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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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schneidet jeden Tagkreis zweymal senkrecht, einmal an seiner höchsten, das anderemal an seiner niedrigsten Stelle, z. B. in M und N, in K und R, so daß sich beyde Durchschnittspunkte im Tagkreise selbst gegenüber stehen. Daher geht jeder Stern täglich zweymal durch den Mittagskreis; beyde Durchgänge aber sind nur alsdann sichtbar, wenn der ganze Tagkreis über den Horizont sällt.

Man kan die Tagkreise, wie alle Kreise, in Grade, Minuten, Secunden rc. theilen. Weil sie aber kleinere Kreise der Sphäre sind, so sind auch ihre Grade kleiner, als die Grade der größten Kreise, oder des Aequators. Es fällt in die Augen, daß hiebey eben das Verhältniß statt findet, welches (Th. III. S. 408.) für die Parallelkreise der Erdkugel angegeben ist, nur daß am Himmel das Abweichung heißt, was man auf der Erdkugel Breite nennt, nemlich der Abstand vom Aequator AM=QN. Mithin ist

Grad des Tagkreises=Grad des Aequ. X cos. Abweich. Für einen Stern von 60° Abweichung ist ein Grad seines Tagkreises nur halb so groß, als ein Grad des Aequators.

Nun durchläuft jeder Stern seinen ganzen Tagkreis in 24 Stunden, mithin jede 15° desselben in 1 Stunde, jeden Grad in 4 Min., jede Minute in 4 Secunden Sternzeit. Nach dem angegebenen Verhältnisse bringt man diese Grade u. s. w. auf Grade größter Kreise, wenn man ihre Anzahl durch den Cosinus der Abweichung des Sterns multiplicirt. So kan man sich der täglichen Bewegung bedienen, um kleine Größen am Himmel durch die Zeit abzumessen.

Man findet z. B., daß ein Stern, der 60° Abweichung hat, 4 Min. Zeit braucht, um den Durchmesser des Gesichtsseldes in einem unbewegt stehenden Fernrohre zu durchlaufen. In 4. Min. Zeit durchläuft dieser Stern einen Grad seines Tagkreises, welches mit cos. 60°=1/2 multiplicirt, einen halben Grad oder 30' eines größten Kreises giebt. Daher ist der Durchmesser des Gesichtsfelds in diesem Fernrohre=30'. Durch dieses Mittel bestimmt


ſchneidet jeden Tagkreis zweymal ſenkrecht, einmal an ſeiner hoͤchſten, das anderemal an ſeiner niedrigſten Stelle, z. B. in M und N, in K und R, ſo daß ſich beyde Durchſchnittspunkte im Tagkreiſe ſelbſt gegenuͤber ſtehen. Daher geht jeder Stern taͤglich zweymal durch den Mittagskreis; beyde Durchgaͤnge aber ſind nur alsdann ſichtbar, wenn der ganze Tagkreis uͤber den Horizont ſaͤllt.

Man kan die Tagkreiſe, wie alle Kreiſe, in Grade, Minuten, Secunden rc. theilen. Weil ſie aber kleinere Kreiſe der Sphaͤre ſind, ſo ſind auch ihre Grade kleiner, als die Grade der groͤßten Kreiſe, oder des Aequators. Es faͤllt in die Augen, daß hiebey eben das Verhaͤltniß ſtatt findet, welches (Th. III. S. 408.) fuͤr die Parallelkreiſe der Erdkugel angegeben iſt, nur daß am Himmel das Abweichung heißt, was man auf der Erdkugel Breite nennt, nemlich der Abſtand vom Aequator AM=QN. Mithin iſt

Grad des Tagkreiſes=Grad des Aequ. X coſ. Abweich. Fuͤr einen Stern von 60° Abweichung iſt ein Grad ſeines Tagkreiſes nur halb ſo groß, als ein Grad des Aequators.

Nun durchlaͤuft jeder Stern ſeinen ganzen Tagkreis in 24 Stunden, mithin jede 15° deſſelben in 1 Stunde, jeden Grad in 4 Min., jede Minute in 4 Secunden Sternzeit. Nach dem angegebenen Verhaͤltniſſe bringt man dieſe Grade u. ſ. w. auf Grade groͤßter Kreiſe, wenn man ihre Anzahl durch den Coſinus der Abweichung des Sterns multiplicirt. So kan man ſich der taͤglichen Bewegung bedienen, um kleine Groͤßen am Himmel durch die Zeit abzumeſſen.

Man findet z. B., daß ein Stern, der 60° Abweichung hat, 4 Min. Zeit braucht, um den Durchmeſſer des Geſichtsſeldes in einem unbewegt ſtehenden Fernrohre zu durchlaufen. In 4. Min. Zeit durchlaͤuft dieſer Stern einen Grad ſeines Tagkreiſes, welches mit coſ. 60°=1/2 multiplicirt, einen halben Grad oder 30′ eines groͤßten Kreiſes giebt. Daher iſt der Durchmeſſer des Geſichtsfelds in dieſem Fernrohre=30′. Durch dieſes Mittel beſtimmt

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[278/0288] ſchneidet jeden Tagkreis zweymal ſenkrecht, einmal an ſeiner hoͤchſten, das anderemal an ſeiner niedrigſten Stelle, z. B. in M und N, in K und R, ſo daß ſich beyde Durchſchnittspunkte im Tagkreiſe ſelbſt gegenuͤber ſtehen. Daher geht jeder Stern taͤglich zweymal durch den Mittagskreis; beyde Durchgaͤnge aber ſind nur alsdann ſichtbar, wenn der ganze Tagkreis uͤber den Horizont ſaͤllt. Man kan die Tagkreiſe, wie alle Kreiſe, in Grade, Minuten, Secunden rc. theilen. Weil ſie aber kleinere Kreiſe der Sphaͤre ſind, ſo ſind auch ihre Grade kleiner, als die Grade der groͤßten Kreiſe, oder des Aequators. Es faͤllt in die Augen, daß hiebey eben das Verhaͤltniß ſtatt findet, welches (Th. III. S. 408.) fuͤr die Parallelkreiſe der Erdkugel angegeben iſt, nur daß am Himmel das Abweichung heißt, was man auf der Erdkugel Breite nennt, nemlich der Abſtand vom Aequator AM=QN. Mithin iſt Grad des Tagkreiſes=Grad des Aequ. X coſ. Abweich. Fuͤr einen Stern von 60° Abweichung iſt ein Grad ſeines Tagkreiſes nur halb ſo groß, als ein Grad des Aequators. Nun durchlaͤuft jeder Stern ſeinen ganzen Tagkreis in 24 Stunden, mithin jede 15° deſſelben in 1 Stunde, jeden Grad in 4 Min., jede Minute in 4 Secunden Sternzeit. Nach dem angegebenen Verhaͤltniſſe bringt man dieſe Grade u. ſ. w. auf Grade groͤßter Kreiſe, wenn man ihre Anzahl durch den Coſinus der Abweichung des Sterns multiplicirt. So kan man ſich der taͤglichen Bewegung bedienen, um kleine Groͤßen am Himmel durch die Zeit abzumeſſen. Man findet z. B., daß ein Stern, der 60° Abweichung hat, 4 Min. Zeit braucht, um den Durchmeſſer des Geſichtsſeldes in einem unbewegt ſtehenden Fernrohre zu durchlaufen. In 4. Min. Zeit durchlaͤuft dieſer Stern einen Grad ſeines Tagkreiſes, welches mit coſ. 60°=1/2 multiplicirt, einen halben Grad oder 30′ eines groͤßten Kreiſes giebt. Daher iſt der Durchmeſſer des Geſichtsfelds in dieſem Fernrohre=30′. Durch dieſes Mittel beſtimmt

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/288>, abgerufen am 22.11.2024.