Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Umschattichte, Periscii, Perisciens. Die Bewohner der kalten Zonen, welche jährlich eine gewisse Zeit lang einen beständigen Tag haben, während dessen ihnen die Sonne gar nicht untergeht, s. Tag. So lange dieser Tag dauret, durchläuft die Sonne aller 24 Stunden einen völlig sichtbaren Tagkreis, so daß sie nach und nach über alle Punkte des Horizonts zu stehen kömmt, und die Schatten der Körper sich durch alle Weltgegenden drehen. Dieser Umstand hat die Benennung von dem griechischen [fremdsprachliches Material] (circum) und [fremdsprachliches Material] (umbra) veranlasset. Die Bewohner der Pole selbst sind ein völliges Halbjahr, die Bewohner der Polarkreise nur einen Tag lang umschatticht. Unbiegsamkeit, Steife Inflexibilitas, Rigiditas, Inflexibilite, Roideur. Die Unfähigkeit eines festen Körpers sich beugen zu lassen, d. i. Kräften, die auf seine Theile wirken, so nachzugeben, daß dadurch eine Veränderung der Gestalt nach der Länge entsteht. Unfähigkeit einer Veränderung der Gestalt überhaupt heißt Härte (Th. II. S. 553.); der Name Unbiegsamkeit oder Steife ist dem besondern Falle eigen, da von Veränderung der Lage der Theile nach derjenigen Richtung die Rede ist, welche der Sprachgebrauch die Länge des Körpers nennt, besonders wenn Theile, die dieser Richtung nach vorher in geraden Linien lagen, in krumme gebracht werden, oder die Körper gebogen werden sollen, s. Biegsamkeit. Unbiegsamkeit ist also nur ein besonderer Fall oder eine Gattung der Härte. Da wir keinen vollkommen harten Körper kennen, so findet sich auch an keinem eine vollkommne oder absolute Unbiegsamkeit. So wird zwar in der Mechanik der Hebel als eine unbiegsame Verbindung dreyer Punkte angenommen; der physische Hebel aber kan nie völlig unbiegsam seyn. Man muß ihn nur so stark machen, daß die Kräfte, die man wirklich an ihm anbringt, so schwach sind, ihn zu beugen. Alsdann ist seine relative Unbiegsamkeit eine Folge
Umſchattichte, Periſcii, Periſciens. Die Bewohner der kalten Zonen, welche jaͤhrlich eine gewiſſe Zeit lang einen beſtaͤndigen Tag haben, waͤhrend deſſen ihnen die Sonne gar nicht untergeht, ſ. Tag. So lange dieſer Tag dauret, durchlaͤuft die Sonne aller 24 Stunden einen voͤllig ſichtbaren Tagkreis, ſo daß ſie nach und nach uͤber alle Punkte des Horizonts zu ſtehen koͤmmt, und die Schatten der Koͤrper ſich durch alle Weltgegenden drehen. Dieſer Umſtand hat die Benennung von dem griechiſchen [fremdsprachliches Material] (circum) und [fremdsprachliches Material] (umbra) veranlaſſet. Die Bewohner der Pole ſelbſt ſind ein voͤlliges Halbjahr, die Bewohner der Polarkreiſe nur einen Tag lang umſchatticht. Unbiegſamkeit, Steife Inflexibilitas, Rigiditas, Inflexibilité, Roideur. Die Unfaͤhigkeit eines feſten Koͤrpers ſich beugen zu laſſen, d. i. Kraͤften, die auf ſeine Theile wirken, ſo nachzugeben, daß dadurch eine Veraͤnderung der Geſtalt nach der Laͤnge entſteht. Unfaͤhigkeit einer Veraͤnderung der Geſtalt uͤberhaupt heißt Haͤrte (Th. II. S. 553.); der Name Unbiegſamkeit oder Steife iſt dem beſondern Falle eigen, da von Veraͤnderung der Lage der Theile nach derjenigen Richtung die Rede iſt, welche der Sprachgebrauch die Laͤnge des Koͤrpers nennt, beſonders wenn Theile, die dieſer Richtung nach vorher in geraden Linien lagen, in krumme gebracht werden, oder die Koͤrper gebogen werden ſollen, ſ. Biegſamkeit. Unbiegſamkeit iſt alſo nur ein beſonderer Fall oder eine Gattung der Haͤrte. Da wir keinen vollkommen harten Koͤrper kennen, ſo findet ſich auch an keinem eine vollkommne oder abſolute Unbiegſamkeit. So wird zwar in der Mechanik der Hebel als eine unbiegſame Verbindung dreyer Punkte angenommen; der phyſiſche Hebel aber kan nie voͤllig unbiegſam ſeyn. Man muß ihn nur ſo ſtark machen, daß die Kraͤfte, die man wirklich an ihm anbringt, ſo ſchwach ſind, ihn zu beugen. Alsdann iſt ſeine relative Unbiegſamkeit eine Folge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0420" xml:id="P.4.410" n="410"/><lb/> findet man in der dem Artikel <hi rendition="#b">Weltſyſtem</hi> beygefuͤgten Tabelle.</p> </div> <div n="3"> <head>Umſchattichte, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Periſcii</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Periſciens</hi></foreign></name>.</head><lb/> <p>Die Bewohner der kalten Zonen, welche jaͤhrlich eine gewiſſe Zeit lang einen beſtaͤndigen Tag haben, waͤhrend deſſen ihnen die Sonne gar nicht untergeht, <hi rendition="#b">ſ. Tag.</hi> So lange dieſer Tag dauret, durchlaͤuft die Sonne aller 24 Stunden einen voͤllig ſichtbaren Tagkreis, ſo daß ſie nach und nach uͤber alle Punkte des Horizonts zu ſtehen koͤmmt, und die Schatten der Koͤrper ſich durch alle Weltgegenden drehen. Dieſer Umſtand hat die Benennung von dem griechiſchen <foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">peri\</note></foreign> (<hi rendition="#aq">circum</hi>) und <foreign xml:lang="grc"><gap reason="fm"/><note type="editorial">sxi/a</note></foreign> (<hi rendition="#aq">umbra</hi>) veranlaſſet. Die Bewohner der Pole ſelbſt ſind ein voͤlliges Halbjahr, die Bewohner der Polarkreiſe nur einen Tag lang umſchatticht.</p> </div> <div n="3"> <head>Unbiegſamkeit, Steife</head><lb/> <p><hi rendition="#aq">Inflexibilitas, Rigiditas, <hi rendition="#i">Inflexibilité, Roideur.</hi></hi> Die Unfaͤhigkeit eines feſten Koͤrpers ſich beugen zu laſſen, d. i. Kraͤften, die auf ſeine Theile wirken, ſo nachzugeben, daß dadurch eine Veraͤnderung der Geſtalt nach der Laͤnge entſteht. Unfaͤhigkeit einer Veraͤnderung der Geſtalt uͤberhaupt heißt <hi rendition="#b">Haͤrte</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 553.); der Name Unbiegſamkeit oder Steife iſt dem beſondern Falle eigen, da von Veraͤnderung der Lage der Theile nach derjenigen Richtung die Rede iſt, welche der Sprachgebrauch die <hi rendition="#b">Laͤnge</hi> des Koͤrpers nennt, beſonders wenn Theile, die dieſer Richtung nach vorher in geraden Linien lagen, in krumme gebracht werden, oder die Koͤrper <hi rendition="#b">gebogen</hi> werden ſollen, <hi rendition="#b">ſ. Biegſamkeit.</hi> Unbiegſamkeit iſt alſo nur ein beſonderer Fall oder eine Gattung der Haͤrte.</p> <p>Da wir keinen vollkommen harten Koͤrper kennen, ſo findet ſich auch an keinem eine vollkommne oder abſolute Unbiegſamkeit. So wird zwar in der Mechanik der Hebel als eine unbiegſame Verbindung dreyer Punkte angenommen; der phyſiſche Hebel aber kan nie voͤllig unbiegſam ſeyn. Man muß ihn nur ſo ſtark machen, daß die Kraͤfte, die man wirklich an ihm anbringt, ſo ſchwach ſind, ihn zu beugen. Alsdann iſt ſeine relative Unbiegſamkeit eine Folge<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [410/0420]
findet man in der dem Artikel Weltſyſtem beygefuͤgten Tabelle.
Umſchattichte, Periſcii, Periſciens.
Die Bewohner der kalten Zonen, welche jaͤhrlich eine gewiſſe Zeit lang einen beſtaͤndigen Tag haben, waͤhrend deſſen ihnen die Sonne gar nicht untergeht, ſ. Tag. So lange dieſer Tag dauret, durchlaͤuft die Sonne aller 24 Stunden einen voͤllig ſichtbaren Tagkreis, ſo daß ſie nach und nach uͤber alle Punkte des Horizonts zu ſtehen koͤmmt, und die Schatten der Koͤrper ſich durch alle Weltgegenden drehen. Dieſer Umſtand hat die Benennung von dem griechiſchen _ (circum) und _ (umbra) veranlaſſet. Die Bewohner der Pole ſelbſt ſind ein voͤlliges Halbjahr, die Bewohner der Polarkreiſe nur einen Tag lang umſchatticht.
Unbiegſamkeit, Steife
Inflexibilitas, Rigiditas, Inflexibilité, Roideur. Die Unfaͤhigkeit eines feſten Koͤrpers ſich beugen zu laſſen, d. i. Kraͤften, die auf ſeine Theile wirken, ſo nachzugeben, daß dadurch eine Veraͤnderung der Geſtalt nach der Laͤnge entſteht. Unfaͤhigkeit einer Veraͤnderung der Geſtalt uͤberhaupt heißt Haͤrte (Th. II. S. 553.); der Name Unbiegſamkeit oder Steife iſt dem beſondern Falle eigen, da von Veraͤnderung der Lage der Theile nach derjenigen Richtung die Rede iſt, welche der Sprachgebrauch die Laͤnge des Koͤrpers nennt, beſonders wenn Theile, die dieſer Richtung nach vorher in geraden Linien lagen, in krumme gebracht werden, oder die Koͤrper gebogen werden ſollen, ſ. Biegſamkeit. Unbiegſamkeit iſt alſo nur ein beſonderer Fall oder eine Gattung der Haͤrte.
Da wir keinen vollkommen harten Koͤrper kennen, ſo findet ſich auch an keinem eine vollkommne oder abſolute Unbiegſamkeit. So wird zwar in der Mechanik der Hebel als eine unbiegſame Verbindung dreyer Punkte angenommen; der phyſiſche Hebel aber kan nie voͤllig unbiegſam ſeyn. Man muß ihn nur ſo ſtark machen, daß die Kraͤfte, die man wirklich an ihm anbringt, ſo ſchwach ſind, ihn zu beugen. Alsdann iſt ſeine relative Unbiegſamkeit eine Folge
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