Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Meine Meinung hievon ist diese. Daß Körper beym Verluste des Phlogistons zugleich am Gewichte zunehmen, ist allerdings ein Erfahrungssatz; daß aberdieses unmittelbar durch den Verlust des Phlogistons geschehe, ist keine Erfahrung mehr, und könnte höchstens nur als Vorstellungsart oder Ausdruck einer Menge Phänomene zugelassen werden, die man dadurch nur bezeichnete, ohne sie erklären zu wollen. Aber auch als Ausdruck wäre der Satz unbequem, weil er etwas enthält, das mit andern Naturgesetzen streitet, und dann, weil die Worte: durch den Verlust rc. schon an sich auf eine Causalerklärung hinweisen, und also mehr sagen, als sie sollen. Herr M. Wilkens in Göttingen (Aufsätze mathematischen, physik. chemischen Inhalts, Erstes Heft. Götting. 1790. gr. 8. S. 63. u. f.) zeigt ebenfalls, daß Herr Gren durch seine anfängliche Vertheidigung den mayerischen Einwurf keineswegs gehoben habe. Er fügt am Ende seines Aufsatzes die Bemerkung hinzu, daß sich im phlogistischen System die Gewichtszunahme der Metalle nach dem Verkalken noch sehr gut erklären lasse, wenn man gleich dem Phlogiston wirkliche Schwere beylege, wofern man nur zugleich annehme, es sey unter allen Stoffen der leichteste, und wiege weniger, als die atmosphärische Luft, welche in die durch seine Entweichung entstandnen leeren Zwischenräumchen tritt. Er bestätigt dies im Allgemeinen durch Formeln, die sich auf richtige Betrachtungen gründen, sehr deutlich, und muthmaßet, daß sich selbst Stahl (Fundamenta Chem. Norimb. 1747. P. III. p. 375. "Per accessionem partium inflammabilium levius fit concretum.") die Sache so erklärt habe, wie dies denn auch die Erklärung der Akademisten zu Dijon, de Morveau, Maret und Dürande (Elemens de Chymie. a Dijon, 1777. To. I. p. 172. und in Weigels Uebers. Leipz. 1779. B. I. S. 135.) ist.
Meine Meinung hievon iſt dieſe. Daß Koͤrper beym Verluſte des Phlogiſtons zugleich am Gewichte zunehmen, iſt allerdings ein Erfahrungsſatz; daß aberdieſes unmittelbar durch den Verluſt des Phlogiſtons geſchehe, iſt keine Erfahrung mehr, und koͤnnte hoͤchſtens nur als Vorſtellungsart oder Ausdruck einer Menge Phaͤnomene zugelaſſen werden, die man dadurch nur bezeichnete, ohne ſie erklaͤren zu wollen. Aber auch als Ausdruck waͤre der Satz unbequem, weil er etwas enthaͤlt, das mit andern Naturgeſetzen ſtreitet, und dann, weil die Worte: durch den Verluſt rc. ſchon an ſich auf eine Cauſalerklaͤrung hinweiſen, und alſo mehr ſagen, als ſie ſollen. Herr M. Wilkens in Goͤttingen (Aufſaͤtze mathematiſchen, phyſik. chemiſchen Inhalts, Erſtes Heft. Goͤtting. 1790. gr. 8. S. 63. u. f.) zeigt ebenfalls, daß Herr Gren durch ſeine anfaͤngliche Vertheidigung den mayeriſchen Einwurf keineswegs gehoben habe. Er fuͤgt am Ende ſeines Aufſatzes die Bemerkung hinzu, daß ſich im phlogiſtiſchen Syſtem die Gewichtszunahme der Metalle nach dem Verkalken noch ſehr gut erklaͤren laſſe, wenn man gleich dem Phlogiſton wirkliche Schwere beylege, wofern man nur zugleich annehme, es ſey unter allen Stoffen der leichteſte, und wiege weniger, als die atmoſphaͤriſche Luft, welche in die durch ſeine Entweichung entſtandnen leeren Zwiſchenraͤumchen tritt. Er beſtaͤtigt dies im Allgemeinen durch Formeln, die ſich auf richtige Betrachtungen gruͤnden, ſehr deutlich, und muthmaßet, daß ſich ſelbſt Stahl (Fundamenta Chem. Norimb. 1747. P. III. p. 375. ”Per acceſſionem partium inflammabilium levius fit concretum.“) die Sache ſo erklaͤrt habe, wie dies denn auch die Erklaͤrung der Akademiſten zu Dijon, de Morveau, Maret und Duͤrande (Elemens de Chymie. à Dijon, 1777. To. I. p. 172. und in Weigels Ueberſ. Leipz. 1779. B. I. S. 135.) iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0473" xml:id="P.4.463" n="463"/><lb/> Satz nicht auf, daß die Koͤrper durch den Verluſt des Phlogiſtons am Gewichte zu- und durch Verbindung mit demſelben daran abnehmen. Er nennt ihn einen <hi rendition="#b">Erfahrungsſatz,</hi> eine <hi rendition="#b">Thatſache,</hi> die er nur nicht mehr zu erklaͤren wiſſe.</p> <p>Meine Meinung hievon iſt dieſe. Daß Koͤrper <hi rendition="#b">beym Verluſte des Phlogiſtons</hi> zugleich am Gewichte zunehmen, iſt allerdings ein Erfahrungsſatz; daß aberdieſes <hi rendition="#b">unmittelbar durch den Verluſt des Phlogiſtons</hi> geſchehe, iſt keine Erfahrung mehr, und koͤnnte hoͤchſtens nur als Vorſtellungsart oder Ausdruck einer Menge Phaͤnomene zugelaſſen werden, die man dadurch nur bezeichnete, ohne ſie erklaͤren zu wollen. Aber auch als Ausdruck waͤre der Satz unbequem, weil er etwas enthaͤlt, das mit andern Naturgeſetzen ſtreitet, und dann, weil die Worte: <hi rendition="#b">durch den Verluſt rc.</hi> ſchon an ſich auf eine Cauſalerklaͤrung hinweiſen, und alſo mehr ſagen, als ſie ſollen.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">M. Wilkens</hi> in Goͤttingen (Aufſaͤtze mathematiſchen, phyſik. chemiſchen Inhalts, Erſtes Heft. Goͤtting. 1790. gr. 8. S. 63. u. f.) zeigt ebenfalls, daß Herr <hi rendition="#b">Gren</hi> durch ſeine anfaͤngliche Vertheidigung den mayeriſchen Einwurf keineswegs gehoben habe. Er fuͤgt am Ende ſeines Aufſatzes die Bemerkung hinzu, daß ſich im phlogiſtiſchen Syſtem die Gewichtszunahme der Metalle nach dem Verkalken noch ſehr gut erklaͤren laſſe, wenn man gleich dem Phlogiſton wirkliche Schwere beylege, wofern man nur zugleich annehme, es ſey unter allen Stoffen der leichteſte, und wiege weniger, als die atmoſphaͤriſche Luft, welche in die durch ſeine Entweichung entſtandnen leeren Zwiſchenraͤumchen tritt. Er beſtaͤtigt dies im Allgemeinen durch Formeln, die ſich auf richtige Betrachtungen gruͤnden, ſehr deutlich, und muthmaßet, daß ſich ſelbſt <hi rendition="#b">Stahl</hi> (<hi rendition="#aq">Fundamenta Chem. Norimb. 1747. P. III. p. 375. ”Per acceſſionem partium inflammabilium levius fit concretum.“</hi>) die Sache ſo erklaͤrt habe, wie dies denn auch die Erklaͤrung der Akademiſten zu Dijon, <hi rendition="#b">de Morveau, Maret</hi> und <hi rendition="#b">Duͤrande</hi> (<hi rendition="#aq">Elemens de Chymie. à Dijon, 1777. To. I. p. 172.</hi> und in <hi rendition="#b">Weigels</hi> Ueberſ. Leipz. 1779. B. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 135.) iſt.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [463/0473]
Satz nicht auf, daß die Koͤrper durch den Verluſt des Phlogiſtons am Gewichte zu- und durch Verbindung mit demſelben daran abnehmen. Er nennt ihn einen Erfahrungsſatz, eine Thatſache, die er nur nicht mehr zu erklaͤren wiſſe.
Meine Meinung hievon iſt dieſe. Daß Koͤrper beym Verluſte des Phlogiſtons zugleich am Gewichte zunehmen, iſt allerdings ein Erfahrungsſatz; daß aberdieſes unmittelbar durch den Verluſt des Phlogiſtons geſchehe, iſt keine Erfahrung mehr, und koͤnnte hoͤchſtens nur als Vorſtellungsart oder Ausdruck einer Menge Phaͤnomene zugelaſſen werden, die man dadurch nur bezeichnete, ohne ſie erklaͤren zu wollen. Aber auch als Ausdruck waͤre der Satz unbequem, weil er etwas enthaͤlt, das mit andern Naturgeſetzen ſtreitet, und dann, weil die Worte: durch den Verluſt rc. ſchon an ſich auf eine Cauſalerklaͤrung hinweiſen, und alſo mehr ſagen, als ſie ſollen.
Herr M. Wilkens in Goͤttingen (Aufſaͤtze mathematiſchen, phyſik. chemiſchen Inhalts, Erſtes Heft. Goͤtting. 1790. gr. 8. S. 63. u. f.) zeigt ebenfalls, daß Herr Gren durch ſeine anfaͤngliche Vertheidigung den mayeriſchen Einwurf keineswegs gehoben habe. Er fuͤgt am Ende ſeines Aufſatzes die Bemerkung hinzu, daß ſich im phlogiſtiſchen Syſtem die Gewichtszunahme der Metalle nach dem Verkalken noch ſehr gut erklaͤren laſſe, wenn man gleich dem Phlogiſton wirkliche Schwere beylege, wofern man nur zugleich annehme, es ſey unter allen Stoffen der leichteſte, und wiege weniger, als die atmoſphaͤriſche Luft, welche in die durch ſeine Entweichung entſtandnen leeren Zwiſchenraͤumchen tritt. Er beſtaͤtigt dies im Allgemeinen durch Formeln, die ſich auf richtige Betrachtungen gruͤnden, ſehr deutlich, und muthmaßet, daß ſich ſelbſt Stahl (Fundamenta Chem. Norimb. 1747. P. III. p. 375. ”Per acceſſionem partium inflammabilium levius fit concretum.“) die Sache ſo erklaͤrt habe, wie dies denn auch die Erklaͤrung der Akademiſten zu Dijon, de Morveau, Maret und Duͤrande (Elemens de Chymie. à Dijon, 1777. To. I. p. 172. und in Weigels Ueberſ. Leipz. 1779. B. I. S. 135.) iſt.
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