Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.
Herr Lampadius, der das Auflösungssystem nicht annimmt, erklärt vielmehr die Entstehung des Thaues nach de Luc daraus, daß die wärmern aus der Erde steigenden Dünste zum Theil zersetzt werden, weil ihr Feuer sie verläßt, um das Gleichgewicht der Temperatur wiederherzustellen. Er glaubt, eigentlich thaue es auch bey Tage, nur daß hier durch mehreres Feuer und dessen stärkere expansive Kraft das Wasser gleich wieder von neuem verdünste. Aber wenn die Wirkung der Sonnenstralen aufhöre, so falle vielleicht auch ein Theil der ausdehnenden Kraft weg, welche diese als fortleitendes Fluidum dem Feuer geben; und da den Beobachtungen zufolge der Erdboden stets eine größere Menge Wärme (oder freyes Feuer) habe, als die Atmosphäre, so müssen sich alsdann die wärmern Dämpfe, welche in die kältere Luft aufsteigen, zum Theil zersetzen, und ihr Wasser müsse sich an die der Luft ausgesetzten Flächen anhängen. Bey dem verschiedenen Anlegen des Thaues an verschiedene Körper scheint es Herrn Lampadius vorzüglich darauf anzukommen, ob die Körper schon in einiger Entfernung ein Vermögen haben, die feinen Wassertheilchen anzuziehen. Einige, z. B. die Metalle, scheinen diese Theilchen gar zurückzustoßen. Ob dieses, wie Herr Hube glaubt, von der Elektricität, oder von der allgemeinen Anziehungskraft der Körper herrühre, wagt Herr L. nicht zu entscheiden. Inzwischen theilt er einige im Jul. 1792 angestellte Versuche mit, von denen ich hier nur das Wesentlichste anführen will. Mehrere Glasplatten, in verschiedenen Stellungen, Richtungen und Höhen über der Erde, wurden, wenn es thauete, immer befeuchtet, die horizontalen jedoch mehr, als die vertical gestellten, und am stärksten auf der untern Seite. Eine Glasplatte von 4 Quadratzoll Fläche, worauf ein Stück Stanniol von 2 Quadratzoll gelegt war, lag 1/2 Fuß über der Erde in geschnittenem Grase. Diese wurde am 10. Jul. Abends so bethauet, daß der Stanniol nebst
Herr Lampadius, der das Aufloͤſungsſyſtem nicht annimmt, erklaͤrt vielmehr die Entſtehung des Thaues nach de Luc daraus, daß die waͤrmern aus der Erde ſteigenden Duͤnſte zum Theil zerſetzt werden, weil ihr Feuer ſie verlaͤßt, um das Gleichgewicht der Temperatur wiederherzuſtellen. Er glaubt, eigentlich thaue es auch bey Tage, nur daß hier durch mehreres Feuer und deſſen ſtaͤrkere expanſive Kraft das Waſſer gleich wieder von neuem verduͤnſte. Aber wenn die Wirkung der Sonnenſtralen aufhoͤre, ſo falle vielleicht auch ein Theil der ausdehnenden Kraft weg, welche dieſe als fortleitendes Fluidum dem Feuer geben; und da den Beobachtungen zufolge der Erdboden ſtets eine groͤßere Menge Waͤrme (oder freyes Feuer) habe, als die Atmoſphaͤre, ſo muͤſſen ſich alsdann die waͤrmern Daͤmpfe, welche in die kaͤltere Luft aufſteigen, zum Theil zerſetzen, und ihr Waſſer muͤſſe ſich an die der Luft ausgeſetzten Flaͤchen anhaͤngen. Bey dem verſchiedenen Anlegen des Thaues an verſchiedene Koͤrper ſcheint es Herrn Lampadius vorzuͤglich darauf anzukommen, ob die Koͤrper ſchon in einiger Entfernung ein Vermoͤgen haben, die feinen Waſſertheilchen anzuziehen. Einige, z. B. die Metalle, ſcheinen dieſe Theilchen gar zuruͤckzuſtoßen. Ob dieſes, wie Herr Hube glaubt, von der Elektricitaͤt, oder von der allgemeinen Anziehungskraft der Koͤrper herruͤhre, wagt Herr L. nicht zu entſcheiden. Inzwiſchen theilt er einige im Jul. 1792 angeſtellte Verſuche mit, von denen ich hier nur das Weſentlichſte anfuͤhren will. Mehrere Glasplatten, in verſchiedenen Stellungen, Richtungen und Hoͤhen uͤber der Erde, wurden, wenn es thauete, immer befeuchtet, die horizontalen jedoch mehr, als die vertical geſtellten, und am ſtaͤrkſten auf der untern Seite. Eine Glasplatte von 4 Quadratzoll Flaͤche, worauf ein Stuͤck Stanniol von 2 Quadratzoll gelegt war, lag 1/2 Fuß uͤber der Erde in geſchnittenem Graſe. Dieſe wurde am 10. Jul. Abends ſo bethauet, daß der Stanniol nebſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0890" xml:id="P.5.878" n="878"/><lb/> auf eigne uͤber das Bethauen verſchiedener Koͤrper angeſtellte Beobachtungen widerſprochen.</p> <p>Herr <hi rendition="#b">Lampadius,</hi> der das Aufloͤſungsſyſtem nicht annimmt, erklaͤrt vielmehr die Entſtehung des Thaues nach <hi rendition="#b">de Luc</hi> daraus, daß die waͤrmern aus der Erde ſteigenden Duͤnſte zum Theil zerſetzt werden, weil ihr Feuer ſie verlaͤßt, um das Gleichgewicht der Temperatur wiederherzuſtellen. Er glaubt, eigentlich thaue es auch bey Tage, nur daß hier durch mehreres Feuer und deſſen ſtaͤrkere expanſive Kraft das Waſſer gleich wieder von neuem verduͤnſte. Aber wenn die Wirkung der Sonnenſtralen aufhoͤre, ſo falle vielleicht auch ein Theil der ausdehnenden Kraft weg, welche dieſe als fortleitendes Fluidum dem Feuer geben; und da den Beobachtungen zufolge der Erdboden ſtets eine groͤßere Menge Waͤrme (oder freyes Feuer) habe, als die Atmoſphaͤre, ſo muͤſſen ſich alsdann die waͤrmern Daͤmpfe, welche in die kaͤltere Luft aufſteigen, zum Theil zerſetzen, und ihr Waſſer muͤſſe ſich an die der Luft ausgeſetzten Flaͤchen anhaͤngen.</p> <p>Bey dem verſchiedenen Anlegen des Thaues an verſchiedene Koͤrper ſcheint es Herrn <hi rendition="#b">Lampadius</hi> vorzuͤglich darauf anzukommen, ob die Koͤrper ſchon in einiger Entfernung ein Vermoͤgen haben, die feinen Waſſertheilchen anzuziehen. Einige, z. B. die Metalle, ſcheinen dieſe Theilchen gar zuruͤckzuſtoßen. Ob dieſes, wie Herr <hi rendition="#b">Hube</hi> glaubt, von der Elektricitaͤt, oder von der allgemeinen Anziehungskraft der Koͤrper herruͤhre, wagt Herr L. nicht zu entſcheiden. Inzwiſchen theilt er einige im Jul. 1792 angeſtellte Verſuche mit, von denen ich hier nur das Weſentlichſte anfuͤhren will.</p> <p>Mehrere Glasplatten, in verſchiedenen Stellungen, Richtungen und Hoͤhen uͤber der Erde, wurden, wenn es thauete, immer befeuchtet, die horizontalen jedoch mehr, als die vertical geſtellten, und am ſtaͤrkſten auf der untern Seite. Eine Glasplatte von 4 Quadratzoll Flaͤche, worauf ein Stuͤck Stanniol von 2 Quadratzoll gelegt war, lag 1/2 Fuß uͤber der Erde in geſchnittenem Graſe. Dieſe wurde am 10. Jul. Abends ſo bethauet, daß der Stanniol nebſt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [878/0890]
auf eigne uͤber das Bethauen verſchiedener Koͤrper angeſtellte Beobachtungen widerſprochen.
Herr Lampadius, der das Aufloͤſungsſyſtem nicht annimmt, erklaͤrt vielmehr die Entſtehung des Thaues nach de Luc daraus, daß die waͤrmern aus der Erde ſteigenden Duͤnſte zum Theil zerſetzt werden, weil ihr Feuer ſie verlaͤßt, um das Gleichgewicht der Temperatur wiederherzuſtellen. Er glaubt, eigentlich thaue es auch bey Tage, nur daß hier durch mehreres Feuer und deſſen ſtaͤrkere expanſive Kraft das Waſſer gleich wieder von neuem verduͤnſte. Aber wenn die Wirkung der Sonnenſtralen aufhoͤre, ſo falle vielleicht auch ein Theil der ausdehnenden Kraft weg, welche dieſe als fortleitendes Fluidum dem Feuer geben; und da den Beobachtungen zufolge der Erdboden ſtets eine groͤßere Menge Waͤrme (oder freyes Feuer) habe, als die Atmoſphaͤre, ſo muͤſſen ſich alsdann die waͤrmern Daͤmpfe, welche in die kaͤltere Luft aufſteigen, zum Theil zerſetzen, und ihr Waſſer muͤſſe ſich an die der Luft ausgeſetzten Flaͤchen anhaͤngen.
Bey dem verſchiedenen Anlegen des Thaues an verſchiedene Koͤrper ſcheint es Herrn Lampadius vorzuͤglich darauf anzukommen, ob die Koͤrper ſchon in einiger Entfernung ein Vermoͤgen haben, die feinen Waſſertheilchen anzuziehen. Einige, z. B. die Metalle, ſcheinen dieſe Theilchen gar zuruͤckzuſtoßen. Ob dieſes, wie Herr Hube glaubt, von der Elektricitaͤt, oder von der allgemeinen Anziehungskraft der Koͤrper herruͤhre, wagt Herr L. nicht zu entſcheiden. Inzwiſchen theilt er einige im Jul. 1792 angeſtellte Verſuche mit, von denen ich hier nur das Weſentlichſte anfuͤhren will.
Mehrere Glasplatten, in verſchiedenen Stellungen, Richtungen und Hoͤhen uͤber der Erde, wurden, wenn es thauete, immer befeuchtet, die horizontalen jedoch mehr, als die vertical geſtellten, und am ſtaͤrkſten auf der untern Seite. Eine Glasplatte von 4 Quadratzoll Flaͤche, worauf ein Stuͤck Stanniol von 2 Quadratzoll gelegt war, lag 1/2 Fuß uͤber der Erde in geſchnittenem Graſe. Dieſe wurde am 10. Jul. Abends ſo bethauet, daß der Stanniol nebſt
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