schwerpunkt des Koͤrpers leicht hinausruͤckt. Die vierfuͤßigen Thiere ſtehen auf einer groͤßern Grundflaͤche, mithin feſter, als der Menſch. Beym Gehen giebt es Augenblicke, wo der Schwerpunkt nicht unterſtuͤtzt iſt, und der Koͤrper ſallen wuͤrde; da aber zum Falle Zeit gehoͤrt, ſo wird waͤhrend derſelben der fortſchreitende Fuß wieder lothrecht unter den Schwerpunkt gebracht. Gehen, Laufen und Springen ſind alſo ein immer erneuertes und wieder unterbrochnes Fallen: eben ſo der Schritt, Trott und Galopp der Pferde. Wenn man Laſten traͤgt, ſo faͤllt der gemeinſchaftliche Schwerpunkt des Koͤrpers und der Laſt weiter vom Koͤrper ab, nach der Gegend zu, wo ſich die Laſt befindet. Daher beugt und ſtreckt der Traͤger den Oberleib oder andere Theile des Koͤrpers nach der entgegengeſetzten Seite, um den Schwerpunkt wieder an ſeinen gewoͤhnlichen Ort zuruͤck zu bringen. Er beugt ſich vorwaͤrts, wenn er die Laſt auf dem Ruͤcken traͤgt, ruͤckwaͤrts, wenn er ſie vor ſich hat; er ſtreckt den rechten Arm aus, wenn die Loſt am linken haͤngt, u. ſ. w. Bringt man den Koͤrper in Stellungen, bey welchen die Directionslinie außerhalb des unterſtuͤtzten Grundes faͤllt, ſo veraͤndert man zugleich die Stellung der Fuͤße ſo, daß ſie einen neuen Grund bilden, der nun den Schwerpunkt unterſtuͤtzt. So ſetzt man den einen Fuß vorwaͤrts,

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 932. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/938>, abgerufen am 22.11.2024.