Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G **
ihn zu fragen. Sein Ende schien immer
näher herbey zu kommen, und die Aerzte
selbst kündigten es ihm an. Es war um
Mitternacht, da er uns beyde plötzlich zu
sich rufen ließ. Er rang halb mit dem To-
de. Alles mußte aus der Stube. Dar-
auf fieng er mit gebrochenen und erpreßten
Worten an, sich und die Liebe auf das ab-
scheulichste zu verfluchen. Gott, wie war
uns dabey zu Muthe! Er nannte sich den
größten Missethäter, den die Welt gesehen
hätte. Jch bin, schrie er, Carlsons Mör-
der. Jch habe ihm mit eigener Hand Gift
beygebracht, um Marianen zu bekommen.
Jch Unsinniger! Welche Gerechtigkeit,
welch Urtheil wartet auf mich! Jch bin
verloren. Jch sehe ihn, ich sehe ihn! Bringt
mich um, rief er wieder. Mein Mann re-
dete ihm zu, er sollte sich besinnen, er würde
in einer starken Phantasie gelegen haben.
Nein, nein, rief er, es ist mehr als zu ge-
wiß. Mein Gewissen hat mich lange ge-
nug gemartert. Jch bin der Mörder mei-

nes
H 4

Gräfinn von G **
ihn zu fragen. Sein Ende ſchien immer
näher herbey zu kommen, und die Aerzte
ſelbſt kündigten es ihm an. Es war um
Mitternacht, da er uns beyde plötzlich zu
ſich rufen ließ. Er rang halb mit dem To-
de. Alles mußte aus der Stube. Dar-
auf fieng er mit gebrochenen und erpreßten
Worten an, ſich und die Liebe auf das ab-
ſcheulichſte zu verfluchen. Gott, wie war
uns dabey zu Muthe! Er nannte ſich den
größten Miſſethäter, den die Welt geſehen
hätte. Jch bin, ſchrie er, Carlſons Mör-
der. Jch habe ihm mit eigener Hand Gift
beygebracht, um Marianen zu bekommen.
Jch Unſinniger! Welche Gerechtigkeit,
welch Urtheil wartet auf mich! Jch bin
verloren. Jch ſehe ihn, ich ſehe ihn! Bringt
mich um, rief er wieder. Mein Mann re-
dete ihm zu, er ſollte ſich beſinnen, er würde
in einer ſtarken Phantaſie gelegen haben.
Nein, nein, rief er, es iſt mehr als zu ge-
wiß. Mein Gewiſſen hat mich lange ge-
nug gemartert. Jch bin der Mörder mei-

nes
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0119" n="119"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>
ihn zu fragen. Sein Ende &#x017F;chien immer<lb/>
näher herbey zu kommen, und die Aerzte<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t kündigten es ihm an. Es war um<lb/>
Mitternacht, da er uns beyde plötzlich zu<lb/>
&#x017F;ich rufen ließ. Er rang halb mit dem To-<lb/>
de. Alles mußte aus der Stube. Dar-<lb/>
auf fieng er mit gebrochenen und erpreßten<lb/>
Worten an, &#x017F;ich und die Liebe auf das ab-<lb/>
&#x017F;cheulich&#x017F;te zu verfluchen. Gott, wie war<lb/>
uns dabey zu Muthe! Er nannte &#x017F;ich den<lb/>
größten Mi&#x017F;&#x017F;ethäter, den die Welt ge&#x017F;ehen<lb/>
hätte. Jch bin, &#x017F;chrie er, Carl&#x017F;ons Mör-<lb/>
der. Jch habe ihm mit eigener Hand Gift<lb/>
beygebracht, um Marianen zu bekommen.<lb/>
Jch Un&#x017F;inniger! Welche Gerechtigkeit,<lb/>
welch Urtheil wartet auf mich! Jch bin<lb/>
verloren. Jch &#x017F;ehe ihn, ich &#x017F;ehe ihn! Bringt<lb/>
mich um, rief er wieder. Mein Mann re-<lb/>
dete ihm zu, er &#x017F;ollte &#x017F;ich be&#x017F;innen, er würde<lb/>
in einer &#x017F;tarken Phanta&#x017F;ie gelegen haben.<lb/>
Nein, nein, rief er, es i&#x017F;t mehr als zu ge-<lb/>
wiß. Mein Gewi&#x017F;&#x017F;en hat mich lange ge-<lb/>
nug gemartert. Jch bin der Mörder mei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0119] Gräfinn von G ** ihn zu fragen. Sein Ende ſchien immer näher herbey zu kommen, und die Aerzte ſelbſt kündigten es ihm an. Es war um Mitternacht, da er uns beyde plötzlich zu ſich rufen ließ. Er rang halb mit dem To- de. Alles mußte aus der Stube. Dar- auf fieng er mit gebrochenen und erpreßten Worten an, ſich und die Liebe auf das ab- ſcheulichſte zu verfluchen. Gott, wie war uns dabey zu Muthe! Er nannte ſich den größten Miſſethäter, den die Welt geſehen hätte. Jch bin, ſchrie er, Carlſons Mör- der. Jch habe ihm mit eigener Hand Gift beygebracht, um Marianen zu bekommen. Jch Unſinniger! Welche Gerechtigkeit, welch Urtheil wartet auf mich! Jch bin verloren. Jch ſehe ihn, ich ſehe ihn! Bringt mich um, rief er wieder. Mein Mann re- dete ihm zu, er ſollte ſich beſinnen, er würde in einer ſtarken Phantaſie gelegen haben. Nein, nein, rief er, es iſt mehr als zu ge- wiß. Mein Gewiſſen hat mich lange ge- nug gemartert. Jch bin der Mörder mei- nes H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/119
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/119>, abgerufen am 21.11.2024.