[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Leben der Schwedischen ihr auf einmal zwo Adern schlagen lassen.Sie schlief in meiner Stube, und versi- cherte mich, daß ihr viel besser zu Muthe wäre, und daß sie diese Nacht wohl zu schlafen hoffte. Der Morgen wies diese Prophezeyung aus. Jch warf kaum die Augen auf ihr Bette, so sah ich ganze Ströme Blut davon herunter laufen. Was konnte ich anders vermuthen, als daß ihr die Adern im Schlafe aufgegan- gen seyn würden? Mariane lag in einem fühllosen Schlummer, oder vielmehr in einer Ohnmacht. Jch schrie nach Hülfe, und wir banden ihr die Adern zu. Das entsetzlichste war, daß die Binden nicht abgefallen, sondern mit Fleiß aufgemacht zu seyn schienen. Mariane kam gegen Abend etwas wieder zu sich. Sie gestund, daß sie die Binden aus Lust zum Tode selbst aufgemacht hätte, und wünschte nichts mehr, als daß ihr Ende bald da seyn möchte. Sie küßte mich und sank, ohne ein Wort weiter zu reden, in einen Schlum-
Leben der Schwediſchen ihr auf einmal zwo Adern ſchlagen laſſen.Sie ſchlief in meiner Stube, und verſi- cherte mich, daß ihr viel beſſer zu Muthe wäre, und daß ſie dieſe Nacht wohl zu ſchlafen hoffte. Der Morgen wies dieſe Prophezeyung aus. Jch warf kaum die Augen auf ihr Bette, ſo ſah ich ganze Ströme Blut davon herunter laufen. Was konnte ich anders vermuthen, als daß ihr die Adern im Schlafe aufgegan- gen ſeyn würden? Mariane lag in einem fühlloſen Schlummer, oder vielmehr in einer Ohnmacht. Jch ſchrie nach Hülfe, und wir banden ihr die Adern zu. Das entſetzlichſte war, daß die Binden nicht abgefallen, ſondern mit Fleiß aufgemacht zu ſeyn ſchienen. Mariane kam gegen Abend etwas wieder zu ſich. Sie geſtund, daß ſie die Binden aus Luſt zum Tode ſelbſt aufgemacht hätte, und wünſchte nichts mehr, als daß ihr Ende bald da ſeyn möchte. Sie küßte mich und ſank, ohne ein Wort weiter zu reden, in einen Schlum-
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Leben der Schwediſchen
ihr auf einmal zwo Adern ſchlagen laſſen.
Sie ſchlief in meiner Stube, und verſi-
cherte mich, daß ihr viel beſſer zu Muthe
wäre, und daß ſie dieſe Nacht wohl zu
ſchlafen hoffte. Der Morgen wies dieſe
Prophezeyung aus. Jch warf kaum die
Augen auf ihr Bette, ſo ſah ich ganze
Ströme Blut davon herunter laufen.
Was konnte ich anders vermuthen, als
daß ihr die Adern im Schlafe aufgegan-
gen ſeyn würden? Mariane lag in einem
fühlloſen Schlummer, oder vielmehr in
einer Ohnmacht. Jch ſchrie nach Hülfe,
und wir banden ihr die Adern zu. Das
entſetzlichſte war, daß die Binden nicht
abgefallen, ſondern mit Fleiß aufgemacht
zu ſeyn ſchienen. Mariane kam gegen
Abend etwas wieder zu ſich. Sie geſtund,
daß ſie die Binden aus Luſt zum Tode
ſelbſt aufgemacht hätte, und wünſchte
nichts mehr, als daß ihr Ende bald da
ſeyn möchte. Sie küßte mich und ſank,
ohne ein Wort weiter zu reden, in einen
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