Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


der Atmosphären zeigen können, daß bey stumpfgeendeten Körpern diese Wirkungen merklicher sind, und sich auf eine gewisse Entfernung über die Schlagweite hinaus erstrecken; daß endlich bey platten Flächen die Erscheinungen der Wirkungskreise äußerst stark und lang anhaltend seyn müssen, ja selbst bey unmittelbarer Berührung noch statt finden, woraus sich die Phänomene geriebener Glastafeln, Harzkuchen und anderer elektrischer Platten, der Ladung des Elektrophors, Condensators u. s. w. erklären.

Durch die Wirkungen der Atmosphäre verliert der elektrisirte Körper, dem dieselbe zugehört, nichts von seiner Elektricität; auch dauern die Wirkungen so lange fort, als sich die Elektricität erhält; daher rührt das Anhaltende und Perpetuelle in allen Erscheinungen, welche blos von der Vertheilung ourch Wirkungskreise entspringen.

Inzwischen ist hiebey ein wichtiger Umstand zu bemerken, welchen Herr Volta zuerst aus dem gehörigen Gesichtspunkte betrachtet hat. Nemlich jedes +E oder -E, welches innerhalb seines Wirkungskreises eine Vertheilung bewirkt, scheint diese Zeit über in eben dem Maaße schwächer oder unwir samer zu werden, in welchem die von ihm bewirkte Vertheilung stärker ist. Hört aber die Vertheilung auf, so scheint auf einmal die ganze vorige Stärke dieses +E oder -E zurück zu kehren. Dahin gehören alle die Erscheinungen, welche Beccaria unter dem Namen Electricitas vindex begrif, weil er glaubte, der elektrisirte Körper lege sein +/- E wirklich in einen andern berührenden oder genäherten ab, und ergreife dasselbe bey der Trennung wieder.

Volta hingegen verband hiemit den weit einfachern und natürlichern Begrif, daß diese scheinbare Schwächung blos eine nothwendige Folge der Verwendung des +/- E auf die hervorgebrachte Vertheilung sey. Eine Kraft, welche sich auf irgend etwas verwendet, kan außer dem, was sie hiebey thut, nicht zugleich noch etwas anders bewirken. Sie scheint durch diese Verwendung geschwächt oder verschwunden zu seyn, ohne daß man darum nöthig hat, eine besondere entgegengesetzte Kraft anzunehmen, die sie aufgezehrt habe, s. Gegenwirkung. Eben so muß ein +/- E,


der Atmoſphaͤren zeigen koͤnnen, daß bey ſtumpfgeendeten Koͤrpern dieſe Wirkungen merklicher ſind, und ſich auf eine gewiſſe Entfernung uͤber die Schlagweite hinaus erſtrecken; daß endlich bey platten Flaͤchen die Erſcheinungen der Wirkungskreiſe aͤußerſt ſtark und lang anhaltend ſeyn muͤſſen, ja ſelbſt bey unmittelbarer Beruͤhrung noch ſtatt finden, woraus ſich die Phaͤnomene geriebener Glastafeln, Harzkuchen und anderer elektriſcher Platten, der Ladung des Elektrophors, Condenſators u. ſ. w. erklaͤren.

Durch die Wirkungen der Atmoſphaͤre verliert der elektriſirte Koͤrper, dem dieſelbe zugehoͤrt, nichts von ſeiner Elektricitaͤt; auch dauern die Wirkungen ſo lange fort, als ſich die Elektricitaͤt erhaͤlt; daher ruͤhrt das Anhaltende und Perpetuelle in allen Erſcheinungen, welche blos von der Vertheilung ourch Wirkungskreiſe entſpringen.

Inzwiſchen iſt hiebey ein wichtiger Umſtand zu bemerken, welchen Herr Volta zuerſt aus dem gehoͤrigen Geſichtspunkte betrachtet hat. Nemlich jedes +E oder -E, welches innerhalb ſeines Wirkungskreiſes eine Vertheilung bewirkt, ſcheint dieſe Zeit uͤber in eben dem Maaße ſchwaͤcher oder unwir ſamer zu werden, in welchem die von ihm bewirkte Vertheilung ſtaͤrker iſt. Hoͤrt aber die Vertheilung auf, ſo ſcheint auf einmal die ganze vorige Staͤrke dieſes +E oder -E zuruͤck zu kehren. Dahin gehoͤren alle die Erſcheinungen, welche Beccaria unter dem Namen Electricitas vindex begrif, weil er glaubte, der elektriſirte Koͤrper lege ſein ± E wirklich in einen andern beruͤhrenden oder genaͤherten ab, und ergreife daſſelbe bey der Trennung wieder.

Volta hingegen verband hiemit den weit einfachern und natuͤrlichern Begrif, daß dieſe ſcheinbare Schwaͤchung blos eine nothwendige Folge der Verwendung des ± E auf die hervorgebrachte Vertheilung ſey. Eine Kraft, welche ſich auf irgend etwas verwendet, kan außer dem, was ſie hiebey thut, nicht zugleich noch etwas anders bewirken. Sie ſcheint durch dieſe Verwendung geſchwaͤcht oder verſchwunden zu ſeyn, ohne daß man darum noͤthig hat, eine beſondere entgegengeſetzte Kraft anzunehmen, die ſie aufgezehrt habe, ſ. Gegenwirkung. Eben ſo muß ein ± E,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0812" xml:id="P.4.802" n="802"/><lb/>
der Atmo&#x017F;pha&#x0364;ren zeigen ko&#x0364;nnen, daß bey &#x017F;tumpfgeendeten Ko&#x0364;rpern die&#x017F;e Wirkungen merklicher &#x017F;ind, und &#x017F;ich auf eine gewi&#x017F;&#x017F;e Entfernung u&#x0364;ber die Schlagweite hinaus er&#x017F;trecken; daß endlich bey platten Fla&#x0364;chen die Er&#x017F;cheinungen der Wirkungskrei&#x017F;e a&#x0364;ußer&#x017F;t &#x017F;tark und lang anhaltend &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ja &#x017F;elb&#x017F;t bey unmittelbarer Beru&#x0364;hrung noch &#x017F;tatt finden, woraus &#x017F;ich die Pha&#x0364;nomene geriebener Glastafeln, Harzkuchen und anderer elektri&#x017F;cher Platten, der Ladung des Elektrophors, Conden&#x017F;ators u. &#x017F;. w. erkla&#x0364;ren.</p>
            <p>Durch die Wirkungen der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re verliert der elektri&#x017F;irte Ko&#x0364;rper, dem die&#x017F;elbe zugeho&#x0364;rt, nichts von &#x017F;einer Elektricita&#x0364;t; auch dauern die Wirkungen &#x017F;o lange fort, als &#x017F;ich die Elektricita&#x0364;t erha&#x0364;lt; daher ru&#x0364;hrt das Anhaltende und Perpetuelle in allen Er&#x017F;cheinungen, welche blos von der Vertheilung ourch Wirkungskrei&#x017F;e ent&#x017F;pringen.</p>
            <p>Inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t hiebey ein wichtiger Um&#x017F;tand zu bemerken, welchen Herr <hi rendition="#b">Volta</hi> zuer&#x017F;t aus dem geho&#x0364;rigen Ge&#x017F;ichtspunkte betrachtet hat. Nemlich jedes +<hi rendition="#aq">E</hi> oder -<hi rendition="#aq">E,</hi> welches innerhalb &#x017F;eines Wirkungskrei&#x017F;es eine Vertheilung bewirkt, &#x017F;cheint die&#x017F;e Zeit u&#x0364;ber in eben dem Maaße &#x017F;chwa&#x0364;cher oder unwir &#x017F;amer zu werden, in welchem die von ihm bewirkte Vertheilung &#x017F;ta&#x0364;rker i&#x017F;t. Ho&#x0364;rt aber die Vertheilung auf, &#x017F;o &#x017F;cheint auf einmal die ganze vorige Sta&#x0364;rke die&#x017F;es +<hi rendition="#aq">E</hi> oder -<hi rendition="#aq">E</hi> zuru&#x0364;ck zu kehren. Dahin geho&#x0364;ren alle die Er&#x017F;cheinungen, welche <hi rendition="#b">Beccaria</hi> unter dem Namen <hi rendition="#aq">Electricitas vindex</hi> begrif, weil er glaubte, der elektri&#x017F;irte Ko&#x0364;rper lege &#x017F;ein ± <hi rendition="#aq">E</hi> wirklich in einen andern beru&#x0364;hrenden oder gena&#x0364;herten ab, und ergreife da&#x017F;&#x017F;elbe bey der Trennung wieder.</p>
            <p><hi rendition="#b">Volta</hi> hingegen verband hiemit den weit einfachern und natu&#x0364;rlichern Begrif, daß die&#x017F;e &#x017F;cheinbare Schwa&#x0364;chung blos eine nothwendige Folge der Verwendung des ± <hi rendition="#aq">E</hi> auf die hervorgebrachte Vertheilung &#x017F;ey. Eine Kraft, welche &#x017F;ich auf irgend etwas verwendet, kan außer dem, was &#x017F;ie hiebey thut, nicht zugleich noch etwas anders bewirken. Sie &#x017F;cheint durch die&#x017F;e Verwendung ge&#x017F;chwa&#x0364;cht oder ver&#x017F;chwunden zu &#x017F;eyn, ohne daß man darum no&#x0364;thig hat, eine be&#x017F;ondere entgegenge&#x017F;etzte Kraft anzunehmen, die &#x017F;ie aufgezehrt habe, <hi rendition="#b">&#x017F;. Gegenwirkung.</hi> Eben &#x017F;o muß ein ± <hi rendition="#aq">E,</hi><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[802/0812] der Atmoſphaͤren zeigen koͤnnen, daß bey ſtumpfgeendeten Koͤrpern dieſe Wirkungen merklicher ſind, und ſich auf eine gewiſſe Entfernung uͤber die Schlagweite hinaus erſtrecken; daß endlich bey platten Flaͤchen die Erſcheinungen der Wirkungskreiſe aͤußerſt ſtark und lang anhaltend ſeyn muͤſſen, ja ſelbſt bey unmittelbarer Beruͤhrung noch ſtatt finden, woraus ſich die Phaͤnomene geriebener Glastafeln, Harzkuchen und anderer elektriſcher Platten, der Ladung des Elektrophors, Condenſators u. ſ. w. erklaͤren. Durch die Wirkungen der Atmoſphaͤre verliert der elektriſirte Koͤrper, dem dieſelbe zugehoͤrt, nichts von ſeiner Elektricitaͤt; auch dauern die Wirkungen ſo lange fort, als ſich die Elektricitaͤt erhaͤlt; daher ruͤhrt das Anhaltende und Perpetuelle in allen Erſcheinungen, welche blos von der Vertheilung ourch Wirkungskreiſe entſpringen. Inzwiſchen iſt hiebey ein wichtiger Umſtand zu bemerken, welchen Herr Volta zuerſt aus dem gehoͤrigen Geſichtspunkte betrachtet hat. Nemlich jedes +E oder -E, welches innerhalb ſeines Wirkungskreiſes eine Vertheilung bewirkt, ſcheint dieſe Zeit uͤber in eben dem Maaße ſchwaͤcher oder unwir ſamer zu werden, in welchem die von ihm bewirkte Vertheilung ſtaͤrker iſt. Hoͤrt aber die Vertheilung auf, ſo ſcheint auf einmal die ganze vorige Staͤrke dieſes +E oder -E zuruͤck zu kehren. Dahin gehoͤren alle die Erſcheinungen, welche Beccaria unter dem Namen Electricitas vindex begrif, weil er glaubte, der elektriſirte Koͤrper lege ſein ± E wirklich in einen andern beruͤhrenden oder genaͤherten ab, und ergreife daſſelbe bey der Trennung wieder. Volta hingegen verband hiemit den weit einfachern und natuͤrlichern Begrif, daß dieſe ſcheinbare Schwaͤchung blos eine nothwendige Folge der Verwendung des ± E auf die hervorgebrachte Vertheilung ſey. Eine Kraft, welche ſich auf irgend etwas verwendet, kan außer dem, was ſie hiebey thut, nicht zugleich noch etwas anders bewirken. Sie ſcheint durch dieſe Verwendung geſchwaͤcht oder verſchwunden zu ſeyn, ohne daß man darum noͤthig hat, eine beſondere entgegengeſetzte Kraft anzunehmen, die ſie aufgezehrt habe, ſ. Gegenwirkung. Eben ſo muß ein ± E,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/812
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 802. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/812>, abgerufen am 22.11.2024.