Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.Von der Abweichung der Magnetnadel vermuthet Herr Prevost, sie hänge vielleicht von den Bewegungen ab, welche die Veränderung der Schiefe der Ekliptik, das Vorrücken der Nachtgleichen, das Schwanken der Erdaxe rc. bewirken. Wenigstens muß der Magnetismus der Erdkugel, wenn er wirklich von den oben angezeigten Ursachen abhängt, durch Bewegungen der Erdaxe afficirt werden. Die tägliche Variation läßt sich nicht aus Ursachen, die tief in der Erde liegen, erklären, weil die Sonnenwärme so tief nicht eindringt; vielleicht aber könnte diese Wärme den Zustand der magnetischen Flüßigkeit in der Atmosphäre oder auf der Oberfläche abändern. Cassini hat auch in der That die tägliche Variation in tiefen Kellern weniger merklich, als auf der Oberfläche der Erde, gefunden. Ich finde diese Hypothese des Hrn. Prevost, die der Symmerschen Theorie von zweyen elektrischen Materien ähnlich ist, nicht deutlich genug aus einander gesetzt. Die Undeutlichkeit kan vielleicht subjectiv seyn, oder im Vortrage liegen, den ich hier nicht ändern wollte, um nichts hineinzutragen, was Hrn. P. nicht gehört. Alles kömmt auf den Satz an, daß die Zersetzung der gemischten Materie nur im Eisen, nicht aber im freyen Zustande, erfolge. Dieser Satz scheint mir durch das, was unter Num. 1 darüber gesagt ist, gar nicht begründet. Es ist dort blos die Rede von dem, was im Eisen geschieht, ohne Erwähnung freyer Materie. Gleichwohl wird bey Num. 2 behauptet, die freye Materie könne nach dem vorigen nicht zersetzt werden. Ich finde keinen Grund, warum ein Pol, wenn er stark genug wirkt, die Theilchen der freyen Materie nicht eben sowohl und noch leichter zersetzen sollte, als die der gebundenen Materie des Eisens. Meiner Vorstellung nach muß die Bindung im Eisen, wie jede Bindung in der Natur, den Wirkungen des Pols, als einer äußern Ursache eher hinderlich, als beförderlich, seyn. Gehört aber der Satz mit zu den angenommenen Voraussetzungen der Hypothese selbst, so ist, däucht mich, das Willkührliche dabey sehr weit getrieben. Scharfsinnige Physiker haben geurtheilt, daß diese Theorie die Erscheinungen unter allen am glücklichsten erkläre: Von der Abweichung der Magnetnadel vermuthet Herr Prevoſt, ſie haͤnge vielleicht von den Bewegungen ab, welche die Veraͤnderung der Schiefe der Ekliptik, das Vorruͤcken der Nachtgleichen, das Schwanken der Erdaxe rc. bewirken. Wenigſtens muß der Magnetismus der Erdkugel, wenn er wirklich von den oben angezeigten Urſachen abhaͤngt, durch Bewegungen der Erdaxe afficirt werden. Die taͤgliche Variation laͤßt ſich nicht aus Urſachen, die tief in der Erde liegen, erklaͤren, weil die Sonnenwaͤrme ſo tief nicht eindringt; vielleicht aber koͤnnte dieſe Waͤrme den Zuſtand der magnetiſchen Fluͤßigkeit in der Atmoſphaͤre oder auf der Oberflaͤche abaͤndern. Caſſini hat auch in der That die taͤgliche Variation in tiefen Kellern weniger merklich, als auf der Oberflaͤche der Erde, gefunden. Ich finde dieſe Hypotheſe des Hrn. Prevoſt, die der Symmerſchen Theorie von zweyen elektriſchen Materien aͤhnlich iſt, nicht deutlich genug aus einander geſetzt. Die Undeutlichkeit kan vielleicht ſubjectiv ſeyn, oder im Vortrage liegen, den ich hier nicht aͤndern wollte, um nichts hineinzutragen, was Hrn. P. nicht gehoͤrt. Alles koͤmmt auf den Satz an, daß die Zerſetzung der gemiſchten Materie nur im Eiſen, nicht aber im freyen Zuſtande, erfolge. Dieſer Satz ſcheint mir durch das, was unter Num. 1 daruͤber geſagt iſt, gar nicht begruͤndet. Es iſt dort blos die Rede von dem, was im Eiſen geſchieht, ohne Erwaͤhnung freyer Materie. Gleichwohl wird bey Num. 2 behauptet, die freye Materie koͤnne nach dem vorigen nicht zerſetzt werden. Ich finde keinen Grund, warum ein Pol, wenn er ſtark genug wirkt, die Theilchen der freyen Materie nicht eben ſowohl und noch leichter zerſetzen ſollte, als die der gebundenen Materie des Eiſens. Meiner Vorſtellung nach muß die Bindung im Eiſen, wie jede Bindung in der Natur, den Wirkungen des Pols, als einer aͤußern Urſache eher hinderlich, als befoͤrderlich, ſeyn. Gehoͤrt aber der Satz mit zu den angenommenen Vorausſetzungen der Hypotheſe ſelbſt, ſo iſt, daͤucht mich, das Willkuͤhrliche dabey ſehr weit getrieben. Scharfſinnige Phyſiker haben geurtheilt, daß dieſe Theorie die Erſcheinungen unter allen am gluͤcklichſten erklaͤre: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p> <pb facs="#f0622" xml:id="P.5.610" n="610"/><lb/> </p> <p>Von der Abweichung der Magnetnadel vermuthet Herr <hi rendition="#b">Prevoſt,</hi> ſie haͤnge vielleicht von den Bewegungen ab, welche die Veraͤnderung der Schiefe der Ekliptik, das Vorruͤcken der Nachtgleichen, das Schwanken der Erdaxe rc. bewirken. Wenigſtens muß der Magnetismus der Erdkugel, wenn er wirklich von den oben angezeigten Urſachen abhaͤngt, durch Bewegungen der Erdaxe afficirt werden. Die taͤgliche Variation laͤßt ſich nicht aus Urſachen, die tief in der Erde liegen, erklaͤren, weil die Sonnenwaͤrme ſo tief nicht eindringt; vielleicht aber koͤnnte dieſe Waͤrme den Zuſtand der magnetiſchen Fluͤßigkeit in der Atmoſphaͤre oder auf der Oberflaͤche abaͤndern. <hi rendition="#b">Caſſini</hi> hat auch in der That die taͤgliche Variation in tiefen Kellern weniger merklich, als auf der Oberflaͤche der Erde, gefunden.</p> <p>Ich finde dieſe Hypotheſe des Hrn. <hi rendition="#b">Prevoſt,</hi> die der Symmerſchen Theorie von zweyen elektriſchen Materien aͤhnlich iſt, nicht deutlich genug aus einander geſetzt. Die Undeutlichkeit kan vielleicht ſubjectiv ſeyn, oder im Vortrage liegen, den ich hier nicht aͤndern wollte, um nichts hineinzutragen, was Hrn. P. nicht gehoͤrt. Alles koͤmmt auf den Satz an, daß die Zerſetzung der gemiſchten Materie nur im Eiſen, nicht aber im freyen Zuſtande, erfolge. Dieſer Satz ſcheint mir durch das, was unter Num. 1 daruͤber geſagt iſt, gar nicht begruͤndet. Es iſt dort blos die Rede von dem, was im Eiſen geſchieht, ohne Erwaͤhnung freyer Materie. Gleichwohl wird bey Num. 2 behauptet, die freye Materie koͤnne <hi rendition="#b">nach dem vorigen</hi> nicht zerſetzt werden. Ich finde keinen Grund, warum ein Pol, wenn er ſtark genug wirkt, die Theilchen der freyen Materie nicht eben ſowohl und noch leichter zerſetzen ſollte, als die der gebundenen Materie des Eiſens. Meiner Vorſtellung nach muß die Bindung im Eiſen, wie jede Bindung in der Natur, den Wirkungen des Pols, als einer aͤußern Urſache eher hinderlich, als befoͤrderlich, ſeyn. Gehoͤrt aber der Satz mit zu den angenommenen Vorausſetzungen der Hypotheſe ſelbſt, ſo iſt, daͤucht mich, das Willkuͤhrliche dabey ſehr weit getrieben. Scharfſinnige Phyſiker haben geurtheilt, daß dieſe Theorie die Erſcheinungen unter allen am gluͤcklichſten erklaͤre:<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [610/0622]
Von der Abweichung der Magnetnadel vermuthet Herr Prevoſt, ſie haͤnge vielleicht von den Bewegungen ab, welche die Veraͤnderung der Schiefe der Ekliptik, das Vorruͤcken der Nachtgleichen, das Schwanken der Erdaxe rc. bewirken. Wenigſtens muß der Magnetismus der Erdkugel, wenn er wirklich von den oben angezeigten Urſachen abhaͤngt, durch Bewegungen der Erdaxe afficirt werden. Die taͤgliche Variation laͤßt ſich nicht aus Urſachen, die tief in der Erde liegen, erklaͤren, weil die Sonnenwaͤrme ſo tief nicht eindringt; vielleicht aber koͤnnte dieſe Waͤrme den Zuſtand der magnetiſchen Fluͤßigkeit in der Atmoſphaͤre oder auf der Oberflaͤche abaͤndern. Caſſini hat auch in der That die taͤgliche Variation in tiefen Kellern weniger merklich, als auf der Oberflaͤche der Erde, gefunden.
Ich finde dieſe Hypotheſe des Hrn. Prevoſt, die der Symmerſchen Theorie von zweyen elektriſchen Materien aͤhnlich iſt, nicht deutlich genug aus einander geſetzt. Die Undeutlichkeit kan vielleicht ſubjectiv ſeyn, oder im Vortrage liegen, den ich hier nicht aͤndern wollte, um nichts hineinzutragen, was Hrn. P. nicht gehoͤrt. Alles koͤmmt auf den Satz an, daß die Zerſetzung der gemiſchten Materie nur im Eiſen, nicht aber im freyen Zuſtande, erfolge. Dieſer Satz ſcheint mir durch das, was unter Num. 1 daruͤber geſagt iſt, gar nicht begruͤndet. Es iſt dort blos die Rede von dem, was im Eiſen geſchieht, ohne Erwaͤhnung freyer Materie. Gleichwohl wird bey Num. 2 behauptet, die freye Materie koͤnne nach dem vorigen nicht zerſetzt werden. Ich finde keinen Grund, warum ein Pol, wenn er ſtark genug wirkt, die Theilchen der freyen Materie nicht eben ſowohl und noch leichter zerſetzen ſollte, als die der gebundenen Materie des Eiſens. Meiner Vorſtellung nach muß die Bindung im Eiſen, wie jede Bindung in der Natur, den Wirkungen des Pols, als einer aͤußern Urſache eher hinderlich, als befoͤrderlich, ſeyn. Gehoͤrt aber der Satz mit zu den angenommenen Vorausſetzungen der Hypotheſe ſelbſt, ſo iſt, daͤucht mich, das Willkuͤhrliche dabey ſehr weit getrieben. Scharfſinnige Phyſiker haben geurtheilt, daß dieſe Theorie die Erſcheinungen unter allen am gluͤcklichſten erklaͤre:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |