Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Man sieht aus diesen angeführten Meinungen, wie sehr die Idee von der Materialität, Emanation und Einsaugung des Lichts unter den neuern Chemikern herrschend ist. Nur sehr Wenige haben noch die entgegengesetzte Meinung angenommen. Unter den Phlogistikern ist es Hr. Voigt (Versuch einer neuen Theorie des Feuers u. s. w. Jena, 1793. 8.), der das Licht nach Euler durch bloße Erschütterung eines sonst ruhigen Stoffs zu erklären sucht, und diese Erschütterung durch das Gegeneinanderwirken seiner beyden Brennstoffe entstehen läßt; unter den Antiphlogistikern hat Herr Girtanner (Anfangsgr. der antiphlogistischen Chemie. Berl. 1792. gr. 8. Kap. I. S. 17 u. f.) das Daseyn eines Lichtstoffs überhaupt in Zweifel gezogen. "Höchst wahr"scheinlich," sagt der letztere, "ist das Licht keine eigne Mate"rie, sondern eine bloße Modification des Wärmestoffs, "durch welche derselbe fähig wird, auf die Organe unsers "Gesichts einen gewissen Eindruck zu machen." Aber welche Gründe führt er nun für diese Behauptung an? Er gesteht, es sey durch die Versuche bewiesen, daß das Licht Einfluß auf die Körper habe; nur wisse man nicht, von welcher Art dieser Einfluß sey, ob das Licht sich mit dem Sauerstoffe in den Körpern, oder mit dem Wärmestoffe verbinde, ob es mit den kleinsten Theilen der Körper selbst in Verbindung übergehe u. s. w. Alles, was man darüber sage, seyen bloße Hypothesen und Hirngespinnste der menschlichen Vorstellungskraft. "Da es nun," fährt er fort, "nicht "erlaubt ist, in der Chemie die Eristenz irgend eines Kör"pers blos hypothetisch anzunehmen, so hat man ein Recht, "alle diese Erklärungen und Hypothesen so lange zu verwer"fen, bis die Eristenz des Lichtstoffes selbst wird bewiesen "seyn." Ich gebe gern zu, daß sich die Eristenz des Lichtstoffs nicht demonstriren lasse; wenn man aber Hrn. Girtanner nach seinem eignen Ausspruche richten, und alle Stoffe, deren Daseyn er selbst nicht demonstrirt, aus der Chemie verweisen wollte, wieviel möchte wohl von dem ganzen Inhalte seiner Anfangsgründe stehen bleiben? Leonh. Eulers Briefe über verschiedene Gegenstände aus der Naturlehre, aufs neue übersetzt mit Anmerkungen und Zusvon Man ſieht aus dieſen angefuͤhrten Meinungen, wie ſehr die Idee von der Materialitaͤt, Emanation und Einſaugung des Lichts unter den neuern Chemikern herrſchend iſt. Nur ſehr Wenige haben noch die entgegengeſetzte Meinung angenommen. Unter den Phlogiſtikern iſt es Hr. Voigt (Verſuch einer neuen Theorie des Feuers u. ſ. w. Jena, 1793. 8.), der das Licht nach Euler durch bloße Erſchuͤtterung eines ſonſt ruhigen Stoffs zu erklaͤren ſucht, und dieſe Erſchuͤtterung durch das Gegeneinanderwirken ſeiner beyden Brennſtoffe entſtehen laͤßt; unter den Antiphlogiſtikern hat Herr Girtanner (Anfangsgr. der antiphlogiſtiſchen Chemie. Berl. 1792. gr. 8. Kap. I. S. 17 u. f.) das Daſeyn eines Lichtſtoffs uͤberhaupt in Zweifel gezogen. ”Hoͤchſt wahr”ſcheinlich,“ ſagt der letztere, ”iſt das Licht keine eigne Mate”rie, ſondern eine bloße Modification des Waͤrmeſtoffs, ”durch welche derſelbe faͤhig wird, auf die Organe unſers ”Geſichts einen gewiſſen Eindruck zu machen.“ Aber welche Gruͤnde fuͤhrt er nun fuͤr dieſe Behauptung an? Er geſteht, es ſey durch die Verſuche bewieſen, daß das Licht Einfluß auf die Koͤrper habe; nur wiſſe man nicht, von welcher Art dieſer Einfluß ſey, ob das Licht ſich mit dem Sauerſtoffe in den Koͤrpern, oder mit dem Waͤrmeſtoffe verbinde, ob es mit den kleinſten Theilen der Koͤrper ſelbſt in Verbindung uͤbergehe u. ſ. w. Alles, was man daruͤber ſage, ſeyen bloße Hypotheſen und Hirngeſpinnſte der menſchlichen Vorſtellungskraft. ”Da es nun,“ faͤhrt er fort, ”nicht ”erlaubt iſt, in der Chemie die Eriſtenz irgend eines Koͤr”pers blos hypothetiſch anzunehmen, ſo hat man ein Recht, ”alle dieſe Erklaͤrungen und Hypotheſen ſo lange zu verwer”fen, bis die Eriſtenz des Lichtſtoffes ſelbſt wird bewieſen ”ſeyn.“ Ich gebe gern zu, daß ſich die Eriſtenz des Lichtſtoffs nicht demonſtriren laſſe; wenn man aber Hrn. Girtanner nach ſeinem eignen Ausſpruche richten, und alle Stoffe, deren Daſeyn er ſelbſt nicht demonſtrirt, aus der Chemie verweiſen wollte, wieviel moͤchte wohl von dem ganzen Inhalte ſeiner Anfangsgruͤnde ſtehen bleiben? Leonh. Eulers Briefe uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde aus der Naturlehre, aufs neue uͤberſetzt mit Anmerkungen und Zuſvon <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0567" xml:id="P.5.555" n="555"/><lb/> </p> <p>Man ſieht aus dieſen angefuͤhrten Meinungen, wie ſehr die Idee von der Materialitaͤt, Emanation und Einſaugung des Lichts unter den neuern Chemikern herrſchend iſt. Nur ſehr Wenige haben noch die entgegengeſetzte Meinung angenommen. Unter den Phlogiſtikern iſt es Hr. <hi rendition="#b">Voigt</hi> <hi rendition="#aq">(Verſuch einer neuen Theorie des Feuers u. ſ. w. 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Er geſteht, es ſey durch die Verſuche bewieſen, daß das Licht Einfluß auf die Koͤrper habe; nur wiſſe man nicht, von welcher Art dieſer Einfluß ſey, ob das Licht ſich mit dem Sauerſtoffe in den Koͤrpern, oder mit dem Waͤrmeſtoffe verbinde, ob es mit den kleinſten Theilen der Koͤrper ſelbſt in Verbindung uͤbergehe u. ſ. w. Alles, was man daruͤber ſage, ſeyen bloße Hypotheſen und Hirngeſpinnſte der menſchlichen Vorſtellungskraft. ”Da es nun,“ faͤhrt er fort, ”nicht ”erlaubt iſt, in der Chemie die Eriſtenz irgend eines Koͤr”pers blos hypothetiſch anzunehmen, ſo hat man ein Recht, ”alle dieſe Erklaͤrungen und Hypotheſen ſo lange zu verwer”fen, bis die Eriſtenz des Lichtſtoffes ſelbſt wird bewieſen ”ſeyn.“ Ich gebe gern zu, daß ſich die Eriſtenz des Lichtſtoffs nicht <hi rendition="#b">demonſtriren</hi> laſſe; wenn man aber Hrn. <hi rendition="#b">Girtanner</hi> nach ſeinem eignen Ausſpruche richten, und alle Stoffe, deren Daſeyn er ſelbſt nicht demonſtrirt, aus der Chemie verweiſen wollte, wieviel moͤchte wohl von dem ganzen Inhalte ſeiner Anfangsgruͤnde ſtehen bleiben?</p> </div> <div n="2"> <head>Leonh. Eulers</head><lb/> <p>Briefe uͤber verſchiedene Gegenſtaͤnde aus der Naturlehre, aufs neue uͤberſetzt mit Anmerkungen und Zuſvon<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [555/0567]
Man ſieht aus dieſen angefuͤhrten Meinungen, wie ſehr die Idee von der Materialitaͤt, Emanation und Einſaugung des Lichts unter den neuern Chemikern herrſchend iſt. Nur ſehr Wenige haben noch die entgegengeſetzte Meinung angenommen. Unter den Phlogiſtikern iſt es Hr. Voigt (Verſuch einer neuen Theorie des Feuers u. ſ. w. Jena, 1793. 8.), der das Licht nach Euler durch bloße Erſchuͤtterung eines ſonſt ruhigen Stoffs zu erklaͤren ſucht, und dieſe Erſchuͤtterung durch das Gegeneinanderwirken ſeiner beyden Brennſtoffe entſtehen laͤßt; unter den Antiphlogiſtikern hat Herr Girtanner (Anfangsgr. der antiphlogiſtiſchen Chemie. Berl. 1792. gr. 8. Kap. I. S. 17 u. f.) das Daſeyn eines Lichtſtoffs uͤberhaupt in Zweifel gezogen. ”Hoͤchſt wahr”ſcheinlich,“ ſagt der letztere, ”iſt das Licht keine eigne Mate”rie, ſondern eine bloße Modification des Waͤrmeſtoffs, ”durch welche derſelbe faͤhig wird, auf die Organe unſers ”Geſichts einen gewiſſen Eindruck zu machen.“ Aber welche Gruͤnde fuͤhrt er nun fuͤr dieſe Behauptung an? Er geſteht, es ſey durch die Verſuche bewieſen, daß das Licht Einfluß auf die Koͤrper habe; nur wiſſe man nicht, von welcher Art dieſer Einfluß ſey, ob das Licht ſich mit dem Sauerſtoffe in den Koͤrpern, oder mit dem Waͤrmeſtoffe verbinde, ob es mit den kleinſten Theilen der Koͤrper ſelbſt in Verbindung uͤbergehe u. ſ. w. Alles, was man daruͤber ſage, ſeyen bloße Hypotheſen und Hirngeſpinnſte der menſchlichen Vorſtellungskraft. ”Da es nun,“ faͤhrt er fort, ”nicht ”erlaubt iſt, in der Chemie die Eriſtenz irgend eines Koͤr”pers blos hypothetiſch anzunehmen, ſo hat man ein Recht, ”alle dieſe Erklaͤrungen und Hypotheſen ſo lange zu verwer”fen, bis die Eriſtenz des Lichtſtoffes ſelbſt wird bewieſen ”ſeyn.“ Ich gebe gern zu, daß ſich die Eriſtenz des Lichtſtoffs nicht demonſtriren laſſe; wenn man aber Hrn. Girtanner nach ſeinem eignen Ausſpruche richten, und alle Stoffe, deren Daſeyn er ſelbſt nicht demonſtrirt, aus der Chemie verweiſen wollte, wieviel moͤchte wohl von dem ganzen Inhalte ſeiner Anfangsgruͤnde ſtehen bleiben?
Leonh. Eulers
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