Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts that Renaldini, Professor zu Padua, (Philosophia naturalis. Patav. 1694. fol. Tom. III. p. 276.) den ersten Vorschlag, dem florentinischen Thermometer bestimmte Grade zu geben. Man solle, sagt er, an der Röhre den Punkt bemerken, auf welchem der Weingeist stehe, wenn es mit Eis umgeben ist; alsdann aber das Thermometer in eine Mischung von 11 Theilen kalten Wassers (aquae gelidae) und 1 Theile siedenden Wassers setzen, und den Stand des Weingeistes wiederum bemerken, dann eben dieses mit 10, 9, 8 Theilen kalten und 2, 3, 4 Theilen siedenden Wassers wiederholen, oder auch den Raum zwischen den beyden ersten Punkten messen, und demselben oberwärts längst der Röhre noch 11 gleiche Räume zusetzen, so habe man dadurch die Wärme des siedenden Wassers in 12 gleiche Theile getheilt, und wenn an einem Orte der Weingeist auf der zweyten, am andern Orte auf der dritten Abtheilung stehe, so würden sich die Größen der Wärme beyder Orte, wie 2 : 3 verhalten. Dies setzt voraus, das Werkzeug zeige absolute Größen der Wärme, als ob die aqua gelida gar keine Wärme mehr enthielte; auch dehnt sich der Weingeist nicht um gleiche Räume aus, wenn die Wärme um gleiche Unterschiede wächst. Bey allen diesen Fehlern liegt dennoch in des Renaldini Verfahren wirklich der erste Gedanke, den Eis- und Siedpunkt zu bemerken, und ihrem Abstande eine bestimmte Zahl von Theilen zu geben. Dies war für die damalige Zeit sehr viel. Es ist der Gedanke, den man noch jetzt braucht, und dem man nichts, als genauere Bestimmungen dieser Punkte, hat zusetzen können. Man ließ ihn aber damals noch ganz unbenützt. Newton (Philos. Trans. 1701. no. 270.) theilte eine Tafel über einige beständige Grade der Wärme mit, zu deren Bestimmung er ein Thermometer von Leinöl gebraucht hatte, weil diese Materie weit mehr Hitze, als der
Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts that Renaldini, Profeſſor zu Padua, (Philoſophia naturalis. Patav. 1694. fol. Tom. III. p. 276.) den erſten Vorſchlag, dem florentiniſchen Thermometer beſtimmte Grade zu geben. Man ſolle, ſagt er, an der Roͤhre den Punkt bemerken, auf welchem der Weingeiſt ſtehe, wenn es mit Eis umgeben iſt; alsdann aber das Thermometer in eine Miſchung von 11 Theilen kalten Waſſers (aquae gelidae) und 1 Theile ſiedenden Waſſers ſetzen, und den Stand des Weingeiſtes wiederum bemerken, dann eben dieſes mit 10, 9, 8 Theilen kalten und 2, 3, 4 Theilen ſiedenden Waſſers wiederholen, oder auch den Raum zwiſchen den beyden erſten Punkten meſſen, und demſelben oberwaͤrts laͤngſt der Roͤhre noch 11 gleiche Raͤume zuſetzen, ſo habe man dadurch die Waͤrme des ſiedenden Waſſers in 12 gleiche Theile getheilt, und wenn an einem Orte der Weingeiſt auf der zweyten, am andern Orte auf der dritten Abtheilung ſtehe, ſo wuͤrden ſich die Groͤßen der Waͤrme beyder Orte, wie 2 : 3 verhalten. Dies ſetzt voraus, das Werkzeug zeige abſolute Groͤßen der Waͤrme, als ob die aqua gelida gar keine Waͤrme mehr enthielte; auch dehnt ſich der Weingeiſt nicht um gleiche Raͤume aus, wenn die Waͤrme um gleiche Unterſchiede waͤchſt. Bey allen dieſen Fehlern liegt dennoch in des Renaldini Verfahren wirklich der erſte Gedanke, den Eis- und Siedpunkt zu bemerken, und ihrem Abſtande eine beſtimmte Zahl von Theilen zu geben. Dies war fuͤr die damalige Zeit ſehr viel. Es iſt der Gedanke, den man noch jetzt braucht, und dem man nichts, als genauere Beſtimmungen dieſer Punkte, hat zuſetzen koͤnnen. Man ließ ihn aber damals noch ganz unbenuͤtzt. Newton (Philoſ. Trans. 1701. no. 270.) theilte eine Tafel uͤber einige beſtaͤndige Grade der Waͤrme mit, zu deren Beſtimmung er ein Thermometer von Leinoͤl gebraucht hatte, weil dieſe Materie weit mehr Hitze, als der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0322" xml:id="P.4.312" n="312"/><lb/> Waͤrme einen ganz andern Grad wuͤrde gezeigt haben. <hi rendition="#b">Wolf</hi> ſchildert die Verwirrung, die in den Angaben ſeiner vier florentiniſchen Thermometer herrſchte, ſehr lebhaft (Nuͤtzl. Verſ. Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> Cap. <hi rendition="#aq">V. §. 67.</hi>).</p> <p>Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts that <hi rendition="#b">Renaldini,</hi> Profeſſor zu Padua, (<hi rendition="#aq">Philoſophia naturalis. Patav. 1694. fol. Tom. III. p. 276.</hi>) den erſten Vorſchlag, dem florentiniſchen Thermometer beſtimmte Grade zu geben. Man ſolle, ſagt er, an der Roͤhre den Punkt bemerken, auf welchem der Weingeiſt ſtehe, wenn es mit <hi rendition="#b">Eis</hi> umgeben iſt; alsdann aber das Thermometer in eine Miſchung von 11 Theilen kalten Waſſers (<hi rendition="#aq">aquae gelidae</hi>) und 1 Theile ſiedenden Waſſers ſetzen, und den Stand des Weingeiſtes wiederum bemerken, dann eben dieſes mit 10, 9, 8 Theilen kalten und 2, 3, 4 Theilen ſiedenden Waſſers wiederholen, oder auch den Raum zwiſchen den beyden erſten Punkten meſſen, und demſelben oberwaͤrts laͤngſt der Roͤhre noch 11 gleiche Raͤume zuſetzen, ſo habe man dadurch die Waͤrme des <hi rendition="#b">ſiedenden Waſſers</hi> in 12 gleiche Theile getheilt, und wenn an einem Orte der Weingeiſt auf der zweyten, am andern Orte auf der dritten Abtheilung ſtehe, ſo wuͤrden ſich die Groͤßen der Waͤrme beyder Orte, wie 2 : 3 verhalten. Dies ſetzt voraus, das Werkzeug zeige <hi rendition="#b">abſolute Groͤßen</hi> der Waͤrme, als ob die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">aqua gelida</hi></hi> gar keine Waͤrme mehr enthielte; auch dehnt ſich der Weingeiſt nicht um <hi rendition="#b">gleiche Raͤume</hi> aus, wenn die Waͤrme um <hi rendition="#b">gleiche Unterſchiede</hi> waͤchſt. Bey allen dieſen Fehlern liegt dennoch in des <hi rendition="#b">Renaldini</hi> Verfahren wirklich der erſte Gedanke, den Eis- und Siedpunkt zu bemerken, und ihrem Abſtande eine beſtimmte Zahl von Theilen zu geben. Dies war fuͤr die damalige Zeit ſehr viel. Es iſt der Gedanke, den man noch jetzt braucht, und dem man nichts, als genauere Beſtimmungen dieſer Punkte, hat zuſetzen koͤnnen. Man ließ ihn aber damals noch ganz unbenuͤtzt.</p> <p><hi rendition="#b">Newton</hi> (<hi rendition="#aq">Philoſ. Trans. 1701. no. 270.</hi>) theilte eine Tafel uͤber einige <hi rendition="#b">beſtaͤndige</hi> Grade der Waͤrme mit, zu deren Beſtimmung er ein Thermometer von <hi rendition="#b">Leinoͤl</hi> gebraucht hatte, weil dieſe Materie weit mehr Hitze, als der<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [312/0322]
Waͤrme einen ganz andern Grad wuͤrde gezeigt haben. Wolf ſchildert die Verwirrung, die in den Angaben ſeiner vier florentiniſchen Thermometer herrſchte, ſehr lebhaft (Nuͤtzl. Verſ. Th. II. Cap. V. §. 67.).
Gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts that Renaldini, Profeſſor zu Padua, (Philoſophia naturalis. Patav. 1694. fol. Tom. III. p. 276.) den erſten Vorſchlag, dem florentiniſchen Thermometer beſtimmte Grade zu geben. Man ſolle, ſagt er, an der Roͤhre den Punkt bemerken, auf welchem der Weingeiſt ſtehe, wenn es mit Eis umgeben iſt; alsdann aber das Thermometer in eine Miſchung von 11 Theilen kalten Waſſers (aquae gelidae) und 1 Theile ſiedenden Waſſers ſetzen, und den Stand des Weingeiſtes wiederum bemerken, dann eben dieſes mit 10, 9, 8 Theilen kalten und 2, 3, 4 Theilen ſiedenden Waſſers wiederholen, oder auch den Raum zwiſchen den beyden erſten Punkten meſſen, und demſelben oberwaͤrts laͤngſt der Roͤhre noch 11 gleiche Raͤume zuſetzen, ſo habe man dadurch die Waͤrme des ſiedenden Waſſers in 12 gleiche Theile getheilt, und wenn an einem Orte der Weingeiſt auf der zweyten, am andern Orte auf der dritten Abtheilung ſtehe, ſo wuͤrden ſich die Groͤßen der Waͤrme beyder Orte, wie 2 : 3 verhalten. Dies ſetzt voraus, das Werkzeug zeige abſolute Groͤßen der Waͤrme, als ob die aqua gelida gar keine Waͤrme mehr enthielte; auch dehnt ſich der Weingeiſt nicht um gleiche Raͤume aus, wenn die Waͤrme um gleiche Unterſchiede waͤchſt. Bey allen dieſen Fehlern liegt dennoch in des Renaldini Verfahren wirklich der erſte Gedanke, den Eis- und Siedpunkt zu bemerken, und ihrem Abſtande eine beſtimmte Zahl von Theilen zu geben. Dies war fuͤr die damalige Zeit ſehr viel. Es iſt der Gedanke, den man noch jetzt braucht, und dem man nichts, als genauere Beſtimmungen dieſer Punkte, hat zuſetzen koͤnnen. Man ließ ihn aber damals noch ganz unbenuͤtzt.
Newton (Philoſ. Trans. 1701. no. 270.) theilte eine Tafel uͤber einige beſtaͤndige Grade der Waͤrme mit, zu deren Beſtimmung er ein Thermometer von Leinoͤl gebraucht hatte, weil dieſe Materie weit mehr Hitze, als der
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