hat etwas ganz Auszeichnendes. In der Pläne und auf niedrigen Bergen ermüdet das Steigen nie in dem Grade, daß man gar nicht weiter könnte; hier aber ermattet man dergestalt, daß auch die augenscheinlichste Gefahr nicht zu einem Schritte weiter bewegen kan; und strengt man sich an, so klopft das Herz so heftig, daß man ohne Gefahr einer Ohnmacht keine weitere Bewegung wagen darf. Das zweyte auszeichnende Merkmal dieser Ermattung ist, daß sich die verlornen Kräfte eben so schnell vollkommen wieder herstellen. Ein bloßes Stillstehen, ohne sich niederzusetzen, giebt in 3--4 Minuten die Kräfte so vollständig wieder, daß man glaubt, in einrm Athem den Gipfel ersteigen zu können. So leicht erholt man sich in der Pläne von einer solchen Ermüdung nicht.
Eine andere Wirkung dieser dünnen Luft ist die Schläfrigkeit. Sobald man in großen Höhen nur wenige Augenblicke ruht, so sieht man in kurzem alle, die sich nicht beschäftigen, einschlafen, so wenig auch Wind, Kälte, Sonne und selbst unbequeme Stellungen, den Schlaf begünstigen. In der Pläne schläft man aus Ermüdung so schnell nicht ein, besonders wenn die Kräfte schon so wieder hergestellt sind, wie dies auf den Bergen durch eine Ruhe von wenig Augenblicken geschieht.
So allgemein diese Wirkungen sind, so leiden doch die Bewohner der Alpen, die der Bergluft gewohnt sind, weniger davon; inzwischen bleiben sie nicht ganz verschont. Führer, die am Fuße der Berge stundenlang steigen können, müssen aller 100--200 Schritte weit Athem schöpfen, sobald sie in die Höhe von 14--1500 Toisen kommen, und sie schlafen hier ein, so bald sie einige Augenblicke in Ruhe bleiben. Manche Personen leiden von dieser dünnen Bergluft noch weit mehr. Es giebt Leute, die sonst sehr stark sind, und doch in gewissen Höhen allezeit von Eckel, Erbrechen, ja selbst von Ohnmachten befallen werden, worauf ein todtenähnlicher Schlaf folgt. Alle diese Zufälle hören bey immer fortdauernder Ermüdung dennoch auf, sobald sie vom Berge herab in eine dichtere Luft kommen.
hat etwas ganz Auszeichnendes. In der Plaͤne und auf niedrigen Bergen ermuͤdet das Steigen nie in dem Grade, daß man gar nicht weiter koͤnnte; hier aber ermattet man dergeſtalt, daß auch die augenſcheinlichſte Gefahr nicht zu einem Schritte weiter bewegen kan; und ſtrengt man ſich an, ſo klopft das Herz ſo heftig, daß man ohne Gefahr einer Ohnmacht keine weitere Bewegung wagen darf. Das zweyte auszeichnende Merkmal dieſer Ermattung iſt, daß ſich die verlornen Kraͤfte eben ſo ſchnell vollkommen wieder herſtellen. Ein bloßes Stillſtehen, ohne ſich niederzuſetzen, giebt in 3—4 Minuten die Kraͤfte ſo vollſtaͤndig wieder, daß man glaubt, in einrm Athem den Gipfel erſteigen zu koͤnnen. So leicht erholt man ſich in der Plaͤne von einer ſolchen Ermuͤdung nicht.
Eine andere Wirkung dieſer duͤnnen Luft iſt die Schlaͤfrigkeit. Sobald man in großen Hoͤhen nur wenige Augenblicke ruht, ſo ſieht man in kurzem alle, die ſich nicht beſchaͤftigen, einſchlafen, ſo wenig auch Wind, Kaͤlte, Sonne und ſelbſt unbequeme Stellungen, den Schlaf beguͤnſtigen. In der Plaͤne ſchlaͤft man aus Ermuͤdung ſo ſchnell nicht ein, beſonders wenn die Kraͤfte ſchon ſo wieder hergeſtellt ſind, wie dies auf den Bergen durch eine Ruhe von wenig Augenblicken geſchieht.
So allgemein dieſe Wirkungen ſind, ſo leiden doch die Bewohner der Alpen, die der Bergluft gewohnt ſind, weniger davon; inzwiſchen bleiben ſie nicht ganz verſchont. Fuͤhrer, die am Fuße der Berge ſtundenlang ſteigen koͤnnen, muͤſſen aller 100—200 Schritte weit Athem ſchoͤpfen, ſobald ſie in die Hoͤhe von 14—1500 Toiſen kommen, und ſie ſchlafen hier ein, ſo bald ſie einige Augenblicke in Ruhe bleiben. Manche Perſonen leiden von dieſer duͤnnen Bergluft noch weit mehr. Es giebt Leute, die ſonſt ſehr ſtark ſind, und doch in gewiſſen Hoͤhen allezeit von Eckel, Erbrechen, ja ſelbſt von Ohnmachten befallen werden, worauf ein todtenaͤhnlicher Schlaf folgt. Alle dieſe Zufaͤlle hoͤren bey immer fortdauernder Ermuͤdung dennoch auf, ſobald ſie vom Berge herab in eine dichtere Luft kommen.
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hat etwas ganz Auszeichnendes. In der Plaͤne und auf niedrigen Bergen ermuͤdet das Steigen nie in dem Grade, daß man gar nicht weiter koͤnnte; hier aber ermattet man dergeſtalt, daß auch die augenſcheinlichſte Gefahr nicht zu einem Schritte weiter bewegen kan; und ſtrengt man ſich an, ſo klopft das Herz ſo heftig, daß man ohne Gefahr einer Ohnmacht keine weitere Bewegung wagen darf. Das zweyte auszeichnende Merkmal dieſer Ermattung iſt, daß ſich die verlornen Kraͤfte eben ſo ſchnell vollkommen wieder herſtellen. Ein bloßes Stillſtehen, ohne ſich niederzuſetzen, giebt in 3—4 Minuten die Kraͤfte ſo vollſtaͤndig wieder, daß man glaubt, in einrm Athem den Gipfel erſteigen zu koͤnnen. So leicht erholt man ſich in der Plaͤne von einer ſolchen Ermuͤdung nicht.</p><p>Eine andere Wirkung dieſer duͤnnen Luft iſt die Schlaͤfrigkeit. Sobald man in großen Hoͤhen nur wenige Augenblicke ruht, ſo ſieht man in kurzem alle, die ſich nicht beſchaͤftigen, einſchlafen, ſo wenig auch Wind, Kaͤlte, Sonne und ſelbſt unbequeme Stellungen, den Schlaf beguͤnſtigen. In der Plaͤne ſchlaͤft man aus Ermuͤdung ſo ſchnell nicht ein, beſonders wenn die Kraͤfte ſchon ſo wieder hergeſtellt ſind, wie dies auf den Bergen durch eine Ruhe von wenig Augenblicken geſchieht.</p><p>So allgemein dieſe Wirkungen ſind, ſo leiden doch die Bewohner der Alpen, die der Bergluft gewohnt ſind, weniger davon; inzwiſchen bleiben ſie nicht ganz verſchont. Fuͤhrer, die am Fuße der Berge ſtundenlang ſteigen koͤnnen, muͤſſen aller 100—200 Schritte weit Athem ſchoͤpfen, ſobald ſie in die Hoͤhe von 14—1500 Toiſen kommen, und ſie ſchlafen hier ein, ſo bald ſie einige Augenblicke in Ruhe bleiben. Manche Perſonen leiden von dieſer duͤnnen Bergluft noch weit mehr. Es giebt Leute, die ſonſt ſehr ſtark ſind, und doch in gewiſſen Hoͤhen allezeit von Eckel, Erbrechen, ja ſelbſt von Ohnmachten befallen werden, worauf ein todtenaͤhnlicher Schlaf folgt. Alle dieſe Zufaͤlle hoͤren bey immer fortdauernder Ermuͤdung dennoch auf, ſobald ſie vom Berge herab in eine dichtere Luft kommen.<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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hat etwas ganz Auszeichnendes. In der Plaͤne und auf niedrigen Bergen ermuͤdet das Steigen nie in dem Grade, daß man gar nicht weiter koͤnnte; hier aber ermattet man dergeſtalt, daß auch die augenſcheinlichſte Gefahr nicht zu einem Schritte weiter bewegen kan; und ſtrengt man ſich an, ſo klopft das Herz ſo heftig, daß man ohne Gefahr einer Ohnmacht keine weitere Bewegung wagen darf. Das zweyte auszeichnende Merkmal dieſer Ermattung iſt, daß ſich die verlornen Kraͤfte eben ſo ſchnell vollkommen wieder herſtellen. Ein bloßes Stillſtehen, ohne ſich niederzuſetzen, giebt in 3—4 Minuten die Kraͤfte ſo vollſtaͤndig wieder, daß man glaubt, in einrm Athem den Gipfel erſteigen zu koͤnnen. So leicht erholt man ſich in der Plaͤne von einer ſolchen Ermuͤdung nicht.
Eine andere Wirkung dieſer duͤnnen Luft iſt die Schlaͤfrigkeit. Sobald man in großen Hoͤhen nur wenige Augenblicke ruht, ſo ſieht man in kurzem alle, die ſich nicht beſchaͤftigen, einſchlafen, ſo wenig auch Wind, Kaͤlte, Sonne und ſelbſt unbequeme Stellungen, den Schlaf beguͤnſtigen. In der Plaͤne ſchlaͤft man aus Ermuͤdung ſo ſchnell nicht ein, beſonders wenn die Kraͤfte ſchon ſo wieder hergeſtellt ſind, wie dies auf den Bergen durch eine Ruhe von wenig Augenblicken geſchieht.
So allgemein dieſe Wirkungen ſind, ſo leiden doch die Bewohner der Alpen, die der Bergluft gewohnt ſind, weniger davon; inzwiſchen bleiben ſie nicht ganz verſchont. Fuͤhrer, die am Fuße der Berge ſtundenlang ſteigen koͤnnen, muͤſſen aller 100—200 Schritte weit Athem ſchoͤpfen, ſobald ſie in die Hoͤhe von 14—1500 Toiſen kommen, und ſie ſchlafen hier ein, ſo bald ſie einige Augenblicke in Ruhe bleiben. Manche Perſonen leiden von dieſer duͤnnen Bergluft noch weit mehr. Es giebt Leute, die ſonſt ſehr ſtark ſind, und doch in gewiſſen Hoͤhen allezeit von Eckel, Erbrechen, ja ſelbſt von Ohnmachten befallen werden, worauf ein todtenaͤhnlicher Schlaf folgt. Alle dieſe Zufaͤlle hoͤren bey immer fortdauernder Ermuͤdung dennoch auf, ſobald ſie vom Berge herab in eine dichtere Luft kommen.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/158>, abgerufen am 27.11.2024.
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