Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G **
che Mine durfte ihm entfahren. Wie er
vor meiner Ehe mit mir umgegangen war,
so gien er itzt mit mir um. Er unterhielt
mich mit Freundschaft und Hochachtung,
und beförderte mein und meines Grafen
Vergnügen mit Aufopferung des seinigen.
Er war oft ganze Tage bey mir allein. Jch
glaube, daß ich so viel Schwachheit gehabt
hätte, ihn anzuhören, wenn er an die vori-
gen Zeiten gedacht hätte. Und wer weis,
ob ich ihm nicht wider meinen Willen durch
manchen Blick ein stummes Bekenntniß
von meiner Liebe gethan habe, so gewissen-
haft ich auch mit ihm umgieng, und so sehr
ich meinen Grafen liebte. Ueber die Ge-
genwart der Caroline erstaunte der Graf
sehr. Er hätte es lieber gesehen, wenn sie
unsere Wohnung verlassen hätte. Allein
ich bat ihn, daß er mir ihre Gesellschaft
nicht entziehen sollte. Können sie meiner
Tugend trauen, sagte ich zu ihm, so müssen
sie wissen, daß ich der ihrigen gewiß bin.
Das Schicksal der beyden Kinder, die er mit
Carolinen erzeugt, war eine Sache, die ihn
oft ganze Stunden niedergeschlagen machte.
Er führte sich indessen gegen Carolinen sehr
liebreich auf. Er scherzte oft mit uns bey-

den

Gräfinn von G **
che Mine durfte ihm entfahren. Wie er
vor meiner Ehe mit mir umgegangen war,
ſo gien er itzt mit mir um. Er unterhielt
mich mit Freundſchaft und Hochachtung,
und beförderte mein und meines Grafen
Vergnügen mit Aufopferung des ſeinigen.
Er war oft ganze Tage bey mir allein. Jch
glaube, daß ich ſo viel Schwachheit gehabt
hätte, ihn anzuhören, wenn er an die vori-
gen Zeiten gedacht hätte. Und wer weis,
ob ich ihm nicht wider meinen Willen durch
manchen Blick ein ſtummes Bekenntniß
von meiner Liebe gethan habe, ſo gewiſſen-
haft ich auch mit ihm umgieng, und ſo ſehr
ich meinen Grafen liebte. Ueber die Ge-
genwart der Caroline erſtaunte der Graf
ſehr. Er hätte es lieber geſehen, wenn ſie
unſere Wohnung verlaſſen hätte. Allein
ich bat ihn, daß er mir ihre Geſellſchaft
nicht entziehen ſollte. Können ſie meiner
Tugend trauen, ſagte ich zu ihm, ſo müſſen
ſie wiſſen, daß ich der ihrigen gewiß bin.
Das Schickſal der beyden Kinder, die er mit
Carolinen erzeugt, war eine Sache, die ihn
oft ganze Stunden niedergeſchlagen machte.
Er führte ſich indeſſen gegen Carolinen ſehr
liebreich auf. Er ſcherzte oft mit uns bey-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0143" n="143"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>
che Mine durfte ihm entfahren. Wie er<lb/>
vor meiner Ehe mit mir umgegangen war,<lb/>
&#x017F;o gien er itzt mit mir um. Er unterhielt<lb/>
mich mit Freund&#x017F;chaft und Hochachtung,<lb/>
und beförderte mein und meines Grafen<lb/>
Vergnügen mit Aufopferung des &#x017F;einigen.<lb/>
Er war oft ganze Tage bey mir allein. Jch<lb/>
glaube, daß ich &#x017F;o viel Schwachheit gehabt<lb/>
hätte, ihn anzuhören, wenn er an die vori-<lb/>
gen Zeiten gedacht hätte. Und wer weis,<lb/>
ob ich ihm nicht wider meinen Willen durch<lb/>
manchen Blick ein &#x017F;tummes Bekenntniß<lb/>
von meiner Liebe gethan habe, &#x017F;o gewi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
haft ich auch mit ihm umgieng, und &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
ich meinen Grafen liebte. Ueber die Ge-<lb/>
genwart der Caroline er&#x017F;taunte der Graf<lb/>
&#x017F;ehr. Er hätte es lieber ge&#x017F;ehen, wenn &#x017F;ie<lb/>
un&#x017F;ere Wohnung verla&#x017F;&#x017F;en hätte. Allein<lb/>
ich bat ihn, daß er mir ihre Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
nicht entziehen &#x017F;ollte. Können &#x017F;ie meiner<lb/>
Tugend trauen, &#x017F;agte ich zu ihm, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en, daß ich der ihrigen gewiß bin.<lb/>
Das Schick&#x017F;al der beyden Kinder, die er mit<lb/>
Carolinen erzeugt, war eine Sache, die ihn<lb/>
oft ganze Stunden niederge&#x017F;chlagen machte.<lb/>
Er führte &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en gegen Carolinen &#x017F;ehr<lb/>
liebreich auf. Er &#x017F;cherzte oft mit uns bey-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0143] Gräfinn von G ** che Mine durfte ihm entfahren. Wie er vor meiner Ehe mit mir umgegangen war, ſo gien er itzt mit mir um. Er unterhielt mich mit Freundſchaft und Hochachtung, und beförderte mein und meines Grafen Vergnügen mit Aufopferung des ſeinigen. Er war oft ganze Tage bey mir allein. Jch glaube, daß ich ſo viel Schwachheit gehabt hätte, ihn anzuhören, wenn er an die vori- gen Zeiten gedacht hätte. Und wer weis, ob ich ihm nicht wider meinen Willen durch manchen Blick ein ſtummes Bekenntniß von meiner Liebe gethan habe, ſo gewiſſen- haft ich auch mit ihm umgieng, und ſo ſehr ich meinen Grafen liebte. Ueber die Ge- genwart der Caroline erſtaunte der Graf ſehr. Er hätte es lieber geſehen, wenn ſie unſere Wohnung verlaſſen hätte. Allein ich bat ihn, daß er mir ihre Geſellſchaft nicht entziehen ſollte. Können ſie meiner Tugend trauen, ſagte ich zu ihm, ſo müſſen ſie wiſſen, daß ich der ihrigen gewiß bin. Das Schickſal der beyden Kinder, die er mit Carolinen erzeugt, war eine Sache, die ihn oft ganze Stunden niedergeſchlagen machte. Er führte ſich indeſſen gegen Carolinen ſehr liebreich auf. Er ſcherzte oft mit uns bey- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/143
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/143>, abgerufen am 21.11.2024.