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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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gemein haben. Den Phlogistikern ist der Vorwurf gemacht worden, daß sie in ihren Begriffen vom Brennstoffe, und in den daraus gegebnen Erklärungen, unter sich nicht einig wären. Die Sache selbst ist wahr. Außer den verschiedenen im Wörterbuche angeführten Vorstellungen und Lehrbegriffen vom Phlogiston kan man noch mehrere bey Herrn Lampadius (Kurze Darstellung der vorzüglichsten Theorien des Feuers. Göttingen, 1793. 8. S. 142 u. f.) finden, unter denen sich das von Herrn Wiegleb (in Crells chem. Ann. 1791. 11tem St.) verbesserte Stahlische System vortheilhaft auszeichnet. Allein dieses Argument kan gegen das Daseyn des Phlogistons selbst nichts beweisen, da eine solche Verschiedenheit der Vorstellungen bey Dingen, die nicht in die Sinne fallen, und nur aus ihren Wirkungen erkannt werden, sehr natürlich, und selbst bey den erhabensten Gegenständen des menschlichen Nachforschens eine gewöhnliche Erscheinung ist.

Stahl selbst drückt seine Idee vom Brennstoffe mit folgenden Worten aus: "Materiam et principium ignis "ego Phlogiston appellare coepi; nempe primum igne"scibile, inflammabile, directe atque eminenter ad calo"rem suscipiendum habile principium." Auch nennt er es das erste, eigentliche, gründliche brennliche Wesen (Zufällige Gedanken und nützliche Bedenken über den Streit vom sogenannten Sulphure. Halle, 1718.8. S.78). Stahl dachte sich also einen in den verbrennlichen Körpern enthaltenen Stoff, der die Ursache der Hitze und Flamme sey, und in dessen Abscheidung die Verbrennung bestehe. Und diesen Hauptbegrif haben auch alle phlogistische Systeme mit einander gemein, so verschieden sie übrigens denselben modificiren mögen.

Das antiphlogistische System des Hrn. Lavoisier und der neuern französischen Chemisten ist in diesem Artikel gleichfalls S. 468--470. erwähnt. Aber der vorzügliche Beyfall, den es seitdem erhalten hat, und der sich wenigstens in einigen Stücken auf erwiesene Thatsachen gründet, machte es nothwendig, in gegenwärtigem Supplementbande etwas mehr davon zu sagen, weshalb ich mich hier hauptsächlich


gemein haben. Den Phlogiſtikern iſt der Vorwurf gemacht worden, daß ſie in ihren Begriffen vom Brennſtoffe, und in den daraus gegebnen Erklaͤrungen, unter ſich nicht einig waͤren. Die Sache ſelbſt iſt wahr. Außer den verſchiedenen im Woͤrterbuche angefuͤhrten Vorſtellungen und Lehrbegriffen vom Phlogiſton kan man noch mehrere bey Herrn Lampadius (Kurze Darſtellung der vorzuͤglichſten Theorien des Feuers. Goͤttingen, 1793. 8. S. 142 u. f.) finden, unter denen ſich das von Herrn Wiegleb (in Crells chem. Ann. 1791. 11tem St.) verbeſſerte Stahliſche Syſtem vortheilhaft auszeichnet. Allein dieſes Argument kan gegen das Daſeyn des Phlogiſtons ſelbſt nichts beweiſen, da eine ſolche Verſchiedenheit der Vorſtellungen bey Dingen, die nicht in die Sinne fallen, und nur aus ihren Wirkungen erkannt werden, ſehr natuͤrlich, und ſelbſt bey den erhabenſten Gegenſtaͤnden des menſchlichen Nachforſchens eine gewoͤhnliche Erſcheinung iſt.

Stahl ſelbſt druͤckt ſeine Idee vom Brennſtoffe mit folgenden Worten aus: ”Materiam et principium ignis ”ego Phlogiſton appellare coepi; nempe primum igne”ſcibile, inflammabile, directe atque eminenter ad calo”rem ſuſcipiendum habile principium.“ Auch nennt er es das erſte, eigentliche, gruͤndliche brennliche Weſen (Zufaͤllige Gedanken und nuͤtzliche Bedenken uͤber den Streit vom ſogenannten Sulphure. Halle, 1718.8. S.78). Stahl dachte ſich alſo einen in den verbrennlichen Koͤrpern enthaltenen Stoff, der die Urſache der Hitze und Flamme ſey, und in deſſen Abſcheidung die Verbrennung beſtehe. Und dieſen Hauptbegrif haben auch alle phlogiſtiſche Syſteme mit einander gemein, ſo verſchieden ſie uͤbrigens denſelben modificiren moͤgen.

Das antiphlogiſtiſche Syſtem des Hrn. Lavoiſier und der neuern franzoͤſiſchen Chemiſten iſt in dieſem Artikel gleichfalls S. 468—470. erwaͤhnt. Aber der vorzuͤgliche Beyfall, den es ſeitdem erhalten hat, und der ſich wenigſtens in einigen Stuͤcken auf erwieſene Thatſachen gruͤndet, machte es nothwendig, in gegenwaͤrtigem Supplementbande etwas mehr davon zu ſagen, weshalb ich mich hier hauptſaͤchlich

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[696/0708] gemein haben. Den Phlogiſtikern iſt der Vorwurf gemacht worden, daß ſie in ihren Begriffen vom Brennſtoffe, und in den daraus gegebnen Erklaͤrungen, unter ſich nicht einig waͤren. Die Sache ſelbſt iſt wahr. Außer den verſchiedenen im Woͤrterbuche angefuͤhrten Vorſtellungen und Lehrbegriffen vom Phlogiſton kan man noch mehrere bey Herrn Lampadius (Kurze Darſtellung der vorzuͤglichſten Theorien des Feuers. Goͤttingen, 1793. 8. S. 142 u. f.) finden, unter denen ſich das von Herrn Wiegleb (in Crells chem. Ann. 1791. 11tem St.) verbeſſerte Stahliſche Syſtem vortheilhaft auszeichnet. Allein dieſes Argument kan gegen das Daſeyn des Phlogiſtons ſelbſt nichts beweiſen, da eine ſolche Verſchiedenheit der Vorſtellungen bey Dingen, die nicht in die Sinne fallen, und nur aus ihren Wirkungen erkannt werden, ſehr natuͤrlich, und ſelbſt bey den erhabenſten Gegenſtaͤnden des menſchlichen Nachforſchens eine gewoͤhnliche Erſcheinung iſt. Stahl ſelbſt druͤckt ſeine Idee vom Brennſtoffe mit folgenden Worten aus: ”Materiam et principium ignis ”ego Phlogiſton appellare coepi; nempe primum igne”ſcibile, inflammabile, directe atque eminenter ad calo”rem ſuſcipiendum habile principium.“ Auch nennt er es das erſte, eigentliche, gruͤndliche brennliche Weſen (Zufaͤllige Gedanken und nuͤtzliche Bedenken uͤber den Streit vom ſogenannten Sulphure. Halle, 1718.8. S.78). Stahl dachte ſich alſo einen in den verbrennlichen Koͤrpern enthaltenen Stoff, der die Urſache der Hitze und Flamme ſey, und in deſſen Abſcheidung die Verbrennung beſtehe. Und dieſen Hauptbegrif haben auch alle phlogiſtiſche Syſteme mit einander gemein, ſo verſchieden ſie uͤbrigens denſelben modificiren moͤgen. Das antiphlogiſtiſche Syſtem des Hrn. Lavoiſier und der neuern franzoͤſiſchen Chemiſten iſt in dieſem Artikel gleichfalls S. 468—470. erwaͤhnt. Aber der vorzuͤgliche Beyfall, den es ſeitdem erhalten hat, und der ſich wenigſtens in einigen Stuͤcken auf erwieſene Thatſachen gruͤndet, machte es nothwendig, in gegenwaͤrtigem Supplementbande etwas mehr davon zu ſagen, weshalb ich mich hier hauptſaͤchlich

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/708>, abgerufen am 26.06.2024.