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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Weise, hervorzubringen. Es friert und thaut in Paris zuweilen vor, öfter nach dem kürzesten Tage, und von Jahr zu Jahr in sehr verschiedenen Zeiten des Winters. Man hat hier Winter ohne Eis, und Frühjahre, Herbste, sogar Sommer mit Frösten. Man könnte fast zweifeln, ob hier die allgemeine und beständige Ursache jemals den Frost veranlasse, wenn sich diese Ursache nicht dadurch zeigte, daß es weit mehr Winter giebt, in denen es friert, als solche, in denen es nicht friert. Aber weiter gegen den Aequator zu giebt es gewiß Länder, in deren Parallel es aus dieser Ursache allein nie frieren würde; so wie gegen die Pole vermuthlich Länder, in denen es immer frieren müßte.

Ein anhaltender starker Frost theilt festen Körpern, z. B. dicken Mauern, eine Kälte mit, die noch sehr lange fortdauert, wenn schon das Thauwetter die Luft wieder erwärmt hat, sonderlich an derjenigen Seite der Mauer, welche der äußern gelinden Luft am wenigsten ausgesetzt ist. So zeigen sich nach langen und starken Frösten die innern Wände der Treppen und anderer Mauern in den Häusern, die von geheizten Zimmern entfernt und vor der Sonne bedeckt sind, ganz mit Eis oder Schnee überzogen, weil die Luft die Wärme weit eher annimmt, als selbige die dicken Mauern durchdringen kan, welche noch immer so kalt und kälter, als Eis, bleiben; und weil überdies die Luft während des Thauwetters mit viel Feuchtigkeit und geschmolzenen Eistheilen überladen ist. Alle diese Wassertröpfchen oder Bläschen häufen sich nach und nach an den Mauern über einander an, und bilden eine dünne schwammige Eisrinde, die aus lauter getrennten Theilchen besteht, folglich, wie zerstoßnes Eis, weiß und dem Schnee ähnlich ist. Lange Fröste werden fast allemal sehr stark, und haben Zeit genug, die Steine zu durchdringen; daher zeigt sich nach ihnen auch allemal diese mehlichte Rinde. So war in den Jahren 1729, 1741 rc. die große Treppe des Louvre einige Tage lang 1--1 1/2 Lin. und an manchen Orten auf 2 Lin. dick überzogen. Es ist ein Irrthum, wenn man diese Art von Schnee einer aus den Mauern kommenden Feuchtigkeit


Weiſe, hervorzubringen. Es friert und thaut in Paris zuweilen vor, oͤfter nach dem kuͤrzeſten Tage, und von Jahr zu Jahr in ſehr verſchiedenen Zeiten des Winters. Man hat hier Winter ohne Eis, und Fruͤhjahre, Herbſte, ſogar Sommer mit Froͤſten. Man koͤnnte faſt zweifeln, ob hier die allgemeine und beſtaͤndige Urſache jemals den Froſt veranlaſſe, wenn ſich dieſe Urſache nicht dadurch zeigte, daß es weit mehr Winter giebt, in denen es friert, als ſolche, in denen es nicht friert. Aber weiter gegen den Aequator zu giebt es gewiß Laͤnder, in deren Parallel es aus dieſer Urſache allein nie frieren wuͤrde; ſo wie gegen die Pole vermuthlich Laͤnder, in denen es immer frieren muͤßte.

Ein anhaltender ſtarker Froſt theilt feſten Koͤrpern, z. B. dicken Mauern, eine Kaͤlte mit, die noch ſehr lange fortdauert, wenn ſchon das Thauwetter die Luft wieder erwaͤrmt hat, ſonderlich an derjenigen Seite der Mauer, welche der aͤußern gelinden Luft am wenigſten ausgeſetzt iſt. So zeigen ſich nach langen und ſtarken Froͤſten die innern Waͤnde der Treppen und anderer Mauern in den Haͤuſern, die von geheizten Zimmern entfernt und vor der Sonne bedeckt ſind, ganz mit Eis oder Schnee uͤberzogen, weil die Luft die Waͤrme weit eher annimmt, als ſelbige die dicken Mauern durchdringen kan, welche noch immer ſo kalt und kaͤlter, als Eis, bleiben; und weil uͤberdies die Luft waͤhrend des Thauwetters mit viel Feuchtigkeit und geſchmolzenen Eistheilen uͤberladen iſt. Alle dieſe Waſſertroͤpfchen oder Blaͤschen haͤufen ſich nach und nach an den Mauern uͤber einander an, und bilden eine duͤnne ſchwammige Eisrinde, die aus lauter getrennten Theilchen beſteht, folglich, wie zerſtoßnes Eis, weiß und dem Schnee aͤhnlich iſt. Lange Froͤſte werden faſt allemal ſehr ſtark, und haben Zeit genug, die Steine zu durchdringen; daher zeigt ſich nach ihnen auch allemal dieſe mehlichte Rinde. So war in den Jahren 1729, 1741 rc. die große Treppe des Louvre einige Tage lang 1—1 1/2 Lin. und an manchen Orten auf 2 Lin. dick uͤberzogen. Es iſt ein Irrthum, wenn man dieſe Art von Schnee einer aus den Mauern kommenden Feuchtigkeit

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[299/0309] Weiſe, hervorzubringen. Es friert und thaut in Paris zuweilen vor, oͤfter nach dem kuͤrzeſten Tage, und von Jahr zu Jahr in ſehr verſchiedenen Zeiten des Winters. Man hat hier Winter ohne Eis, und Fruͤhjahre, Herbſte, ſogar Sommer mit Froͤſten. Man koͤnnte faſt zweifeln, ob hier die allgemeine und beſtaͤndige Urſache jemals den Froſt veranlaſſe, wenn ſich dieſe Urſache nicht dadurch zeigte, daß es weit mehr Winter giebt, in denen es friert, als ſolche, in denen es nicht friert. Aber weiter gegen den Aequator zu giebt es gewiß Laͤnder, in deren Parallel es aus dieſer Urſache allein nie frieren wuͤrde; ſo wie gegen die Pole vermuthlich Laͤnder, in denen es immer frieren muͤßte. Ein anhaltender ſtarker Froſt theilt feſten Koͤrpern, z. B. dicken Mauern, eine Kaͤlte mit, die noch ſehr lange fortdauert, wenn ſchon das Thauwetter die Luft wieder erwaͤrmt hat, ſonderlich an derjenigen Seite der Mauer, welche der aͤußern gelinden Luft am wenigſten ausgeſetzt iſt. So zeigen ſich nach langen und ſtarken Froͤſten die innern Waͤnde der Treppen und anderer Mauern in den Haͤuſern, die von geheizten Zimmern entfernt und vor der Sonne bedeckt ſind, ganz mit Eis oder Schnee uͤberzogen, weil die Luft die Waͤrme weit eher annimmt, als ſelbige die dicken Mauern durchdringen kan, welche noch immer ſo kalt und kaͤlter, als Eis, bleiben; und weil uͤberdies die Luft waͤhrend des Thauwetters mit viel Feuchtigkeit und geſchmolzenen Eistheilen uͤberladen iſt. Alle dieſe Waſſertroͤpfchen oder Blaͤschen haͤufen ſich nach und nach an den Mauern uͤber einander an, und bilden eine duͤnne ſchwammige Eisrinde, die aus lauter getrennten Theilchen beſteht, folglich, wie zerſtoßnes Eis, weiß und dem Schnee aͤhnlich iſt. Lange Froͤſte werden faſt allemal ſehr ſtark, und haben Zeit genug, die Steine zu durchdringen; daher zeigt ſich nach ihnen auch allemal dieſe mehlichte Rinde. So war in den Jahren 1729, 1741 rc. die große Treppe des Louvre einige Tage lang 1—1 1/2 Lin. und an manchen Orten auf 2 Lin. dick uͤberzogen. Es iſt ein Irrthum, wenn man dieſe Art von Schnee einer aus den Mauern kommenden Feuchtigkeit

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/309>, abgerufen am 22.11.2024.