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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Daß diese astronomischen Stralenbrechungen schon Ptolemäus gekannt habe, schließt Montucla aus einer Stelle des Baco (Perspectiva ex edit. Combachii 1614. p. 37), welcher anführt, man sehe die Gestirne beym Horizonte nicht am rechten Orte, und hinzusetzt: "Sic autem "Ptolemaeus in lib. V. de Opticis, et Alhazen in VII." Nun handelt zwar Alhazen's Stelle wirklich von den Stralenbrechungen: aber im Almagest des Ptolemäus wird ihrer nicht erwähnt, selbst an Orten nicht, wo es müßte geschehen sein, wenn man sie damals gekannt hätte. Wahrscheinlich hat sich also die von Baco angeführte Stelle aus der Optik des Ptolemäus auf den Gesichtsbetrug bezogen, durch den man Winkel am Horizonte für größer hält, als in der Höhe, welchen Ptolemäus irrig aus den Dünsten erklärt, s. Himmel. Von diesem Gesichtsbetruge handeln mehr Stellen des Almagests, unter andern die (L. III. c. 9.), welche Priestley (Gesch. der Optik, durch Klügel. S. 11.) ebenfalls auf die astronomische Stralenbrechung ziehen will.

Alhazen hingegen (Opt. L. VII. und de crepusculis) redet schon sehr bestimmt von diesen Brechungen. Er leitet sie davon her, daß die Materie der Himmel subtiler sey, als die Luft; er schreibt ihnen das Blinkern der Fixsterne zu, läßt sie die Gestirne höher darstellen, und Sterne über den Horizont erheben, die in der That noch darunter stehen. Er läugnet endlich mit Recht, daß sie den Grund der scheinbaren Vergrößerung der Sonnenscheibe beym Horizonte enthalten, weil ihre Wirkung den Durchmesser der Gestirne am Horizonte eher verkleinern müsse. Ob er gleich Mittel vorschlägt, ihre Größe zu finden, so giebt doch weder er, noch sein Nachfolger Vitello, irgend eine Bestimmung dieser Größe an.

Erst im sechszehnten Jahrhunderte untersuchten Bernhard Walther (Observ. Norimb. adjectae Observ. Hassiacis, editis a Willebrordo Snellio. Lugd. Bat. 1618. 4.), Möstlin, und vorzüglich Tycho de Brahe (Progymnasm. astron. L. I. p. 15. sqq.) diesen Gegenstand genauer und mit bessern Werkzeugen. Man überzeugte sich bald von


Daß dieſe aſtronomiſchen Stralenbrechungen ſchon Ptolemaͤus gekannt habe, ſchließt Montucla aus einer Stelle des Baco (Perſpectiva ex edit. Combachii 1614. p. 37), welcher anfuͤhrt, man ſehe die Geſtirne beym Horizonte nicht am rechten Orte, und hinzuſetzt: ”Sic autem ”Ptolemaeus in lib. V. de Opticis, et Alhazen in VII.“ Nun handelt zwar Alhazen's Stelle wirklich von den Stralenbrechungen: aber im Almageſt des Ptolemaͤus wird ihrer nicht erwaͤhnt, ſelbſt an Orten nicht, wo es muͤßte geſchehen ſein, wenn man ſie damals gekannt haͤtte. Wahrſcheinlich hat ſich alſo die von Baco angefuͤhrte Stelle aus der Optik des Ptolemaͤus auf den Geſichtsbetrug bezogen, durch den man Winkel am Horizonte fuͤr groͤßer haͤlt, als in der Hoͤhe, welchen Ptolemaͤus irrig aus den Duͤnſten erklaͤrt, ſ. Himmel. Von dieſem Geſichtsbetruge handeln mehr Stellen des Almageſts, unter andern die (L. III. c. 9.), welche Prieſtley (Geſch. der Optik, durch Kluͤgel. S. 11.) ebenfalls auf die aſtronomiſche Stralenbrechung ziehen will.

Alhazen hingegen (Opt. L. VII. und de crepuſculis) redet ſchon ſehr beſtimmt von dieſen Brechungen. Er leitet ſie davon her, daß die Materie der Himmel ſubtiler ſey, als die Luft; er ſchreibt ihnen das Blinkern der Fixſterne zu, laͤßt ſie die Geſtirne hoͤher darſtellen, und Sterne uͤber den Horizont erheben, die in der That noch darunter ſtehen. Er laͤugnet endlich mit Recht, daß ſie den Grund der ſcheinbaren Vergroͤßerung der Sonnenſcheibe beym Horizonte enthalten, weil ihre Wirkung den Durchmeſſer der Geſtirne am Horizonte eher verkleinern muͤſſe. Ob er gleich Mittel vorſchlaͤgt, ihre Groͤße zu finden, ſo giebt doch weder er, noch ſein Nachfolger Vitello, irgend eine Beſtimmung dieſer Groͤße an.

Erſt im ſechszehnten Jahrhunderte unterſuchten Bernhard Walther (Obſerv. Norimb. adjectae Obſerv. Haſſiacis, editis a Willebrordo Snellio. Lugd. Bat. 1618. 4.), Moͤſtlin, und vorzuͤglich Tycho de Brahe (Progymnaſm. aſtron. L. I. p. 15. ſqq.) dieſen Gegenſtand genauer und mit beſſern Werkzeugen. Man uͤberzeugte ſich bald von

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[245/0255] Daß dieſe aſtronomiſchen Stralenbrechungen ſchon Ptolemaͤus gekannt habe, ſchließt Montucla aus einer Stelle des Baco (Perſpectiva ex edit. Combachii 1614. p. 37), welcher anfuͤhrt, man ſehe die Geſtirne beym Horizonte nicht am rechten Orte, und hinzuſetzt: ”Sic autem ”Ptolemaeus in lib. V. de Opticis, et Alhazen in VII.“ Nun handelt zwar Alhazen's Stelle wirklich von den Stralenbrechungen: aber im Almageſt des Ptolemaͤus wird ihrer nicht erwaͤhnt, ſelbſt an Orten nicht, wo es muͤßte geſchehen ſein, wenn man ſie damals gekannt haͤtte. Wahrſcheinlich hat ſich alſo die von Baco angefuͤhrte Stelle aus der Optik des Ptolemaͤus auf den Geſichtsbetrug bezogen, durch den man Winkel am Horizonte fuͤr groͤßer haͤlt, als in der Hoͤhe, welchen Ptolemaͤus irrig aus den Duͤnſten erklaͤrt, ſ. Himmel. Von dieſem Geſichtsbetruge handeln mehr Stellen des Almageſts, unter andern die (L. III. c. 9.), welche Prieſtley (Geſch. der Optik, durch Kluͤgel. S. 11.) ebenfalls auf die aſtronomiſche Stralenbrechung ziehen will. Alhazen hingegen (Opt. L. VII. und de crepuſculis) redet ſchon ſehr beſtimmt von dieſen Brechungen. Er leitet ſie davon her, daß die Materie der Himmel ſubtiler ſey, als die Luft; er ſchreibt ihnen das Blinkern der Fixſterne zu, laͤßt ſie die Geſtirne hoͤher darſtellen, und Sterne uͤber den Horizont erheben, die in der That noch darunter ſtehen. Er laͤugnet endlich mit Recht, daß ſie den Grund der ſcheinbaren Vergroͤßerung der Sonnenſcheibe beym Horizonte enthalten, weil ihre Wirkung den Durchmeſſer der Geſtirne am Horizonte eher verkleinern muͤſſe. Ob er gleich Mittel vorſchlaͤgt, ihre Groͤße zu finden, ſo giebt doch weder er, noch ſein Nachfolger Vitello, irgend eine Beſtimmung dieſer Groͤße an. Erſt im ſechszehnten Jahrhunderte unterſuchten Bernhard Walther (Obſerv. Norimb. adjectae Obſerv. Haſſiacis, editis a Willebrordo Snellio. Lugd. Bat. 1618. 4.), Moͤſtlin, und vorzuͤglich Tycho de Brahe (Progymnaſm. aſtron. L. I. p. 15. ſqq.) dieſen Gegenſtand genauer und mit beſſern Werkzeugen. Man uͤberzeugte ſich bald von

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/255>, abgerufen am 22.11.2024.