Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Bisweilen liegt auch die Ursache des undeutlichen Sehens in der Unstandhaftigkeit des Auges. So erkennt man schwerlich einen schmalen weißen Strich zwischen zween schwarzen auf einem weißen Grunde, weil bey den unvermeidlichen geringen Bewegungen des Auges die Bilder der schwarzen Striche immer auf die Stelle rücken, die eigentlich dem weißen zugehört. Weil nun die Eindrücke auf die Netzhaut eine kleine Zeit fortdauren, so wird darüber der weiße Strich gar nicht deutlich erkannt, z. B. zwo nahe an einander gezogene schwarze Parallellinien erscheinen in einiger Entfernung nur, wie eine einzige. Der Zwischenraum zwischen zwo Stecknadeln, der eben so groß, als ihre Breite war, gegen das Taglicht betrachtet, ließ sich nicht mehr erkennen, wenn er unter einem kleinern Winkel, als 40 Secunden, ins Auge fiel. Wenn man ein Parallellineal, nicht weit geöfnet, gerade vor das Auge hält, und gegen das Taglicht siehet, so wird der helle Zwischenraum in der kleinsten Weite des deutlichen Sehens als ein einziger Strich erscheinen. Bringt man aber das Auge näher, so erscheint er anfänglich doppelt, dann dreyfach u. s. w. bis endlich bey großer Nähe die Menge der Striche unzählbar wird. Eben das zeigt sich auch, wenn das Lineal in allzugroßer Entfernung von Kurzsichtigen, oder von Weitsichtigen durch ein erhabnes Glas betrachtet wird. Ein Nadelloch in einem Papiere, gegen das Licht gesehen, erscheint, sobald es seine Deutlichkeit verliert, gleichsam mit Stralen umgeben. D. Jurin will dies aus den newtonischen Anwandlungen des leichtern Durch- und Zurückgehens erklären; aber Robins glaubt, es rühre von der Anstrengung her, die sich das Auge geben muß, um außer den Grenzen des deutlichen Sehens etwas zu unterscheiden, wodurch die Oberfläche ungleich gespannt und runzlicht werde.
Bisweilen liegt auch die Urſache des undeutlichen Sehens in der Unſtandhaftigkeit des Auges. So erkennt man ſchwerlich einen ſchmalen weißen Strich zwiſchen zween ſchwarzen auf einem weißen Grunde, weil bey den unvermeidlichen geringen Bewegungen des Auges die Bilder der ſchwarzen Striche immer auf die Stelle ruͤcken, die eigentlich dem weißen zugehoͤrt. Weil nun die Eindruͤcke auf die Netzhaut eine kleine Zeit fortdauren, ſo wird daruͤber der weiße Strich gar nicht deutlich erkannt, z. B. zwo nahe an einander gezogene ſchwarze Parallellinien erſcheinen in einiger Entfernung nur, wie eine einzige. Der Zwiſchenraum zwiſchen zwo Stecknadeln, der eben ſo groß, als ihre Breite war, gegen das Taglicht betrachtet, ließ ſich nicht mehr erkennen, wenn er unter einem kleinern Winkel, als 40 Secunden, ins Auge fiel. Wenn man ein Parallellineal, nicht weit geoͤfnet, gerade vor das Auge haͤlt, und gegen das Taglicht ſiehet, ſo wird der helle Zwiſchenraum in der kleinſten Weite des deutlichen Sehens als ein einziger Strich erſcheinen. Bringt man aber das Auge naͤher, ſo erſcheint er anfaͤnglich doppelt, dann dreyfach u. ſ. w. bis endlich bey großer Naͤhe die Menge der Striche unzaͤhlbar wird. Eben das zeigt ſich auch, wenn das Lineal in allzugroßer Entfernung von Kurzſichtigen, oder von Weitſichtigen durch ein erhabnes Glas betrachtet wird. Ein Nadelloch in einem Papiere, gegen das Licht geſehen, erſcheint, ſobald es ſeine Deutlichkeit verliert, gleichſam mit Stralen umgeben. D. Jurin will dies aus den newtoniſchen Anwandlungen des leichtern Durch- und Zuruͤckgehens erklaͤren; aber Robins glaubt, es ruͤhre von der Anſtrengung her, die ſich das Auge geben muß, um außer den Grenzen des deutlichen Sehens etwas zu unterſcheiden, wodurch die Oberflaͤche ungleich geſpannt und runzlicht werde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0038" xml:id="P.4.28" n="28"/><lb/> gebraucht, und iſt oft ſchon allein hinlaͤnglich, weil ſich dabey auch die Zerſtreuungskreiſe zuſammenziehen. Bey ſchwachem Lichte hingegen erweitert ſich die Oefnung auch in dem Falle, wenn naͤhere oder kleinere Sachen betrachtet werden.</p> <p>Bisweilen liegt auch die Urſache des undeutlichen Sehens in der Unſtandhaftigkeit des Auges. So erkennt man ſchwerlich einen ſchmalen weißen Strich zwiſchen zween ſchwarzen auf einem weißen Grunde, weil bey den unvermeidlichen geringen Bewegungen des Auges die Bilder der ſchwarzen Striche immer auf die Stelle ruͤcken, die eigentlich dem weißen zugehoͤrt. Weil nun die Eindruͤcke auf die Netzhaut eine kleine Zeit fortdauren, ſo wird daruͤber der weiße Strich gar nicht deutlich erkannt, z. B. zwo nahe an einander gezogene ſchwarze Parallellinien erſcheinen in einiger Entfernung nur, wie eine einzige. Der Zwiſchenraum zwiſchen zwo Stecknadeln, der eben ſo groß, als ihre Breite war, gegen das Taglicht betrachtet, ließ ſich nicht mehr erkennen, wenn er unter einem kleinern Winkel, als 40 Secunden, ins Auge fiel.</p> <p>Wenn man ein Parallellineal, nicht weit geoͤfnet, gerade vor das Auge haͤlt, und gegen das Taglicht ſiehet, ſo wird der helle Zwiſchenraum in der kleinſten Weite des deutlichen Sehens als ein einziger Strich erſcheinen. Bringt man aber das Auge naͤher, ſo erſcheint er anfaͤnglich doppelt, dann dreyfach u. ſ. w. bis endlich bey großer Naͤhe die Menge der Striche unzaͤhlbar wird. Eben das zeigt ſich auch, wenn das Lineal in allzugroßer Entfernung von Kurzſichtigen, oder von Weitſichtigen durch ein erhabnes Glas betrachtet wird. Ein Nadelloch in einem Papiere, gegen das Licht geſehen, erſcheint, ſobald es ſeine Deutlichkeit verliert, gleichſam mit Stralen umgeben. <hi rendition="#b">D. Jurin</hi> will dies aus den newtoniſchen Anwandlungen des leichtern Durch- und Zuruͤckgehens erklaͤren; aber <hi rendition="#b">Robins</hi> glaubt, es ruͤhre von der Anſtrengung her, die ſich das Auge geben muß, um außer den Grenzen des deutlichen Sehens etwas zu unterſcheiden, wodurch die Oberflaͤche ungleich geſpannt und runzlicht werde.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0038]
gebraucht, und iſt oft ſchon allein hinlaͤnglich, weil ſich dabey auch die Zerſtreuungskreiſe zuſammenziehen. Bey ſchwachem Lichte hingegen erweitert ſich die Oefnung auch in dem Falle, wenn naͤhere oder kleinere Sachen betrachtet werden.
Bisweilen liegt auch die Urſache des undeutlichen Sehens in der Unſtandhaftigkeit des Auges. So erkennt man ſchwerlich einen ſchmalen weißen Strich zwiſchen zween ſchwarzen auf einem weißen Grunde, weil bey den unvermeidlichen geringen Bewegungen des Auges die Bilder der ſchwarzen Striche immer auf die Stelle ruͤcken, die eigentlich dem weißen zugehoͤrt. Weil nun die Eindruͤcke auf die Netzhaut eine kleine Zeit fortdauren, ſo wird daruͤber der weiße Strich gar nicht deutlich erkannt, z. B. zwo nahe an einander gezogene ſchwarze Parallellinien erſcheinen in einiger Entfernung nur, wie eine einzige. Der Zwiſchenraum zwiſchen zwo Stecknadeln, der eben ſo groß, als ihre Breite war, gegen das Taglicht betrachtet, ließ ſich nicht mehr erkennen, wenn er unter einem kleinern Winkel, als 40 Secunden, ins Auge fiel.
Wenn man ein Parallellineal, nicht weit geoͤfnet, gerade vor das Auge haͤlt, und gegen das Taglicht ſiehet, ſo wird der helle Zwiſchenraum in der kleinſten Weite des deutlichen Sehens als ein einziger Strich erſcheinen. Bringt man aber das Auge naͤher, ſo erſcheint er anfaͤnglich doppelt, dann dreyfach u. ſ. w. bis endlich bey großer Naͤhe die Menge der Striche unzaͤhlbar wird. Eben das zeigt ſich auch, wenn das Lineal in allzugroßer Entfernung von Kurzſichtigen, oder von Weitſichtigen durch ein erhabnes Glas betrachtet wird. Ein Nadelloch in einem Papiere, gegen das Licht geſehen, erſcheint, ſobald es ſeine Deutlichkeit verliert, gleichſam mit Stralen umgeben. D. Jurin will dies aus den newtoniſchen Anwandlungen des leichtern Durch- und Zuruͤckgehens erklaͤren; aber Robins glaubt, es ruͤhre von der Anſtrengung her, die ſich das Auge geben muß, um außer den Grenzen des deutlichen Sehens etwas zu unterſcheiden, wodurch die Oberflaͤche ungleich geſpannt und runzlicht werde.
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