Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.Hieraus erklärt sich sehr schön, warum der Rand der Milchstraße so deutlich abgeschnitten ist. Man stelle sich auf dem Boden etliche tausend Reihen von Lichtern in gleichen Entfernungen vor, setze über diese Schicht noch hundert andre gleiche Schichten, und bringe das Auge in die Mitte des Ganzen. Schaut es hier über oder unter sich, so wird es nur 50 Lichter in einer Reihe finden; je mehr es sich gegen den Horizont wendet, desto mehr wird die Anzahl derselben zunehmen, und endlich werden im Horizonte selbst viele tausend hinter einander liegen. Aber nirgends wird sich in dieser Erscheinung ein Absatz, wie an dem scharf begrenzten Rande der Milchstraße, finden lassen. Man mache nun eine Aenderung, lasse zwar die nächsten Lichter um das Auge herum stehen, nehme aber zwischen diesen und den entferntern einen großen Kreis oder Ring davon hinweg; so werden die nächsten Lichter an Größe und Deutlichkeit kenntlich bleiben; die entferntern werden sich blässer, undeutlicher, dicht bey einander in einem Kreise zeigen, und der Absatz zwischen diesem Kreise und den zerstreuten nahen Lichtern wird desto stärker in die Augen fallen, je größer der von Lichtern leere Raum ist. Eben so müßten sich die Sterne allmählich und ohne Absatz gegen die Milchstraße zusammendrängen, wenn sich nicht zwischen ihnen und der letztern ringsum ein großer leerer Abstand befände, dessen Größe den Abstand unserer Fixsterne von einander selbst viele tausendmal übertreffen muß. Nur eine solche Absonderung kan den scharf begrenzten Rand der Milchstraße begreiflich machen. In unserm Fixsternsysteme liegt unsere Sonne nebst uns nicht in der Mitte, sondern der Gegend des Adlers näher, wo uns die Sterne in geringerer Anzahl und zerstreuter erscheinen. Die Mitte des Systems scheint nach dem Orion oder großen Hunde hin zu liegen. Lambert giebt dem ganzen System eine langsame Bewegung um einen Haupt- oder Centralkörper, von dem er es unentschieden läßt, ob er eine Sonne oder eine dunkle Masse sey. Den Sirius dafür anzunehmen, ist er nicht geneigt; eher könnte man den bekannten Nebelfleck am Schwerdte des Hieraus erklaͤrt ſich ſehr ſchoͤn, warum der Rand der Milchſtraße ſo deutlich abgeſchnitten iſt. Man ſtelle ſich auf dem Boden etliche tauſend Reihen von Lichtern in gleichen Entfernungen vor, ſetze uͤber dieſe Schicht noch hundert andre gleiche Schichten, und bringe das Auge in die Mitte des Ganzen. Schaut es hier uͤber oder unter ſich, ſo wird es nur 50 Lichter in einer Reihe finden; je mehr es ſich gegen den Horizont wendet, deſto mehr wird die Anzahl derſelben zunehmen, und endlich werden im Horizonte ſelbſt viele tauſend hinter einander liegen. Aber nirgends wird ſich in dieſer Erſcheinung ein Abſatz, wie an dem ſcharf begrenzten Rande der Milchſtraße, finden laſſen. Man mache nun eine Aenderung, laſſe zwar die naͤchſten Lichter um das Auge herum ſtehen, nehme aber zwiſchen dieſen und den entferntern einen großen Kreis oder Ring davon hinweg; ſo werden die naͤchſten Lichter an Groͤße und Deutlichkeit kenntlich bleiben; die entferntern werden ſich blaͤſſer, undeutlicher, dicht bey einander in einem Kreiſe zeigen, und der Abſatz zwiſchen dieſem Kreiſe und den zerſtreuten nahen Lichtern wird deſto ſtaͤrker in die Augen fallen, je groͤßer der von Lichtern leere Raum iſt. Eben ſo muͤßten ſich die Sterne allmaͤhlich und ohne Abſatz gegen die Milchſtraße zuſammendraͤngen, wenn ſich nicht zwiſchen ihnen und der letztern ringsum ein großer leerer Abſtand befaͤnde, deſſen Groͤße den Abſtand unſerer Fixſterne von einander ſelbſt viele tauſendmal uͤbertreffen muß. Nur eine ſolche Abſonderung kan den ſcharf begrenzten Rand der Milchſtraße begreiflich machen. In unſerm Fixſternſyſteme liegt unſere Sonne nebſt uns nicht in der Mitte, ſondern der Gegend des Adlers naͤher, wo uns die Sterne in geringerer Anzahl und zerſtreuter erſcheinen. Die Mitte des Syſtems ſcheint nach dem Orion oder großen Hunde hin zu liegen. Lambert giebt dem ganzen Syſtem eine langſame Bewegung um einen Haupt- oder Centralkoͤrper, von dem er es unentſchieden laͤßt, ob er eine Sonne oder eine dunkle Maſſe ſey. Den Sirius dafuͤr anzunehmen, iſt er nicht geneigt; eher koͤnnte man den bekannten Nebelfleck am Schwerdte des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p> <pb facs="#f0703" xml:id="P.4.693" n="693"/><lb/> </p> <p>Hieraus erklaͤrt ſich ſehr ſchoͤn, warum der Rand der Milchſtraße ſo deutlich abgeſchnitten iſt. Man ſtelle ſich auf dem Boden etliche tauſend Reihen von Lichtern in gleichen Entfernungen vor, ſetze uͤber dieſe Schicht noch hundert andre gleiche Schichten, und bringe das Auge in die Mitte des Ganzen. Schaut es hier uͤber oder unter ſich, ſo wird es nur 50 Lichter in einer Reihe finden; je mehr es ſich gegen den Horizont wendet, deſto mehr wird die Anzahl derſelben zunehmen, und endlich werden im Horizonte ſelbſt viele tauſend hinter einander liegen. Aber nirgends wird ſich in dieſer Erſcheinung ein Abſatz, wie an dem ſcharf begrenzten Rande der Milchſtraße, finden laſſen. Man mache nun eine Aenderung, laſſe zwar die naͤchſten Lichter um das Auge herum ſtehen, nehme aber zwiſchen dieſen und den entferntern einen großen Kreis oder Ring davon hinweg; ſo werden die naͤchſten Lichter an Groͤße und Deutlichkeit kenntlich bleiben; die entferntern werden ſich blaͤſſer, undeutlicher, dicht bey einander in einem Kreiſe zeigen, und der Abſatz zwiſchen dieſem Kreiſe und den zerſtreuten nahen Lichtern wird deſto ſtaͤrker in die Augen fallen, je groͤßer der von Lichtern leere Raum iſt. Eben ſo muͤßten ſich die Sterne allmaͤhlich und ohne Abſatz gegen die Milchſtraße zuſammendraͤngen, wenn ſich nicht zwiſchen ihnen und der letztern ringsum ein großer leerer Abſtand befaͤnde, deſſen Groͤße den Abſtand unſerer Fixſterne von einander ſelbſt viele tauſendmal uͤbertreffen muß. 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Hieraus erklaͤrt ſich ſehr ſchoͤn, warum der Rand der Milchſtraße ſo deutlich abgeſchnitten iſt. Man ſtelle ſich auf dem Boden etliche tauſend Reihen von Lichtern in gleichen Entfernungen vor, ſetze uͤber dieſe Schicht noch hundert andre gleiche Schichten, und bringe das Auge in die Mitte des Ganzen. Schaut es hier uͤber oder unter ſich, ſo wird es nur 50 Lichter in einer Reihe finden; je mehr es ſich gegen den Horizont wendet, deſto mehr wird die Anzahl derſelben zunehmen, und endlich werden im Horizonte ſelbſt viele tauſend hinter einander liegen. Aber nirgends wird ſich in dieſer Erſcheinung ein Abſatz, wie an dem ſcharf begrenzten Rande der Milchſtraße, finden laſſen. Man mache nun eine Aenderung, laſſe zwar die naͤchſten Lichter um das Auge herum ſtehen, nehme aber zwiſchen dieſen und den entferntern einen großen Kreis oder Ring davon hinweg; ſo werden die naͤchſten Lichter an Groͤße und Deutlichkeit kenntlich bleiben; die entferntern werden ſich blaͤſſer, undeutlicher, dicht bey einander in einem Kreiſe zeigen, und der Abſatz zwiſchen dieſem Kreiſe und den zerſtreuten nahen Lichtern wird deſto ſtaͤrker in die Augen fallen, je groͤßer der von Lichtern leere Raum iſt. Eben ſo muͤßten ſich die Sterne allmaͤhlich und ohne Abſatz gegen die Milchſtraße zuſammendraͤngen, wenn ſich nicht zwiſchen ihnen und der letztern ringsum ein großer leerer Abſtand befaͤnde, deſſen Groͤße den Abſtand unſerer Fixſterne von einander ſelbſt viele tauſendmal uͤbertreffen muß. Nur eine ſolche Abſonderung kan den ſcharf begrenzten Rand der Milchſtraße begreiflich machen.
In unſerm Fixſternſyſteme liegt unſere Sonne nebſt uns nicht in der Mitte, ſondern der Gegend des Adlers naͤher, wo uns die Sterne in geringerer Anzahl und zerſtreuter erſcheinen. Die Mitte des Syſtems ſcheint nach dem Orion oder großen Hunde hin zu liegen. Lambert giebt dem ganzen Syſtem eine langſame Bewegung um einen Haupt- oder Centralkoͤrper, von dem er es unentſchieden laͤßt, ob er eine Sonne oder eine dunkle Maſſe ſey. Den Sirius dafuͤr anzunehmen, iſt er nicht geneigt; eher koͤnnte man den bekannten Nebelfleck am Schwerdte des
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