Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


um die wirklichen Gesetze daraus zu demonstriren: vielmehr muß man die Gesetze aus Erfahrung kennen lernen, und erst dann ist es erlaubt, daraus Muthmaßungen über die Endzwecke herzuleiten, s. Teleologie.

Es ist auch zuverläßig, daß man die Gesetze des Stosses, der Brechung u. s. w. aus dem Satze der Sparsamkeit allein nicht würde erfunden haben. Denn wenn man sie daraus ableiten will, so hat man allemal noch gewisse andere Voraussetzungen nöthig, z. B. daß beym Stoße elastischer Körper die relative Geschwindigkeit ungeändert bleibe, daß bey der Brechung die Geschwindigkeiten in beyden Mitteln in einem beständigen Verhältnisse stehen u. d. gl. Wie hätte man gerade auf diese Voraussetzungen, und auf keine andern, verfallen sollen, wenn nicht die zu erfindenden Gesetze schon vorher aus andern Betrachtungen oder Erfahrungen bekannt gewesen wären?

Wie dem aber auch sey, so bleibt doch an sich der Satz ewig wahr, daß in einigen der schönsten und allgemeinsten Naturgesetze das Product aus Masse, Raum und Geschwindigkeit in der That ein Kleinstes ist. Diese mathematische Wahrheit behält immer ihren Werth, und kan auf schöne teleologische Betrachtungen führen. Wenn sie auch Leibnitz bereits gekannt hat, so ist doch von ihm bey dem Gesetze der Stralenbrechung ein ganz anderer Grundsatz, nemlich daß die Schwierigkeit des Fortgangs ein Kleinstes werde, angenommen worden, s. Brechung (Th. I. S. 420.). Herr von Maupertuis behält also immer das Verdienst, diese Wahrheit mit ihrer richtigern Bestimmung entdeckt, und auf eine sehr scharfsinnige und glückliche Art aus den Naturgesetzen entwickelt zu haben; er fehlte nur darinn, daß er die Schlußart umkehren, und die Naturgesetze aus dem entdeckten Satze, als einem kosmologischen Princip, erweisen wollte.

Kästner Anfangsgründe der höhern Mechanik. Göttingen 1766. 8. III. Absch. §. 209. u. f. S. 381.

Brisson Diction. rais. de Phys. Art. Action.

Wirkungskreis, Sphäre der Wirksamkeit

Sphaera activitatis, Sphere d'activite. Diesen Namen


um die wirklichen Geſetze daraus zu demonſtriren: vielmehr muß man die Geſetze aus Erfahrung kennen lernen, und erſt dann iſt es erlaubt, daraus Muthmaßungen uͤber die Endzwecke herzuleiten, ſ. Teleologie.

Es iſt auch zuverlaͤßig, daß man die Geſetze des Stoſſes, der Brechung u. ſ. w. aus dem Satze der Sparſamkeit allein nicht wuͤrde erfunden haben. Denn wenn man ſie daraus ableiten will, ſo hat man allemal noch gewiſſe andere Vorausſetzungen noͤthig, z. B. daß beym Stoße elaſtiſcher Koͤrper die relative Geſchwindigkeit ungeaͤndert bleibe, daß bey der Brechung die Geſchwindigkeiten in beyden Mitteln in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe ſtehen u. d. gl. Wie haͤtte man gerade auf dieſe Vorausſetzungen, und auf keine andern, verfallen ſollen, wenn nicht die zu erfindenden Geſetze ſchon vorher aus andern Betrachtungen oder Erfahrungen bekannt geweſen waͤren?

Wie dem aber auch ſey, ſo bleibt doch an ſich der Satz ewig wahr, daß in einigen der ſchoͤnſten und allgemeinſten Naturgeſetze das Product aus Maſſe, Raum und Geſchwindigkeit in der That ein Kleinſtes iſt. Dieſe mathematiſche Wahrheit behaͤlt immer ihren Werth, und kan auf ſchoͤne teleologiſche Betrachtungen fuͤhren. Wenn ſie auch Leibnitz bereits gekannt hat, ſo iſt doch von ihm bey dem Geſetze der Stralenbrechung ein ganz anderer Grundſatz, nemlich daß die Schwierigkeit des Fortgangs ein Kleinſtes werde, angenommen worden, ſ. Brechung (Th. I. S. 420.). Herr von Maupertuis behaͤlt alſo immer das Verdienſt, dieſe Wahrheit mit ihrer richtigern Beſtimmung entdeckt, und auf eine ſehr ſcharfſinnige und gluͤckliche Art aus den Naturgeſetzen entwickelt zu haben; er fehlte nur darinn, daß er die Schlußart umkehren, und die Naturgeſetze aus dem entdeckten Satze, als einem kosmologiſchen Princip, erweiſen wollte.

Kaͤſtner Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik. Goͤttingen 1766. 8. III. Abſch. §. 209. u. f. S. 381.

Briſſon Diction. raiſ. de Phyſ. Art. Action.

Wirkungskreis, Sphaͤre der Wirkſamkeit

Sphaera activitatis, Sphère d'activité. Dieſen Namen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0807" xml:id="P.4.797" n="797"/><lb/>
um die wirklichen Ge&#x017F;etze daraus zu demon&#x017F;triren: vielmehr muß man die Ge&#x017F;etze aus Erfahrung kennen lernen, und er&#x017F;t dann i&#x017F;t es erlaubt, daraus Muthmaßungen u&#x0364;ber die Endzwecke herzuleiten, <hi rendition="#b">&#x017F;. Teleologie.</hi></p>
            <p>Es i&#x017F;t auch zuverla&#x0364;ßig, daß man die Ge&#x017F;etze des Sto&#x017F;&#x017F;es, der Brechung u. &#x017F;. w. aus dem Satze der Spar&#x017F;amkeit allein nicht wu&#x0364;rde erfunden haben. Denn wenn man &#x017F;ie daraus ableiten will, &#x017F;o hat man allemal noch gewi&#x017F;&#x017F;e andere Voraus&#x017F;etzungen no&#x0364;thig, z. B. daß beym Stoße ela&#x017F;ti&#x017F;cher Ko&#x0364;rper die relative Ge&#x017F;chwindigkeit ungea&#x0364;ndert bleibe, daß bey der Brechung die Ge&#x017F;chwindigkeiten in beyden Mitteln in einem be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;tehen u. d. gl. Wie ha&#x0364;tte man gerade auf die&#x017F;e Voraus&#x017F;etzungen, und auf keine andern, verfallen &#x017F;ollen, wenn nicht die zu erfindenden Ge&#x017F;etze &#x017F;chon vorher aus andern Betrachtungen oder Erfahrungen bekannt gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren?</p>
            <p>Wie dem aber auch &#x017F;ey, &#x017F;o bleibt doch an &#x017F;ich der Satz ewig wahr, daß in einigen der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten und allgemein&#x017F;ten Naturge&#x017F;etze das Product aus Ma&#x017F;&#x017F;e, Raum und Ge&#x017F;chwindigkeit in der That ein <hi rendition="#b">Klein&#x017F;tes</hi> i&#x017F;t. Die&#x017F;e mathemati&#x017F;che Wahrheit beha&#x0364;lt immer ihren Werth, und kan auf &#x017F;cho&#x0364;ne teleologi&#x017F;che Betrachtungen fu&#x0364;hren. Wenn &#x017F;ie auch Leibnitz bereits gekannt hat, &#x017F;o i&#x017F;t doch von ihm bey dem Ge&#x017F;etze der Stralenbrechung ein ganz anderer Grund&#x017F;atz, nemlich daß die Schwierigkeit des Fortgangs ein Klein&#x017F;tes werde, angenommen worden, <hi rendition="#b">&#x017F;. Brechung</hi> (Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 420.). Herr <hi rendition="#b">von Maupertuis</hi> beha&#x0364;lt al&#x017F;o immer das Verdien&#x017F;t, die&#x017F;e Wahrheit mit ihrer richtigern Be&#x017F;timmung entdeckt, und auf eine &#x017F;ehr &#x017F;charf&#x017F;innige und glu&#x0364;ckliche Art aus den Naturge&#x017F;etzen entwickelt zu haben; er fehlte nur darinn, daß er die Schlußart umkehren, und die Naturge&#x017F;etze aus dem entdeckten Satze, als einem kosmologi&#x017F;chen Princip, erwei&#x017F;en wollte.</p>
            <p><hi rendition="#b">Ka&#x0364;&#x017F;tner</hi> Anfangsgru&#x0364;nde der ho&#x0364;hern Mechanik. Go&#x0364;ttingen 1766. 8. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;ch. §. 209. u. f. S. 381.</p>
            <p> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Bri&#x017F;&#x017F;on</hi> Diction. rai&#x017F;. de Phy&#x017F;. Art. <hi rendition="#i">Action.</hi></hi> </p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>Wirkungskreis, Spha&#x0364;re der Wirk&#x017F;amkeit</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Sphaera activitatis, <hi rendition="#i">Sphère d'activité.</hi></hi> Die&#x017F;en Namen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[797/0807] um die wirklichen Geſetze daraus zu demonſtriren: vielmehr muß man die Geſetze aus Erfahrung kennen lernen, und erſt dann iſt es erlaubt, daraus Muthmaßungen uͤber die Endzwecke herzuleiten, ſ. Teleologie. Es iſt auch zuverlaͤßig, daß man die Geſetze des Stoſſes, der Brechung u. ſ. w. aus dem Satze der Sparſamkeit allein nicht wuͤrde erfunden haben. Denn wenn man ſie daraus ableiten will, ſo hat man allemal noch gewiſſe andere Vorausſetzungen noͤthig, z. B. daß beym Stoße elaſtiſcher Koͤrper die relative Geſchwindigkeit ungeaͤndert bleibe, daß bey der Brechung die Geſchwindigkeiten in beyden Mitteln in einem beſtaͤndigen Verhaͤltniſſe ſtehen u. d. gl. Wie haͤtte man gerade auf dieſe Vorausſetzungen, und auf keine andern, verfallen ſollen, wenn nicht die zu erfindenden Geſetze ſchon vorher aus andern Betrachtungen oder Erfahrungen bekannt geweſen waͤren? Wie dem aber auch ſey, ſo bleibt doch an ſich der Satz ewig wahr, daß in einigen der ſchoͤnſten und allgemeinſten Naturgeſetze das Product aus Maſſe, Raum und Geſchwindigkeit in der That ein Kleinſtes iſt. Dieſe mathematiſche Wahrheit behaͤlt immer ihren Werth, und kan auf ſchoͤne teleologiſche Betrachtungen fuͤhren. Wenn ſie auch Leibnitz bereits gekannt hat, ſo iſt doch von ihm bey dem Geſetze der Stralenbrechung ein ganz anderer Grundſatz, nemlich daß die Schwierigkeit des Fortgangs ein Kleinſtes werde, angenommen worden, ſ. Brechung (Th. I. S. 420.). Herr von Maupertuis behaͤlt alſo immer das Verdienſt, dieſe Wahrheit mit ihrer richtigern Beſtimmung entdeckt, und auf eine ſehr ſcharfſinnige und gluͤckliche Art aus den Naturgeſetzen entwickelt zu haben; er fehlte nur darinn, daß er die Schlußart umkehren, und die Naturgeſetze aus dem entdeckten Satze, als einem kosmologiſchen Princip, erweiſen wollte. Kaͤſtner Anfangsgruͤnde der hoͤhern Mechanik. Goͤttingen 1766. 8. III. Abſch. §. 209. u. f. S. 381. Briſſon Diction. raiſ. de Phyſ. Art. Action. Wirkungskreis, Sphaͤre der Wirkſamkeit Sphaera activitatis, Sphère d'activité. Dieſen Namen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/807
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 797. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/807>, abgerufen am 22.11.2024.