Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Das Auflösungssystem, selbst wie es Herr Hube im Zusammenhange vorgetragen, und mit Gründen unterstützt hat, scheint jenem weder an Sicherheit der zum Grunde liegenden Erfahrungen, noch an Simplicität in der Ausführung und Anwendung gleich zu kommen. Es erfordert allerley Zusätze und Modificationen, welche eine Hypothese nie empfehlen. Dahin gehören vorzüglich die zweyerley Arten von Auflösung des Wassers in Luft, in deren Unterschiede Hr. H. den Schlüssel zu den Erklärungen der Luftbegebenheiten zu finden vermeint, die aber weder auf sichern Erfahrungen beruhen, noch auch, wenn sie beyde wahre Auflösungen seyn sollen, einen recht bestimmten Begrif von der Natur und Ursache ihrer angegebnen Verschiedenheit zulassen. Daß mit dem in den Luftkreis aufgestiegenen Wasser eine Veränderung vorgehen müsse, die dasselbe latent und für das Hygrometer unmerklich macht, das beweißt Hr. de Luc daraus, weil man in der Höhe bey sehr niedriger Temperatur gerade alsdann die größte Trockenheit findet, wenn nach langer Dürre eine ungeheure Menge Wasser von der Erde aufgestiegen ist, s. Regen, (Th. III. S. 661. 662.). Hier glaubt er nun, der Wasserdampf, der nicht mehr, selbst bey der niedrigsten Temperatur, auf das Hygrometer wirke, sey ein Bestandtheil der Luft selbst geworden; und er hat hiebey wiederum die Erfahrungen für sich, welche direct beweisen, daß Wasserdampf durch Verbindung mit andern Stoffen, wie z. B. beym Durchgange durch ein glühendes Pfeifenrohr, die Luftgestalt annehme. Die Gegenparthey wendet ein, man könne auf das Hygrometer keine sichern Schlüsse bauen; es könne viel Wasser in der Luft aufgelöset, und doch so gebunden seyn, daß es auch bey den niedrigsten Temperaturen nicht mehr aufs Hygrometer wirke. Dieser Einwurf aber ist durch gar keine Erfahrung unterstützt, und endlich kan man fragen, was denn im Auflösungssystem aus dem Wasser werde, wenn es sich so innig mit der Luft verbindet? Die Form, die es alsdann hat, und in der es die Antiphlogistiker für gehobenen Dampf halten, möchte wohl von der Form einer permanent elastischen Flüssigkeit nicht mehr verschieden seyn, und ob man es alsdann Das Aufloͤſungsſyſtem, ſelbſt wie es Herr Hube im Zuſammenhange vorgetragen, und mit Gruͤnden unterſtuͤtzt hat, ſcheint jenem weder an Sicherheit der zum Grunde liegenden Erfahrungen, noch an Simplicitaͤt in der Ausfuͤhrung und Anwendung gleich zu kommen. Es erfordert allerley Zuſaͤtze und Modificationen, welche eine Hypotheſe nie empfehlen. Dahin gehoͤren vorzuͤglich die zweyerley Arten von Aufloͤſung des Waſſers in Luft, in deren Unterſchiede Hr. H. den Schluͤſſel zu den Erklaͤrungen der Luftbegebenheiten zu finden vermeint, die aber weder auf ſichern Erfahrungen beruhen, noch auch, wenn ſie beyde wahre Aufloͤſungen ſeyn ſollen, einen recht beſtimmten Begrif von der Natur und Urſache ihrer angegebnen Verſchiedenheit zulaſſen. Daß mit dem in den Luftkreis aufgeſtiegenen Waſſer eine Veraͤnderung vorgehen muͤſſe, die daſſelbe latent und fuͤr das Hygrometer unmerklich macht, das beweißt Hr. de Luc daraus, weil man in der Hoͤhe bey ſehr niedriger Temperatur gerade alsdann die groͤßte Trockenheit findet, wenn nach langer Duͤrre eine ungeheure Menge Waſſer von der Erde aufgeſtiegen iſt, ſ. Regen, (Th. III. S. 661. 662.). Hier glaubt er nun, der Waſſerdampf, der nicht mehr, ſelbſt bey der niedrigſten Temperatur, auf das Hygrometer wirke, ſey ein Beſtandtheil der Luft ſelbſt geworden; und er hat hiebey wiederum die Erfahrungen fuͤr ſich, welche direct beweiſen, daß Waſſerdampf durch Verbindung mit andern Stoffen, wie z. B. beym Durchgange durch ein gluͤhendes Pfeifenrohr, die Luftgeſtalt annehme. Die Gegenparthey wendet ein, man koͤnne auf das Hygrometer keine ſichern Schluͤſſe bauen; es koͤnne viel Waſſer in der Luft aufgeloͤſet, und doch ſo gebunden ſeyn, daß es auch bey den niedrigſten Temperaturen nicht mehr aufs Hygrometer wirke. Dieſer Einwurf aber iſt durch gar keine Erfahrung unterſtuͤtzt, und endlich kan man fragen, was denn im Aufloͤſungsſyſtem aus dem Waſſer werde, wenn es ſich ſo innig mit der Luft verbindet? Die Form, die es alsdann hat, und in der es die Antiphlogiſtiker fuͤr gehobenen Dampf halten, moͤchte wohl von der Form einer permanent elaſtiſchen Fluͤſſigkeit nicht mehr verſchieden ſeyn, und ob man es alsdann <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0123" xml:id="P.5.111" n="111"/><lb/> </p> <p>Das Aufloͤſungsſyſtem, ſelbſt wie es Herr <hi rendition="#b">Hube</hi> im Zuſammenhange vorgetragen, und mit Gruͤnden unterſtuͤtzt hat, ſcheint jenem weder an Sicherheit der zum Grunde liegenden Erfahrungen, noch an Simplicitaͤt in der Ausfuͤhrung und Anwendung gleich zu kommen. Es erfordert allerley Zuſaͤtze und Modificationen, welche eine Hypotheſe nie empfehlen. Dahin gehoͤren vorzuͤglich die zweyerley Arten von Aufloͤſung des Waſſers in Luft, in deren Unterſchiede Hr. H. den Schluͤſſel zu den Erklaͤrungen der Luftbegebenheiten zu finden vermeint, die aber weder auf ſichern Erfahrungen beruhen, noch auch, wenn ſie beyde wahre Aufloͤſungen ſeyn ſollen, einen recht beſtimmten Begrif von der Natur und Urſache ihrer angegebnen Verſchiedenheit zulaſſen.</p> <p>Daß mit dem in den Luftkreis aufgeſtiegenen Waſſer eine Veraͤnderung vorgehen muͤſſe, die daſſelbe latent und fuͤr das Hygrometer unmerklich macht, das beweißt Hr. <hi rendition="#b">de Luc</hi> daraus, weil man in der Hoͤhe bey ſehr niedriger Temperatur gerade alsdann die groͤßte Trockenheit findet, wenn nach langer Duͤrre eine ungeheure Menge Waſſer von der Erde aufgeſtiegen iſt, ſ. <hi rendition="#b">Regen,</hi> (Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 661. 662.). 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Das Aufloͤſungsſyſtem, ſelbſt wie es Herr Hube im Zuſammenhange vorgetragen, und mit Gruͤnden unterſtuͤtzt hat, ſcheint jenem weder an Sicherheit der zum Grunde liegenden Erfahrungen, noch an Simplicitaͤt in der Ausfuͤhrung und Anwendung gleich zu kommen. Es erfordert allerley Zuſaͤtze und Modificationen, welche eine Hypotheſe nie empfehlen. Dahin gehoͤren vorzuͤglich die zweyerley Arten von Aufloͤſung des Waſſers in Luft, in deren Unterſchiede Hr. H. den Schluͤſſel zu den Erklaͤrungen der Luftbegebenheiten zu finden vermeint, die aber weder auf ſichern Erfahrungen beruhen, noch auch, wenn ſie beyde wahre Aufloͤſungen ſeyn ſollen, einen recht beſtimmten Begrif von der Natur und Urſache ihrer angegebnen Verſchiedenheit zulaſſen.
Daß mit dem in den Luftkreis aufgeſtiegenen Waſſer eine Veraͤnderung vorgehen muͤſſe, die daſſelbe latent und fuͤr das Hygrometer unmerklich macht, das beweißt Hr. de Luc daraus, weil man in der Hoͤhe bey ſehr niedriger Temperatur gerade alsdann die groͤßte Trockenheit findet, wenn nach langer Duͤrre eine ungeheure Menge Waſſer von der Erde aufgeſtiegen iſt, ſ. Regen, (Th. III. S. 661. 662.). Hier glaubt er nun, der Waſſerdampf, der nicht mehr, ſelbſt bey der niedrigſten Temperatur, auf das Hygrometer wirke, ſey ein Beſtandtheil der Luft ſelbſt geworden; und er hat hiebey wiederum die Erfahrungen fuͤr ſich, welche direct beweiſen, daß Waſſerdampf durch Verbindung mit andern Stoffen, wie z. B. beym Durchgange durch ein gluͤhendes Pfeifenrohr, die Luftgeſtalt annehme. Die Gegenparthey wendet ein, man koͤnne auf das Hygrometer keine ſichern Schluͤſſe bauen; es koͤnne viel Waſſer in der Luft aufgeloͤſet, und doch ſo gebunden ſeyn, daß es auch bey den niedrigſten Temperaturen nicht mehr aufs Hygrometer wirke.
Dieſer Einwurf aber iſt durch gar keine Erfahrung unterſtuͤtzt, und endlich kan man fragen, was denn im Aufloͤſungsſyſtem aus dem Waſſer werde, wenn es ſich ſo innig mit der Luft verbindet? Die Form, die es alsdann hat, und in der es die Antiphlogiſtiker fuͤr gehobenen Dampf halten, moͤchte wohl von der Form einer permanent elaſtiſchen Fluͤſſigkeit nicht mehr verſchieden ſeyn, und ob man es alsdann
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