ziemlich vollständige Erklärung der Phänomene des Thaues. Er leitet den Thau nicht von wirklich niedergeschlagnen Dünsten, sondern von unaufgelösten Wasserbläschen her, die sich in der untern Luft befinden. Seine Gründe sind, daß sich beym Thaue die Erwärmung nicht zeigt, die sonst jede Fällung des Wassers aus der Luft begleitet, und daß das Thauwasser so unrein in Vergleichung mit dem Regenwasser ist. Es wird zu diesem Absetzen der Bläschen eine schnelle Auflösung erfordert, dergleichen bey trocknenden Körpern statt findet, dahingegen ganze Wassersammlungen, besonders bey gelinderer Wärme, langsamer dünsten, und den Bläschen Zeit genug verstatten, schon in der untern Luft völlig aufgelöst zu werden. Daher kömmt es, daß es in den gemäßigten Zonen nur auf dem Lande, nicht auf dem Meere, in der heißen Zone aber überall reichlich thaut. Die Erkältung der Atmosphäre fängt des Abends von unten an; daher setzt die untere Luft zuerst einige Bläschen an die Körper ab, die sie berühret. Die übrigen erheben sich in die obere Luft, welche sie stärker anzieht, bis auch diese nach und nach erkaltet, und sie absetzt. Daher werden von Körpern in verschiedenen Höhen allemal die untern eher vom Thaue feucht, als die obern, und die Feuchtigkeit hängt sich gewöhnlich mehr an die untern Flächen. Gegen Morgen wird der obere Theil der Atmosphäre kälter; die Bläschen senken sich also wieder gegen die Erde, und selbst der Wind, der sich alsdann erhebt, scheint ihre Anhäufung an der Erde zu befördern. In der Nacht selbst fällt kein Thau, weil sich die Bläschen, und selbst die aufgelösten Dünste, schon aus der untern Luft erhoben haben.
Der häufige Thau auf den Pflanzen ist nur zum Theil wahrer Thau, zum Theil Schweiß der Gewächse, der aus ihren einmal eröfneten Schweißlöchern dringt, und von der Luft wegen ihrer geringern Ziehkraft nicht, wie am Tage, aufgelöset werden kan. Am häufigsten findet man diesen Schweiß auf Pflanzen, welche die Nacht über bedeckt werden, weil sie wärmer bleiben, und die eingeschloßne Luft bald mit Feuchtigkeit gesättiget wird.
ziemlich vollſtaͤndige Erklaͤrung der Phaͤnomene des Thaues. Er leitet den Thau nicht von wirklich niedergeſchlagnen Duͤnſten, ſondern von unaufgeloͤſten Waſſerblaͤschen her, die ſich in der untern Luft befinden. Seine Gruͤnde ſind, daß ſich beym Thaue die Erwaͤrmung nicht zeigt, die ſonſt jede Faͤllung des Waſſers aus der Luft begleitet, und daß das Thauwaſſer ſo unrein in Vergleichung mit dem Regenwaſſer iſt. Es wird zu dieſem Abſetzen der Blaͤschen eine ſchnelle Aufloͤſung erfordert, dergleichen bey trocknenden Koͤrpern ſtatt findet, dahingegen ganze Waſſerſammlungen, beſonders bey gelinderer Waͤrme, langſamer duͤnſten, und den Blaͤschen Zeit genug verſtatten, ſchon in der untern Luft voͤllig aufgeloͤſt zu werden. Daher koͤmmt es, daß es in den gemaͤßigten Zonen nur auf dem Lande, nicht auf dem Meere, in der heißen Zone aber uͤberall reichlich thaut. Die Erkaͤltung der Atmoſphaͤre faͤngt des Abends von unten an; daher ſetzt die untere Luft zuerſt einige Blaͤschen an die Koͤrper ab, die ſie beruͤhret. Die uͤbrigen erheben ſich in die obere Luft, welche ſie ſtaͤrker anzieht, bis auch dieſe nach und nach erkaltet, und ſie abſetzt. Daher werden von Koͤrpern in verſchiedenen Hoͤhen allemal die untern eher vom Thaue feucht, als die obern, und die Feuchtigkeit haͤngt ſich gewoͤhnlich mehr an die untern Flaͤchen. Gegen Morgen wird der obere Theil der Atmoſphaͤre kaͤlter; die Blaͤschen ſenken ſich alſo wieder gegen die Erde, und ſelbſt der Wind, der ſich alsdann erhebt, ſcheint ihre Anhaͤufung an der Erde zu befoͤrdern. In der Nacht ſelbſt faͤllt kein Thau, weil ſich die Blaͤschen, und ſelbſt die aufgeloͤſten Duͤnſte, ſchon aus der untern Luft erhoben haben.
Der haͤufige Thau auf den Pflanzen iſt nur zum Theil wahrer Thau, zum Theil Schweiß der Gewaͤchſe, der aus ihren einmal eroͤfneten Schweißloͤchern dringt, und von der Luft wegen ihrer geringern Ziehkraft nicht, wie am Tage, aufgeloͤſet werden kan. Am haͤufigſten findet man dieſen Schweiß auf Pflanzen, welche die Nacht uͤber bedeckt werden, weil ſie waͤrmer bleiben, und die eingeſchloßne Luft bald mit Feuchtigkeit geſaͤttiget wird.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0304"xml:id="P.4.294"n="294"/><lb/>
ziemlich vollſtaͤndige Erklaͤrung der Phaͤnomene des Thaues. Er leitet den Thau nicht von wirklich niedergeſchlagnen Duͤnſten, ſondern von unaufgeloͤſten Waſſerblaͤschen her, die ſich in der untern Luft befinden. Seine Gruͤnde ſind, daß ſich beym Thaue die Erwaͤrmung nicht zeigt, die ſonſt jede Faͤllung des Waſſers aus der Luft begleitet, und daß das Thauwaſſer ſo unrein in Vergleichung mit dem Regenwaſſer iſt. Es wird zu dieſem Abſetzen der Blaͤschen eine <hirendition="#b">ſchnelle Aufloͤſung</hi> erfordert, dergleichen bey trocknenden Koͤrpern ſtatt findet, dahingegen ganze Waſſerſammlungen, beſonders bey gelinderer Waͤrme, langſamer duͤnſten, und den Blaͤschen Zeit genug verſtatten, ſchon in der untern Luft voͤllig aufgeloͤſt zu werden. Daher koͤmmt es, daß es in den gemaͤßigten Zonen nur auf dem Lande, nicht auf dem Meere, in der heißen Zone aber uͤberall reichlich thaut. Die Erkaͤltung der Atmoſphaͤre faͤngt des Abends von unten an; daher ſetzt die untere Luft zuerſt einige Blaͤschen an die Koͤrper ab, die ſie beruͤhret. Die uͤbrigen erheben ſich in die obere Luft, welche ſie ſtaͤrker anzieht, bis auch dieſe nach und nach erkaltet, und ſie abſetzt. Daher werden von Koͤrpern in verſchiedenen Hoͤhen allemal die untern eher vom Thaue feucht, als die obern, und die Feuchtigkeit haͤngt ſich gewoͤhnlich mehr an die untern Flaͤchen. Gegen Morgen wird der obere Theil der Atmoſphaͤre kaͤlter; die Blaͤschen ſenken ſich alſo wieder gegen die Erde, und ſelbſt der Wind, der ſich alsdann erhebt, ſcheint ihre Anhaͤufung an der Erde zu befoͤrdern. In der Nacht ſelbſt faͤllt kein Thau, weil ſich die Blaͤschen, und ſelbſt die aufgeloͤſten Duͤnſte, ſchon aus der untern Luft erhoben haben.</p><p>Der haͤufige Thau auf den Pflanzen iſt nur zum Theil wahrer Thau, zum Theil Schweiß der Gewaͤchſe, der aus ihren einmal eroͤfneten Schweißloͤchern dringt, und von der Luft wegen ihrer geringern Ziehkraft nicht, wie am Tage, aufgeloͤſet werden kan. Am haͤufigſten findet man dieſen Schweiß auf Pflanzen, welche die Nacht uͤber bedeckt werden, weil ſie waͤrmer bleiben, und die eingeſchloßne Luft bald mit Feuchtigkeit geſaͤttiget wird.<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[294/0304]
ziemlich vollſtaͤndige Erklaͤrung der Phaͤnomene des Thaues. Er leitet den Thau nicht von wirklich niedergeſchlagnen Duͤnſten, ſondern von unaufgeloͤſten Waſſerblaͤschen her, die ſich in der untern Luft befinden. Seine Gruͤnde ſind, daß ſich beym Thaue die Erwaͤrmung nicht zeigt, die ſonſt jede Faͤllung des Waſſers aus der Luft begleitet, und daß das Thauwaſſer ſo unrein in Vergleichung mit dem Regenwaſſer iſt. Es wird zu dieſem Abſetzen der Blaͤschen eine ſchnelle Aufloͤſung erfordert, dergleichen bey trocknenden Koͤrpern ſtatt findet, dahingegen ganze Waſſerſammlungen, beſonders bey gelinderer Waͤrme, langſamer duͤnſten, und den Blaͤschen Zeit genug verſtatten, ſchon in der untern Luft voͤllig aufgeloͤſt zu werden. Daher koͤmmt es, daß es in den gemaͤßigten Zonen nur auf dem Lande, nicht auf dem Meere, in der heißen Zone aber uͤberall reichlich thaut. Die Erkaͤltung der Atmoſphaͤre faͤngt des Abends von unten an; daher ſetzt die untere Luft zuerſt einige Blaͤschen an die Koͤrper ab, die ſie beruͤhret. Die uͤbrigen erheben ſich in die obere Luft, welche ſie ſtaͤrker anzieht, bis auch dieſe nach und nach erkaltet, und ſie abſetzt. Daher werden von Koͤrpern in verſchiedenen Hoͤhen allemal die untern eher vom Thaue feucht, als die obern, und die Feuchtigkeit haͤngt ſich gewoͤhnlich mehr an die untern Flaͤchen. Gegen Morgen wird der obere Theil der Atmoſphaͤre kaͤlter; die Blaͤschen ſenken ſich alſo wieder gegen die Erde, und ſelbſt der Wind, der ſich alsdann erhebt, ſcheint ihre Anhaͤufung an der Erde zu befoͤrdern. In der Nacht ſelbſt faͤllt kein Thau, weil ſich die Blaͤschen, und ſelbſt die aufgeloͤſten Duͤnſte, ſchon aus der untern Luft erhoben haben.
Der haͤufige Thau auf den Pflanzen iſt nur zum Theil wahrer Thau, zum Theil Schweiß der Gewaͤchſe, der aus ihren einmal eroͤfneten Schweißloͤchern dringt, und von der Luft wegen ihrer geringern Ziehkraft nicht, wie am Tage, aufgeloͤſet werden kan. Am haͤufigſten findet man dieſen Schweiß auf Pflanzen, welche die Nacht uͤber bedeckt werden, weil ſie waͤrmer bleiben, und die eingeſchloßne Luft bald mit Feuchtigkeit geſaͤttiget wird.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/304>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.