Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Hr. v. H. eine ausführliche Vergleichung des Holzes und der Knochen an.

Die Pflanzen haben mit den meisten Thieren, deren Blut weiß und kalt ist, auch dieses gemein, daß sie keine wahren Knochen haben. Das Holz scheint aus belebten, veralterten und verengten Gefäßen, der Pappus der Pflanzen allein aus unbelebten Elementen zu entstehen. Bey keinem von beyden ersetzen sich die verlornen Theile wieder, oder mit Blumenbach zu reden, bey keinem findet sich Reproduction der Materie.

Diejenigen Theile der Pflanzen, welche vorzüglich Lebenskraft oder Reizbarkeit besitzen, sind folgende: die Saftgefäße, das Zellgewebe, die Luftgefäße, welche durch jeden vegetabilischen Körper mannichfaltig verbreitet sind. Die Bewegung oder Contractilität einiger Staubfäden, Blätter und Blattstiele scheint zu zeigen, daß die Pflanzen auch Muskelfibern haben.

Die Vegetabilien scheinen, wie die meisten kalt- und weißblütigen Thiere, keine Nerven zu haben. Hieraus ergiebt sich, daß die meisten Bewegungen der Pflanzen denjenigen sehr ähnlich sind, die bey der thierischen Maschine durch die unwillkührlichen Muskeln hervorgebracht werden.

Die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabilischen Körpers zu vermehren scheinen, sind: oxygenirte Kochsalzsäure, oxydirte Metalle, Sauerstoffgas, Wasser, kochsalzsaures Ammoniak, salpetergesäuerte Pottasche, mit kohlensaurer Luft, Salpeter- Schwefel- Zucker- oder einer andern Säure gemischtes Wasser, mäßige Wärme, Schwefel, mäßig angewendete Elektricität.

Hingegen wird die Reizbarkeit vermindert durch heftige elektrische Schläge, durch die Sonnenstralen, durch Opium, durch zu große Wärme, kohlensaures Gas, Stickstoff- oder nitröses Gas, wenn sie die Pflanze ganz umgeben, durch einen zu oft angebrachten Reiz. Abgeschnittene Theile einiger Pflanzen verlieren, wenn sie auch nicht ins Wasser gesetzt werden, die Contractilität doch nicht so bald.

Die Lebenskraft der Flüßigkeiten, welche sich in den Gefäßen befinden, ist in der Natur der Pflanzen und Säugthiere


Hr. v. H. eine ausfuͤhrliche Vergleichung des Holzes und der Knochen an.

Die Pflanzen haben mit den meiſten Thieren, deren Blut weiß und kalt iſt, auch dieſes gemein, daß ſie keine wahren Knochen haben. Das Holz ſcheint aus belebten, veralterten und verengten Gefaͤßen, der Pappus der Pflanzen allein aus unbelebten Elementen zu entſtehen. Bey keinem von beyden erſetzen ſich die verlornen Theile wieder, oder mit Blumenbach zu reden, bey keinem findet ſich Reproduction der Materie.

Diejenigen Theile der Pflanzen, welche vorzuͤglich Lebenskraft oder Reizbarkeit beſitzen, ſind folgende: die Saftgefaͤße, das Zellgewebe, die Luftgefaͤße, welche durch jeden vegetabiliſchen Koͤrper mannichfaltig verbreitet ſind. Die Bewegung oder Contractilitaͤt einiger Staubfaͤden, Blaͤtter und Blattſtiele ſcheint zu zeigen, daß die Pflanzen auch Muskelfibern haben.

Die Vegetabilien ſcheinen, wie die meiſten kalt- und weißbluͤtigen Thiere, keine Nerven zu haben. Hieraus ergiebt ſich, daß die meiſten Bewegungen der Pflanzen denjenigen ſehr aͤhnlich ſind, die bey der thieriſchen Maſchine durch die unwillkuͤhrlichen Muskeln hervorgebracht werden.

Die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabiliſchen Koͤrpers zu vermehren ſcheinen, ſind: oxygenirte Kochſalzſaͤure, oxydirte Metalle, Sauerſtoffgas, Waſſer, kochſalzſaures Ammoniak, ſalpetergeſaͤuerte Pottaſche, mit kohlenſaurer Luft, Salpeter- Schwefel- Zucker- oder einer andern Saͤure gemiſchtes Waſſer, maͤßige Waͤrme, Schwefel, maͤßig angewendete Elektricitaͤt.

Hingegen wird die Reizbarkeit vermindert durch heftige elektriſche Schlaͤge, durch die Sonnenſtralen, durch Opium, durch zu große Waͤrme, kohlenſaures Gas, Stickſtoff- oder nitroͤſes Gas, wenn ſie die Pflanze ganz umgeben, durch einen zu oft angebrachten Reiz. Abgeſchnittene Theile einiger Pflanzen verlieren, wenn ſie auch nicht ins Waſſer geſetzt werden, die Contractilitaͤt doch nicht ſo bald.

Die Lebenskraft der Fluͤßigkeiten, welche ſich in den Gefaͤßen befinden, iſt in der Natur der Pflanzen und Saͤugthiere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0705" xml:id="P.5.693" n="693"/><lb/>
Hr. v. H. eine ausfu&#x0364;hrliche Vergleichung des Holzes und der Knochen an.</p>
              <p>Die Pflanzen haben mit den mei&#x017F;ten Thieren, deren Blut weiß und kalt i&#x017F;t, auch die&#x017F;es gemein, daß &#x017F;ie keine wahren Knochen haben. Das Holz &#x017F;cheint aus belebten, veralterten und verengten Gefa&#x0364;ßen, der Pappus der Pflanzen allein aus unbelebten Elementen zu ent&#x017F;tehen. Bey keinem von beyden er&#x017F;etzen &#x017F;ich die verlornen Theile wieder, oder mit <hi rendition="#b">Blumenbach</hi> zu reden, bey keinem findet &#x017F;ich Reproduction der Materie.</p>
              <p>Diejenigen Theile der Pflanzen, welche vorzu&#x0364;glich Lebenskraft oder Reizbarkeit be&#x017F;itzen, &#x017F;ind folgende: die Saftgefa&#x0364;ße, das Zellgewebe, die Luftgefa&#x0364;ße, welche durch jeden vegetabili&#x017F;chen Ko&#x0364;rper mannichfaltig verbreitet &#x017F;ind. Die Bewegung oder Contractilita&#x0364;t einiger Staubfa&#x0364;den, Bla&#x0364;tter und Blatt&#x017F;tiele &#x017F;cheint zu zeigen, daß die Pflanzen auch Muskelfibern haben.</p>
              <p>Die Vegetabilien &#x017F;cheinen, wie die mei&#x017F;ten kalt- und weißblu&#x0364;tigen Thiere, keine Nerven zu haben. Hieraus ergiebt &#x017F;ich, daß die mei&#x017F;ten Bewegungen der Pflanzen denjenigen &#x017F;ehr a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, die bey der thieri&#x017F;chen Ma&#x017F;chine durch die unwillku&#x0364;hrlichen Muskeln hervorgebracht werden.</p>
              <p>Die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabili&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers zu vermehren &#x017F;cheinen, &#x017F;ind: oxygenirte Koch&#x017F;alz&#x017F;a&#x0364;ure, oxydirte Metalle, Sauer&#x017F;toffgas, Wa&#x017F;&#x017F;er, koch&#x017F;alz&#x017F;aures Ammoniak, &#x017F;alpeterge&#x017F;a&#x0364;uerte Potta&#x017F;che, mit kohlen&#x017F;aurer Luft, Salpeter- Schwefel- Zucker- oder einer andern Sa&#x0364;ure gemi&#x017F;chtes Wa&#x017F;&#x017F;er, ma&#x0364;ßige Wa&#x0364;rme, Schwefel, ma&#x0364;ßig angewendete Elektricita&#x0364;t.</p>
              <p>Hingegen wird die Reizbarkeit vermindert durch heftige elektri&#x017F;che Schla&#x0364;ge, durch die Sonnen&#x017F;tralen, durch Opium, durch zu große Wa&#x0364;rme, kohlen&#x017F;aures Gas, Stick&#x017F;toff- oder nitro&#x0364;&#x017F;es Gas, wenn &#x017F;ie die Pflanze ganz umgeben, durch einen zu oft angebrachten Reiz. Abge&#x017F;chnittene Theile einiger Pflanzen verlieren, wenn &#x017F;ie auch nicht ins Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;etzt werden, die Contractilita&#x0364;t doch nicht &#x017F;o bald.</p>
              <p>Die Lebenskraft der Flu&#x0364;ßigkeiten, welche &#x017F;ich in den Gefa&#x0364;ßen befinden, i&#x017F;t in der Natur der Pflanzen und Sa&#x0364;ugthiere<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[693/0705] Hr. v. H. eine ausfuͤhrliche Vergleichung des Holzes und der Knochen an. Die Pflanzen haben mit den meiſten Thieren, deren Blut weiß und kalt iſt, auch dieſes gemein, daß ſie keine wahren Knochen haben. Das Holz ſcheint aus belebten, veralterten und verengten Gefaͤßen, der Pappus der Pflanzen allein aus unbelebten Elementen zu entſtehen. Bey keinem von beyden erſetzen ſich die verlornen Theile wieder, oder mit Blumenbach zu reden, bey keinem findet ſich Reproduction der Materie. Diejenigen Theile der Pflanzen, welche vorzuͤglich Lebenskraft oder Reizbarkeit beſitzen, ſind folgende: die Saftgefaͤße, das Zellgewebe, die Luftgefaͤße, welche durch jeden vegetabiliſchen Koͤrper mannichfaltig verbreitet ſind. Die Bewegung oder Contractilitaͤt einiger Staubfaͤden, Blaͤtter und Blattſtiele ſcheint zu zeigen, daß die Pflanzen auch Muskelfibern haben. Die Vegetabilien ſcheinen, wie die meiſten kalt- und weißbluͤtigen Thiere, keine Nerven zu haben. Hieraus ergiebt ſich, daß die meiſten Bewegungen der Pflanzen denjenigen ſehr aͤhnlich ſind, die bey der thieriſchen Maſchine durch die unwillkuͤhrlichen Muskeln hervorgebracht werden. Die Mittel, welche die Reizbarkeit des vegetabiliſchen Koͤrpers zu vermehren ſcheinen, ſind: oxygenirte Kochſalzſaͤure, oxydirte Metalle, Sauerſtoffgas, Waſſer, kochſalzſaures Ammoniak, ſalpetergeſaͤuerte Pottaſche, mit kohlenſaurer Luft, Salpeter- Schwefel- Zucker- oder einer andern Saͤure gemiſchtes Waſſer, maͤßige Waͤrme, Schwefel, maͤßig angewendete Elektricitaͤt. Hingegen wird die Reizbarkeit vermindert durch heftige elektriſche Schlaͤge, durch die Sonnenſtralen, durch Opium, durch zu große Waͤrme, kohlenſaures Gas, Stickſtoff- oder nitroͤſes Gas, wenn ſie die Pflanze ganz umgeben, durch einen zu oft angebrachten Reiz. Abgeſchnittene Theile einiger Pflanzen verlieren, wenn ſie auch nicht ins Waſſer geſetzt werden, die Contractilitaͤt doch nicht ſo bald. Die Lebenskraft der Fluͤßigkeiten, welche ſich in den Gefaͤßen befinden, iſt in der Natur der Pflanzen und Saͤugthiere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/705
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/705>, abgerufen am 25.06.2024.