Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.Bergmann hat endlich mit vielem Scharfsinn die Quellen der Ungewißheit angezeigt, welche über die Versuche dieser Art oft einen so falschen Schein verbreitet. Er setzt es sehr deutlich ins Licht, daß man die häufigen scheinbaren Abweichungen und Ausnahmen nicht für Einwürse gegen die ganze Lehre von der Beständigkeit der Verwandtschaftsgesetze ansehen dürfe. Er findet vor allem andern unumgänglich nöthig, die Verwandtschaften auf dem nassen und trocknen Wege (attractionem solutionis et fusionis), nach Baume's Vorschlage, ganz von einander zu unterscheiden. So scheint z. B. das flüchtige Alkali mit den Säuren auf dem nassen Wege näher, auf dem trocknen entfernter verwandt, als die Metalle; offenbar blos darum, weil es im letztern Falle, seiner Flüchtigkeit halber, sich noch lieber mit dem Feuer, als mit den Säuren, verbindet. Ferner zeigt er, daß er bey den doppelten Wahlanziehungen der Schluß auf nähere Verwandtschaft alles dessen, was sich verbindet, überhaupt nicht unbedingt gelte, weil dabey sehr oft Stoffe getrennt werden, die mit einander näher verwandt sind, als diejenigen, die sich vereinigen. Wenn z. B. Auflösungen von Glaubersalz und Kalksalpeter vermischt werden, so verläßt die Vitriolsäure des erstern ihr Mineralalkali, und fällt mit der Kalkerde des letztern als ein Gyps zn Boden. Man würde aber sehr irrig hieraus schließen, daß die Vitriolsäure mit der Kalkerde näher, als mit dem Mineralalkali, verwandt sey. Die Versuche mit einfachen Wahlanziehungen lehren das Gegentheil: denn die Auflösung des Glaubersalzes wird durch Kalkerde nicht zersetzt, da sich hingegen die Auflösung des Gypses durch Mineralalkali allerdings zersetzen und niederschlagen läßt. Mithin ward bey jenem Versuche die Vitriolsäure nur darum vom Mineralalkali getrennt, weil die Verbindung beyder Stofse von zwoen Kräften zugleich, nemlich von der Anziehung der Kalkerde gegen die Vitriolsäure, und der starken Anziehung der Salpetersäure gegen das Mineralalkali, angegriffen ward. Solchemnach sollte man die Verwandtschaftstafeln lediglich auf solche Versuche gründen, welche mit reinen einfachen Bergmann hat endlich mit vielem Scharfſinn die Quellen der Ungewißheit angezeigt, welche uͤber die Verſuche dieſer Art oft einen ſo falſchen Schein verbreitet. Er ſetzt es ſehr deutlich ins Licht, daß man die haͤufigen ſcheinbaren Abweichungen und Ausnahmen nicht fuͤr Einwuͤrſe gegen die ganze Lehre von der Beſtaͤndigkeit der Verwandtſchaftsgeſetze anſehen duͤrfe. Er findet vor allem andern unumgaͤnglich noͤthig, die Verwandtſchaften auf dem naſſen und trocknen Wege (attractionem ſolutionis et fuſionis), nach Baume's Vorſchlage, ganz von einander zu unterſcheiden. So ſcheint z. B. das fluͤchtige Alkali mit den Saͤuren auf dem naſſen Wege naͤher, auf dem trocknen entfernter verwandt, als die Metalle; offenbar blos darum, weil es im letztern Falle, ſeiner Fluͤchtigkeit halber, ſich noch lieber mit dem Feuer, als mit den Saͤuren, verbindet. Ferner zeigt er, daß er bey den doppelten Wahlanziehungen der Schluß auf naͤhere Verwandtſchaft alles deſſen, was ſich verbindet, uͤberhaupt nicht unbedingt gelte, weil dabey ſehr oft Stoffe getrennt werden, die mit einander naͤher verwandt ſind, als diejenigen, die ſich vereinigen. Wenn z. B. Aufloͤſungen von Glauberſalz und Kalkſalpeter vermiſcht werden, ſo verlaͤßt die Vitriolſaͤure des erſtern ihr Mineralalkali, und faͤllt mit der Kalkerde des letztern als ein Gyps zn Boden. Man wuͤrde aber ſehr irrig hieraus ſchließen, daß die Vitriolſaͤure mit der Kalkerde naͤher, als mit dem Mineralalkali, verwandt ſey. Die Verſuche mit einfachen Wahlanziehungen lehren das Gegentheil: denn die Aufloͤſung des Glauberſalzes wird durch Kalkerde nicht zerſetzt, da ſich hingegen die Aufloͤſung des Gypſes durch Mineralalkali allerdings zerſetzen und niederſchlagen laͤßt. Mithin ward bey jenem Verſuche die Vitriolſaͤure nur darum vom Mineralalkali getrennt, weil die Verbindung beyder Stofſe von zwoen Kraͤften zugleich, nemlich von der Anziehung der Kalkerde gegen die Vitriolſaͤure, und der ſtarken Anziehung der Salpeterſaͤure gegen das Mineralalkali, angegriffen ward. Solchemnach ſollte man die Verwandtſchaftstafeln lediglich auf ſolche Verſuche gruͤnden, welche mit reinen einfachen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0489" xml:id="P.4.479" n="479"/><lb/> </p> <p><hi rendition="#b">Bergmann</hi> hat endlich mit vielem Scharfſinn die Quellen der Ungewißheit angezeigt, welche uͤber die Verſuche dieſer Art oft einen ſo falſchen Schein verbreitet. Er ſetzt es ſehr deutlich ins Licht, daß man die haͤufigen ſcheinbaren Abweichungen und Ausnahmen nicht fuͤr Einwuͤrſe gegen die ganze Lehre von der Beſtaͤndigkeit der Verwandtſchaftsgeſetze anſehen duͤrfe. Er findet vor allem andern unumgaͤnglich noͤthig, die Verwandtſchaften auf dem <hi rendition="#b">naſſen</hi> und <hi rendition="#b">trocknen Wege</hi> (<hi rendition="#aq">attractionem ſolutionis et fuſionis</hi>), nach <hi rendition="#b">Baume's</hi> Vorſchlage, ganz von einander zu unterſcheiden. So ſcheint z. B. das fluͤchtige Alkali mit den Saͤuren auf dem naſſen Wege naͤher, auf dem trocknen entfernter verwandt, als die Metalle; offenbar blos darum, weil es im letztern Falle, ſeiner Fluͤchtigkeit halber, ſich noch lieber mit dem Feuer, als mit den Saͤuren, verbindet.</p> <p>Ferner zeigt er, daß er bey den doppelten Wahlanziehungen der Schluß auf naͤhere Verwandtſchaft alles deſſen, was ſich verbindet, uͤberhaupt nicht unbedingt gelte, weil dabey ſehr oft Stoffe getrennt werden, die mit einander naͤher verwandt ſind, als diejenigen, die ſich vereinigen. Wenn z. B. Aufloͤſungen von Glauberſalz und Kalkſalpeter vermiſcht werden, ſo verlaͤßt die Vitriolſaͤure des erſtern ihr Mineralalkali, und faͤllt mit der Kalkerde des letztern als ein Gyps zn Boden. Man wuͤrde aber ſehr irrig hieraus ſchließen, daß die Vitriolſaͤure mit der Kalkerde naͤher, als mit dem Mineralalkali, verwandt ſey. Die Verſuche mit einfachen Wahlanziehungen lehren das Gegentheil: denn die Aufloͤſung des Glauberſalzes wird durch Kalkerde nicht zerſetzt, da ſich hingegen die Aufloͤſung des Gypſes durch Mineralalkali allerdings zerſetzen und niederſchlagen laͤßt. Mithin ward bey jenem Verſuche die Vitriolſaͤure nur darum vom Mineralalkali getrennt, weil die Verbindung beyder Stofſe von zwoen Kraͤften zugleich, nemlich von der Anziehung der Kalkerde gegen die Vitriolſaͤure, und der ſtarken Anziehung der Salpeterſaͤure gegen das Mineralalkali, angegriffen ward.</p> <p>Solchemnach ſollte man die Verwandtſchaftstafeln lediglich auf ſolche Verſuche gruͤnden, welche mit reinen einfachen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [479/0489]
Bergmann hat endlich mit vielem Scharfſinn die Quellen der Ungewißheit angezeigt, welche uͤber die Verſuche dieſer Art oft einen ſo falſchen Schein verbreitet. Er ſetzt es ſehr deutlich ins Licht, daß man die haͤufigen ſcheinbaren Abweichungen und Ausnahmen nicht fuͤr Einwuͤrſe gegen die ganze Lehre von der Beſtaͤndigkeit der Verwandtſchaftsgeſetze anſehen duͤrfe. Er findet vor allem andern unumgaͤnglich noͤthig, die Verwandtſchaften auf dem naſſen und trocknen Wege (attractionem ſolutionis et fuſionis), nach Baume's Vorſchlage, ganz von einander zu unterſcheiden. So ſcheint z. B. das fluͤchtige Alkali mit den Saͤuren auf dem naſſen Wege naͤher, auf dem trocknen entfernter verwandt, als die Metalle; offenbar blos darum, weil es im letztern Falle, ſeiner Fluͤchtigkeit halber, ſich noch lieber mit dem Feuer, als mit den Saͤuren, verbindet.
Ferner zeigt er, daß er bey den doppelten Wahlanziehungen der Schluß auf naͤhere Verwandtſchaft alles deſſen, was ſich verbindet, uͤberhaupt nicht unbedingt gelte, weil dabey ſehr oft Stoffe getrennt werden, die mit einander naͤher verwandt ſind, als diejenigen, die ſich vereinigen. Wenn z. B. Aufloͤſungen von Glauberſalz und Kalkſalpeter vermiſcht werden, ſo verlaͤßt die Vitriolſaͤure des erſtern ihr Mineralalkali, und faͤllt mit der Kalkerde des letztern als ein Gyps zn Boden. Man wuͤrde aber ſehr irrig hieraus ſchließen, daß die Vitriolſaͤure mit der Kalkerde naͤher, als mit dem Mineralalkali, verwandt ſey. Die Verſuche mit einfachen Wahlanziehungen lehren das Gegentheil: denn die Aufloͤſung des Glauberſalzes wird durch Kalkerde nicht zerſetzt, da ſich hingegen die Aufloͤſung des Gypſes durch Mineralalkali allerdings zerſetzen und niederſchlagen laͤßt. Mithin ward bey jenem Verſuche die Vitriolſaͤure nur darum vom Mineralalkali getrennt, weil die Verbindung beyder Stofſe von zwoen Kraͤften zugleich, nemlich von der Anziehung der Kalkerde gegen die Vitriolſaͤure, und der ſtarken Anziehung der Salpeterſaͤure gegen das Mineralalkali, angegriffen ward.
Solchemnach ſollte man die Verwandtſchaftstafeln lediglich auf ſolche Verſuche gruͤnden, welche mit reinen einfachen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |