8 maj.) gemacht worden. Er sieht mit Girtanner den Sauerstoff als Princip der Reizbarkeit und Lebenskraft an, erklärt den Scorbut aus Entziehung des Sauerstoffs, wovon das Fettwerden nur dem Grade nach verschieden sey; die Lungenschwindsucht hingegen aus dem Ueberflusse des Sauerstoffs, wodurch begreiflich wird, warum diese Krankheit während der Schwangerschaft stillstehe, warum Schwindsüchtigen das Einathmen der reinen Lebensluft schädlich, hingegen das Athmen der mit Stickgas vermischten Luft heilsam sey, u. s. w.
Allein dieses allgemeine Princip der Säuren ist nicht weniger hypothetisch, als es ehedem das Stahlische Phlogiston war. Soviel auch die Antiphlogistiker rühmen mögen, daß man es dem Maaß und Gewicht unterwerfen könne, so bleibt doch der Satz, daß das Gemessene und Gewogne die Säuren erzeuge, und bey allen Säurungen immer ein und ebenderselbe Stoff sey, eine blos angenommene Behauptung. Könnte man darthun, daß die Vitriol- oder Schwefelsäure im Schwefel, die Phosphorsäure im Phosphor, die Luftsäure in der Kohle u. s. w. schon vor der Verbrennung angetroffen würden, und sich ohne Zuthun eines Sauerstoffs aus diesen Körpern entwickeln ließen, so würde das Daseyn eines solchen Stoffs, wie ihn die Antiphlogistiker annehmen, gänzlich widerlegt seyn.
Man hat ferner eingewendet, in vielen Körpern, die nach den neuern Lehren das Oxygen in großer Menge enthalten sollen, sey doch schlechterdings keine Spur von Säure anzutreffen. Dies ist der Fall bey der dephlogistisirten Luft, und noch mehr bey dem Wasser, welches mehr Oxygen, als irgend ein anderer Körper, enthalten soll, und dennoch offenbar keine saure Beschaffenheit zeigt. Hierauf ist die Antwort, man behaupte ja nicht, daß das Oxygen selbst sauer sey, sondern nur, daß es in Verbindung mit einer säurefähigen Grundlage Säure erzeuge; es gehöre aber weder der Wärmestoff, mit dem es in der reinen Luft, noch der Wasserstoff, mit dem es im Wasser verbunden sey, zu den säurefähigen Grundlagen.
8 maj.) gemacht worden. Er ſieht mit Girtanner den Sauerſtoff als Princip der Reizbarkeit und Lebenskraft an, erklaͤrt den Scorbut aus Entziehung des Sauerſtoffs, wovon das Fettwerden nur dem Grade nach verſchieden ſey; die Lungenſchwindſucht hingegen aus dem Ueberfluſſe des Sauerſtoffs, wodurch begreiflich wird, warum dieſe Krankheit waͤhrend der Schwangerſchaft ſtillſtehe, warum Schwindſuͤchtigen das Einathmen der reinen Lebensluft ſchaͤdlich, hingegen das Athmen der mit Stickgas vermiſchten Luft heilſam ſey, u. ſ. w.
Allein dieſes allgemeine Princip der Saͤuren iſt nicht weniger hypothetiſch, als es ehedem das Stahliſche Phlogiſton war. Soviel auch die Antiphlogiſtiker ruͤhmen moͤgen, daß man es dem Maaß und Gewicht unterwerfen koͤnne, ſo bleibt doch der Satz, daß das Gemeſſene und Gewogne die Saͤuren erzeuge, und bey allen Saͤurungen immer ein und ebenderſelbe Stoff ſey, eine blos angenommene Behauptung. Koͤnnte man darthun, daß die Vitriol- oder Schwefelſaͤure im Schwefel, die Phosphorſaͤure im Phosphor, die Luftſaͤure in der Kohle u. ſ. w. ſchon vor der Verbrennung angetroffen wuͤrden, und ſich ohne Zuthun eines Sauerſtoffs aus dieſen Koͤrpern entwickeln ließen, ſo wuͤrde das Daſeyn eines ſolchen Stoffs, wie ihn die Antiphlogiſtiker annehmen, gaͤnzlich widerlegt ſeyn.
Man hat ferner eingewendet, in vielen Koͤrpern, die nach den neuern Lehren das Oxygen in großer Menge enthalten ſollen, ſey doch ſchlechterdings keine Spur von Saͤure anzutreffen. Dies iſt der Fall bey der dephlogiſtiſirten Luft, und noch mehr bey dem Waſſer, welches mehr Oxygen, als irgend ein anderer Koͤrper, enthalten ſoll, und dennoch offenbar keine ſaure Beſchaffenheit zeigt. Hierauf iſt die Antwort, man behaupte ja nicht, daß das Oxygen ſelbſt ſauer ſey, ſondern nur, daß es in Verbindung mit einer ſaͤurefaͤhigen Grundlage Saͤure erzeuge; es gehoͤre aber weder der Waͤrmeſtoff, mit dem es in der reinen Luft, noch der Waſſerſtoff, mit dem es im Waſſer verbunden ſey, zu den ſaͤurefaͤhigen Grundlagen.
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8 maj.) gemacht worden. Er ſieht mit Girtanner den Sauerſtoff als Princip der Reizbarkeit und Lebenskraft an, erklaͤrt den Scorbut aus Entziehung des Sauerſtoffs, wovon das Fettwerden nur dem Grade nach verſchieden ſey; die Lungenſchwindſucht hingegen aus dem Ueberfluſſe des Sauerſtoffs, wodurch begreiflich wird, warum dieſe Krankheit waͤhrend der Schwangerſchaft ſtillſtehe, warum Schwindſuͤchtigen das Einathmen der reinen Lebensluft ſchaͤdlich, hingegen das Athmen der mit Stickgas vermiſchten Luft heilſam ſey, u. ſ. w.
Allein dieſes allgemeine Princip der Saͤuren iſt nicht weniger hypothetiſch, als es ehedem das Stahliſche Phlogiſton war. Soviel auch die Antiphlogiſtiker ruͤhmen moͤgen, daß man es dem Maaß und Gewicht unterwerfen koͤnne, ſo bleibt doch der Satz, daß das Gemeſſene und Gewogne die Saͤuren erzeuge, und bey allen Saͤurungen immer ein und ebenderſelbe Stoff ſey, eine blos angenommene Behauptung. Koͤnnte man darthun, daß die Vitriol- oder Schwefelſaͤure im Schwefel, die Phosphorſaͤure im Phosphor, die Luftſaͤure in der Kohle u. ſ. w. ſchon vor der Verbrennung angetroffen wuͤrden, und ſich ohne Zuthun eines Sauerſtoffs aus dieſen Koͤrpern entwickeln ließen, ſo wuͤrde das Daſeyn eines ſolchen Stoffs, wie ihn die Antiphlogiſtiker annehmen, gaͤnzlich widerlegt ſeyn.
Man hat ferner eingewendet, in vielen Koͤrpern, die nach den neuern Lehren das Oxygen in großer Menge enthalten ſollen, ſey doch ſchlechterdings keine Spur von Saͤure anzutreffen. Dies iſt der Fall bey der dephlogiſtiſirten Luft, und noch mehr bey dem Waſſer, welches mehr Oxygen, als irgend ein anderer Koͤrper, enthalten ſoll, und dennoch offenbar keine ſaure Beſchaffenheit zeigt. Hierauf iſt die Antwort, man behaupte ja nicht, daß das Oxygen ſelbſt ſauer ſey, ſondern nur, daß es in Verbindung mit einer ſaͤurefaͤhigen Grundlage Saͤure erzeuge; es gehoͤre aber weder der Waͤrmeſtoff, mit dem es in der reinen Luft, noch der Waſſerſtoff, mit dem es im Waſſer verbunden ſey, zu den ſaͤurefaͤhigen Grundlagen.
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/820>, abgerufen am 22.11.2024.
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