Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Zur dritten Classe der Erklärungen gehört das antiphlogistische System des Herrn Lavoisier und seiner jetzt zahlreichen Anhänger. Dieses System modificirt die Erklärungen der zweyten Classe so, daß die Existenz des Phlogistons, und seine Entziehung beym Verkalken gänzlich geläugnet, und der Metallkalk als eine aus Metall und Oxygen zusammengesetzte Materie betrachtet wird, welche mehr wiegt, als das Metall allein, weil das Gewicht des Oxygens noch hinzukömmt. Es besteht nemlich nach diesem System die reine Luft aus dem Oxygen und dem Stoffe des Lichts und der Wärme, welcher letztere beym Verbrennen und Verkalken frey wird, und das Oxygen an den Rückstand der Körper überläßt. Daher nennen auch die Antiphlogistiker das Verkalken die Oxydation, und die Kalke selbst Oxydes. Gegen dieses System wendet Herr Gren ein, daß man das Quecksilber auch ohne Hitze durch bloßes Schütteln in reiner Luft verkalken könne, wobey weder Licht noch Wärme entstehe, und also der andere Grundtheil der reinen Luft sich gar nicht zeige; daß auch die reinste dephlogistisirte Luft, wenn man sie zum Verkalken anwendet, sich nachher als phlogistisirte zeige; daß man in den Kalken der meisten Metalle keine Spur von Säure finde, dergleichen doch das Oxygen, als die Basis aller Säuren (principium acidificum) zeigen müßte; daß es hiebey unerklärbar bleibe, warum der Quecksilberkalk (Mercurius praecipitatus per se), der doch das Oxygen in der Siedhitze angezogen haben soll, eben dasselbe in der Glühhitze, wo er sich ohne Zusatz reducirt, wieder fahren lasse u. s. w. Eine vierte Classe macht endlich die Muthmaßung aus, daß das, was dem Metall beytritt, ein aus dem Phlogiston und der reinen Luft durch die Verbrennung erzeugtes Wasser
Zur dritten Claſſe der Erklaͤrungen gehoͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem des Herrn Lavoiſier und ſeiner jetzt zahlreichen Anhaͤnger. Dieſes Syſtem modificirt die Erklaͤrungen der zweyten Claſſe ſo, daß die Exiſtenz des Phlogiſtons, und ſeine Entziehung beym Verkalken gaͤnzlich gelaͤugnet, und der Metallkalk als eine aus Metall und Oxygen zuſammengeſetzte Materie betrachtet wird, welche mehr wiegt, als das Metall allein, weil das Gewicht des Oxygens noch hinzukoͤmmt. Es beſteht nemlich nach dieſem Syſtem die reine Luft aus dem Oxygen und dem Stoffe des Lichts und der Waͤrme, welcher letztere beym Verbrennen und Verkalken frey wird, und das Oxygen an den Ruͤckſtand der Koͤrper uͤberlaͤßt. Daher nennen auch die Antiphlogiſtiker das Verkalken die Oxydation, und die Kalke ſelbſt Oxydes. Gegen dieſes Syſtem wendet Herr Gren ein, daß man das Queckſilber auch ohne Hitze durch bloßes Schuͤtteln in reiner Luft verkalken koͤnne, wobey weder Licht noch Waͤrme entſtehe, und alſo der andere Grundtheil der reinen Luft ſich gar nicht zeige; daß auch die reinſte dephlogiſtiſirte Luft, wenn man ſie zum Verkalken anwendet, ſich nachher als phlogiſtiſirte zeige; daß man in den Kalken der meiſten Metalle keine Spur von Saͤure finde, dergleichen doch das Oxygen, als die Baſis aller Saͤuren (principium acidificum) zeigen muͤßte; daß es hiebey unerklaͤrbar bleibe, warum der Queckſilberkalk (Mercurius praecipitatus per ſe), der doch das Oxygen in der Siedhitze angezogen haben ſoll, eben daſſelbe in der Gluͤhhitze, wo er ſich ohne Zuſatz reducirt, wieder fahren laſſe u. ſ. w. Eine vierte Claſſe macht endlich die Muthmaßung aus, daß das, was dem Metall beytritt, ein aus dem Phlogiſton und der reinen Luft durch die Verbrennung erzeugtes Waſſer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0470" xml:id="P.4.460" n="460"/><lb/> hat, nachdem die Gluͤhhitze voruͤber geweſen iſt, und daß den von Herrn <hi rendition="#b">Gren</hi> uͤber die Verglaſung angeſtellten Verſuchen andere von Herrn <hi rendition="#b">Abich</hi> (in Crells chem. Annalen v. I. 1784. B. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 399. u. f. S. 580. u. f.) entgegenſtehen, die auch Herr Gren ſelbſt anfuͤhrt, und wobey aus den Metallkalken bey ihrem Verglaſen wirklich Gasarten erhalten wurden.</p> <p>Zur dritten Claſſe der Erklaͤrungen gehoͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem des Herrn <hi rendition="#b">Lavoiſier</hi> und ſeiner jetzt zahlreichen Anhaͤnger. Dieſes Syſtem modificirt die Erklaͤrungen der zweyten Claſſe ſo, daß die Exiſtenz des Phlogiſtons, und ſeine Entziehung beym Verkalken gaͤnzlich gelaͤugnet, und der Metallkalk als eine aus <hi rendition="#b">Metall</hi> und <hi rendition="#b">Oxygen</hi> zuſammengeſetzte Materie betrachtet wird, welche mehr wiegt, als das Metall allein, weil das Gewicht des Oxygens noch hinzukoͤmmt. Es beſteht nemlich nach dieſem Syſtem die reine Luft aus dem Oxygen und dem Stoffe des Lichts und der Waͤrme, welcher letztere beym Verbrennen und Verkalken frey wird, und das Oxygen an den Ruͤckſtand der Koͤrper uͤberlaͤßt. Daher nennen auch die Antiphlogiſtiker das Verkalken die <hi rendition="#b">Oxydation,</hi> und die Kalke ſelbſt <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Oxydes.</hi></hi> Gegen dieſes Syſtem wendet Herr <hi rendition="#b">Gren</hi> ein, daß man das Queckſilber auch ohne Hitze durch bloßes Schuͤtteln in reiner Luft verkalken koͤnne, wobey weder Licht noch Waͤrme entſtehe, und alſo der andere Grundtheil der reinen Luft ſich gar nicht zeige; daß auch die reinſte dephlogiſtiſirte Luft, wenn man ſie zum Verkalken anwendet, ſich nachher als phlogiſtiſirte zeige; daß man in den Kalken der meiſten Metalle keine Spur von Saͤure finde, dergleichen doch das Oxygen, als die Baſis aller Saͤuren (<hi rendition="#aq">principium acidificum</hi>) zeigen muͤßte; daß es hiebey unerklaͤrbar bleibe, warum der Queckſilberkalk (<hi rendition="#aq">Mercurius praecipitatus per ſe</hi>), der doch das Oxygen in der Siedhitze angezogen haben ſoll, eben daſſelbe in der Gluͤhhitze, wo er ſich ohne Zuſatz reducirt, wieder fahren laſſe u. ſ. w.</p> <p>Eine vierte Claſſe macht endlich die Muthmaßung aus, daß das, was dem Metall beytritt, ein aus dem Phlogiſton und der reinen Luft durch die Verbrennung erzeugtes Waſſer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [460/0470]
hat, nachdem die Gluͤhhitze voruͤber geweſen iſt, und daß den von Herrn Gren uͤber die Verglaſung angeſtellten Verſuchen andere von Herrn Abich (in Crells chem. Annalen v. I. 1784. B. I. S. 399. u. f. S. 580. u. f.) entgegenſtehen, die auch Herr Gren ſelbſt anfuͤhrt, und wobey aus den Metallkalken bey ihrem Verglaſen wirklich Gasarten erhalten wurden.
Zur dritten Claſſe der Erklaͤrungen gehoͤrt das antiphlogiſtiſche Syſtem des Herrn Lavoiſier und ſeiner jetzt zahlreichen Anhaͤnger. Dieſes Syſtem modificirt die Erklaͤrungen der zweyten Claſſe ſo, daß die Exiſtenz des Phlogiſtons, und ſeine Entziehung beym Verkalken gaͤnzlich gelaͤugnet, und der Metallkalk als eine aus Metall und Oxygen zuſammengeſetzte Materie betrachtet wird, welche mehr wiegt, als das Metall allein, weil das Gewicht des Oxygens noch hinzukoͤmmt. Es beſteht nemlich nach dieſem Syſtem die reine Luft aus dem Oxygen und dem Stoffe des Lichts und der Waͤrme, welcher letztere beym Verbrennen und Verkalken frey wird, und das Oxygen an den Ruͤckſtand der Koͤrper uͤberlaͤßt. Daher nennen auch die Antiphlogiſtiker das Verkalken die Oxydation, und die Kalke ſelbſt Oxydes. Gegen dieſes Syſtem wendet Herr Gren ein, daß man das Queckſilber auch ohne Hitze durch bloßes Schuͤtteln in reiner Luft verkalken koͤnne, wobey weder Licht noch Waͤrme entſtehe, und alſo der andere Grundtheil der reinen Luft ſich gar nicht zeige; daß auch die reinſte dephlogiſtiſirte Luft, wenn man ſie zum Verkalken anwendet, ſich nachher als phlogiſtiſirte zeige; daß man in den Kalken der meiſten Metalle keine Spur von Saͤure finde, dergleichen doch das Oxygen, als die Baſis aller Saͤuren (principium acidificum) zeigen muͤßte; daß es hiebey unerklaͤrbar bleibe, warum der Queckſilberkalk (Mercurius praecipitatus per ſe), der doch das Oxygen in der Siedhitze angezogen haben ſoll, eben daſſelbe in der Gluͤhhitze, wo er ſich ohne Zuſatz reducirt, wieder fahren laſſe u. ſ. w.
Eine vierte Claſſe macht endlich die Muthmaßung aus, daß das, was dem Metall beytritt, ein aus dem Phlogiſton und der reinen Luft durch die Verbrennung erzeugtes Waſſer
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