Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


weniger, als der eben gemachte Ueberfchlag anzugeben scheint.

Um sich einen Begrif von den Körpern und ihren Zwischenräumen zu machen, stelle man sich mehrere durchlöcherte Siebe über und an einander liegend vor, so wird daraus eine Masse entstehen, welche von allen Seiten und nach den meisten Richtungen mit vielen durch und durch gehenden Oefnungen durchbohrt ist. Durch eine solche Masse werden feine Theile ungehindert durchgehen können, so wie Staub und Pulver ungehindert durch ein Sieb geht, wenn seine Theile kleiner, als die im Siebe befindlichen Löcher sind. Da nun alle Körper solchen Massen ähnlich sind, so lassen sich hieraus viele sonst unbegreifliche Wirkungen und Erscheinungen erklären. Wenn man ein reines und glattes Stück Silber mit noch so viel Papier und Leinwand umwickelt, über flüchtige Schwefelsäure hält, so wird es in kurzer Zeit ganz schwarz; indem der flüchtige Geist sehr leicht durch die Poren des Papiers und der Leinwand bis zum Silber dringet. Die Ausflüsse des Moschus und anderer starkriechenden Substanzen dringen ohne Schwierigkeit durch die Zwischenräume hölzerner Büchsen; Weingeist dünstet durch die Poren hölzerner Gefäße u. s. w.

Dennoch zeigen sich hiebey Erscheinungen, welche nicht von der Größe der Zwischenräume allein abhängen. Oft dringen sehr feine Materien dennoch gar nicht in gewisse Körper ein, obgleich die Poren der letztern weit größer sind, als nöthig wäre, die kleinen Theile jener Materien zu fassen und durchzulassen. Die Zwischenräume des Korks sind ungemein viel größer, als die kleinsten Theilchen des Wassers oder Weines; dennoch dringen diese Liquoren nicht durch den Kork, und aus Flaschen, die mit Kork verstopft sind, läuft, wenn man sie umkehrt, nicht ein Tropfen aus. Durch kameelhärne Zeuge, so weit auch ihre Zwischenräume seyn mögen, dringt doch das Wasser nicht; sie lassen sich daher sehr schicklich zu Regenmänteln gebrauchen. Diese Phänomene scheinen von der Anziehung abzuhängen, s. Adhäsion. Eben so dringt das Licht nicht durch eine Menge Körper, deren Zwischenräume ohne alle Vergleichung


weniger, als der eben gemachte Ueberfchlag anzugeben ſcheint.

Um ſich einen Begrif von den Koͤrpern und ihren Zwiſchenraͤumen zu machen, ſtelle man ſich mehrere durchloͤcherte Siebe uͤber und an einander liegend vor, ſo wird daraus eine Maſſe entſtehen, welche von allen Seiten und nach den meiſten Richtungen mit vielen durch und durch gehenden Oefnungen durchbohrt iſt. Durch eine ſolche Maſſe werden feine Theile ungehindert durchgehen koͤnnen, ſo wie Staub und Pulver ungehindert durch ein Sieb geht, wenn ſeine Theile kleiner, als die im Siebe befindlichen Loͤcher ſind. Da nun alle Koͤrper ſolchen Maſſen aͤhnlich ſind, ſo laſſen ſich hieraus viele ſonſt unbegreifliche Wirkungen und Erſcheinungen erklaͤren. Wenn man ein reines und glattes Stuͤck Silber mit noch ſo viel Papier und Leinwand umwickelt, uͤber fluͤchtige Schwefelſaͤure haͤlt, ſo wird es in kurzer Zeit ganz ſchwarz; indem der fluͤchtige Geiſt ſehr leicht durch die Poren des Papiers und der Leinwand bis zum Silber dringet. Die Ausfluͤſſe des Moſchus und anderer ſtarkriechenden Subſtanzen dringen ohne Schwierigkeit durch die Zwiſchenraͤume hoͤlzerner Buͤchſen; Weingeiſt duͤnſtet durch die Poren hoͤlzerner Gefaͤße u. ſ. w.

Dennoch zeigen ſich hiebey Erſcheinungen, welche nicht von der Groͤße der Zwiſchenraͤume allein abhaͤngen. Oft dringen ſehr feine Materien dennoch gar nicht in gewiſſe Koͤrper ein, obgleich die Poren der letztern weit groͤßer ſind, als noͤthig waͤre, die kleinen Theile jener Materien zu faſſen und durchzulaſſen. Die Zwiſchenraͤume des Korks ſind ungemein viel groͤßer, als die kleinſten Theilchen des Waſſers oder Weines; dennoch dringen dieſe Liquoren nicht durch den Kork, und aus Flaſchen, die mit Kork verſtopft ſind, laͤuft, wenn man ſie umkehrt, nicht ein Tropfen aus. Durch kameelhaͤrne Zeuge, ſo weit auch ihre Zwiſchenraͤume ſeyn moͤgen, dringt doch das Waſſer nicht; ſie laſſen ſich daher ſehr ſchicklich zu Regenmaͤnteln gebrauchen. Dieſe Phaͤnomene ſcheinen von der Anziehung abzuhaͤngen, ſ. Adhaͤſion. Eben ſo dringt das Licht nicht durch eine Menge Koͤrper, deren Zwiſchenraͤume ohne alle Vergleichung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0954" xml:id="P.4.944" n="944"/><lb/>
weniger, als der eben gemachte Ueberfchlag anzugeben &#x017F;cheint.</p>
            <p>Um &#x017F;ich einen Begrif von den Ko&#x0364;rpern und ihren Zwi&#x017F;chenra&#x0364;umen zu machen, &#x017F;telle man &#x017F;ich mehrere durchlo&#x0364;cherte Siebe u&#x0364;ber und an einander liegend vor, &#x017F;o wird daraus eine Ma&#x017F;&#x017F;e ent&#x017F;tehen, welche von allen Seiten und nach den mei&#x017F;ten Richtungen mit vielen durch und durch gehenden Oefnungen durchbohrt i&#x017F;t. Durch eine &#x017F;olche Ma&#x017F;&#x017F;e werden feine Theile ungehindert durchgehen ko&#x0364;nnen, &#x017F;o wie Staub und Pulver ungehindert durch ein Sieb geht, wenn &#x017F;eine Theile kleiner, als die im Siebe befindlichen Lo&#x0364;cher &#x017F;ind. Da nun alle Ko&#x0364;rper &#x017F;olchen Ma&#x017F;&#x017F;en a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich hieraus viele &#x017F;on&#x017F;t unbegreifliche Wirkungen und Er&#x017F;cheinungen erkla&#x0364;ren. Wenn man ein reines und glattes Stu&#x0364;ck Silber mit noch &#x017F;o viel Papier und Leinwand umwickelt, u&#x0364;ber flu&#x0364;chtige Schwefel&#x017F;a&#x0364;ure ha&#x0364;lt, &#x017F;o wird es in kurzer Zeit ganz &#x017F;chwarz; indem der flu&#x0364;chtige Gei&#x017F;t &#x017F;ehr leicht durch die Poren des Papiers und der Leinwand bis zum Silber dringet. Die Ausflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e des Mo&#x017F;chus und anderer &#x017F;tarkriechenden Sub&#x017F;tanzen dringen ohne Schwierigkeit durch die Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume ho&#x0364;lzerner Bu&#x0364;ch&#x017F;en; Weingei&#x017F;t du&#x0364;n&#x017F;tet durch die Poren ho&#x0364;lzerner Gefa&#x0364;ße u. &#x017F;. w.</p>
            <p>Dennoch zeigen &#x017F;ich hiebey Er&#x017F;cheinungen, welche nicht von der Gro&#x0364;ße der Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume allein abha&#x0364;ngen. Oft dringen &#x017F;ehr feine Materien dennoch gar nicht in gewi&#x017F;&#x017F;e Ko&#x0364;rper ein, obgleich die Poren der letztern weit gro&#x0364;ßer &#x017F;ind, als no&#x0364;thig wa&#x0364;re, die kleinen Theile jener Materien zu fa&#x017F;&#x017F;en und durchzula&#x017F;&#x017F;en. Die Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume des Korks &#x017F;ind ungemein viel gro&#x0364;ßer, als die klein&#x017F;ten Theilchen des Wa&#x017F;&#x017F;ers oder Weines; dennoch dringen die&#x017F;e Liquoren nicht durch den Kork, und aus Fla&#x017F;chen, die mit Kork ver&#x017F;topft &#x017F;ind, la&#x0364;uft, wenn man &#x017F;ie umkehrt, nicht ein Tropfen aus. Durch kameelha&#x0364;rne Zeuge, &#x017F;o weit auch ihre Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, dringt doch das Wa&#x017F;&#x017F;er nicht; &#x017F;ie la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich daher &#x017F;ehr &#x017F;chicklich zu Regenma&#x0364;nteln gebrauchen. Die&#x017F;e Pha&#x0364;nomene &#x017F;cheinen von der Anziehung abzuha&#x0364;ngen, <hi rendition="#b">&#x017F;. Adha&#x0364;&#x017F;ion.</hi> Eben &#x017F;o dringt das Licht nicht durch eine Menge Ko&#x0364;rper, deren Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume ohne alle Vergleichung<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[944/0954] weniger, als der eben gemachte Ueberfchlag anzugeben ſcheint. Um ſich einen Begrif von den Koͤrpern und ihren Zwiſchenraͤumen zu machen, ſtelle man ſich mehrere durchloͤcherte Siebe uͤber und an einander liegend vor, ſo wird daraus eine Maſſe entſtehen, welche von allen Seiten und nach den meiſten Richtungen mit vielen durch und durch gehenden Oefnungen durchbohrt iſt. Durch eine ſolche Maſſe werden feine Theile ungehindert durchgehen koͤnnen, ſo wie Staub und Pulver ungehindert durch ein Sieb geht, wenn ſeine Theile kleiner, als die im Siebe befindlichen Loͤcher ſind. Da nun alle Koͤrper ſolchen Maſſen aͤhnlich ſind, ſo laſſen ſich hieraus viele ſonſt unbegreifliche Wirkungen und Erſcheinungen erklaͤren. Wenn man ein reines und glattes Stuͤck Silber mit noch ſo viel Papier und Leinwand umwickelt, uͤber fluͤchtige Schwefelſaͤure haͤlt, ſo wird es in kurzer Zeit ganz ſchwarz; indem der fluͤchtige Geiſt ſehr leicht durch die Poren des Papiers und der Leinwand bis zum Silber dringet. Die Ausfluͤſſe des Moſchus und anderer ſtarkriechenden Subſtanzen dringen ohne Schwierigkeit durch die Zwiſchenraͤume hoͤlzerner Buͤchſen; Weingeiſt duͤnſtet durch die Poren hoͤlzerner Gefaͤße u. ſ. w. Dennoch zeigen ſich hiebey Erſcheinungen, welche nicht von der Groͤße der Zwiſchenraͤume allein abhaͤngen. Oft dringen ſehr feine Materien dennoch gar nicht in gewiſſe Koͤrper ein, obgleich die Poren der letztern weit groͤßer ſind, als noͤthig waͤre, die kleinen Theile jener Materien zu faſſen und durchzulaſſen. Die Zwiſchenraͤume des Korks ſind ungemein viel groͤßer, als die kleinſten Theilchen des Waſſers oder Weines; dennoch dringen dieſe Liquoren nicht durch den Kork, und aus Flaſchen, die mit Kork verſtopft ſind, laͤuft, wenn man ſie umkehrt, nicht ein Tropfen aus. Durch kameelhaͤrne Zeuge, ſo weit auch ihre Zwiſchenraͤume ſeyn moͤgen, dringt doch das Waſſer nicht; ſie laſſen ſich daher ſehr ſchicklich zu Regenmaͤnteln gebrauchen. Dieſe Phaͤnomene ſcheinen von der Anziehung abzuhaͤngen, ſ. Adhaͤſion. Eben ſo dringt das Licht nicht durch eine Menge Koͤrper, deren Zwiſchenraͤume ohne alle Vergleichung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/954
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 944. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/954>, abgerufen am 21.11.2024.