[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** Gerichten besetzt. Dieses war die Anstaltzu meiner Vermählung. Sie wird man- cher Braut lächerlich und armselig vor- kommen. Gleichwohl war ich sehr wohl damit zufrieden. Jch war ruhig, oder besser zu reden, ich konnte recht zärtlich unruhig seyn, weil mich nichts von dem rauschenden Lärmen störte, der bey den gewöhnlichen Hochzeitfesten zur Quaal der Vermählten zu seyn pflegt. Nach der Tafel fuhren wir spatzieren, und zwar zu dem Herrn R -- der meinen Gemahl auf seinen Reisen begleitet hatte, und itzt auf einem kleinen Landgute etliche Meilen von uns wohnte. Mein Gemahl liebte diesen Mann ungemein. Hier bringe ich ihnen, fieng er zu ihm an, meine liebe Gemahlinn. Jch habe mich heute mit ihr trauen lassen. Jst es nicht wahr, ich habe vortrefflich gewählet? Sie sollen ein Zeuge von meinem und ihrem Vergnügen seyn; kommen sie, und begleiten sie uns wieder zurück. Wir fuhren also in seiner Gesell- B 3
Gräfinn von G ** Gerichten beſetzt. Dieſes war die Anſtaltzu meiner Vermählung. Sie wird man- cher Braut lächerlich und armſelig vor- kommen. Gleichwohl war ich ſehr wohl damit zufrieden. Jch war ruhig, oder beſſer zu reden, ich konnte recht zärtlich unruhig ſeyn, weil mich nichts von dem rauſchenden Lärmen ſtörte, der bey den gewöhnlichen Hochzeitfeſten zur Quaal der Vermählten zu ſeyn pflegt. Nach der Tafel fuhren wir ſpatzieren, und zwar zu dem Herrn R ‒‒ der meinen Gemahl auf ſeinen Reiſen begleitet hatte, und itzt auf einem kleinen Landgute etliche Meilen von uns wohnte. Mein Gemahl liebte dieſen Mann ungemein. Hier bringe ich ihnen, fieng er zu ihm an, meine liebe Gemahlinn. Jch habe mich heute mit ihr trauen laſſen. Jſt es nicht wahr, ich habe vortrefflich gewählet? Sie ſollen ein Zeuge von meinem und ihrem Vergnügen ſeyn; kommen ſie, und begleiten ſie uns wieder zurück. Wir fuhren alſo in ſeiner Geſell- B 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="21"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/> Gerichten beſetzt. Dieſes war die Anſtalt<lb/> zu meiner Vermählung. Sie wird man-<lb/> cher Braut lächerlich und armſelig vor-<lb/> kommen. Gleichwohl war ich ſehr wohl<lb/> damit zufrieden. Jch war ruhig, oder<lb/> beſſer zu reden, ich konnte recht zärtlich<lb/> unruhig ſeyn, weil mich nichts von dem<lb/> rauſchenden Lärmen ſtörte, der bey den<lb/> gewöhnlichen Hochzeitfeſten zur Quaal<lb/> der Vermählten zu ſeyn pflegt. Nach<lb/> der Tafel fuhren wir ſpatzieren, und zwar<lb/> zu dem Herrn R ‒‒ der meinen Gemahl<lb/> auf ſeinen Reiſen begleitet hatte, und itzt<lb/> auf einem kleinen Landgute etliche Meilen<lb/> von uns wohnte. Mein Gemahl liebte<lb/> dieſen Mann ungemein. Hier bringe ich<lb/> ihnen, fieng er zu ihm an, meine liebe<lb/> Gemahlinn. Jch habe mich heute mit<lb/> ihr trauen laſſen. Jſt es nicht wahr, ich<lb/> habe vortrefflich gewählet? Sie ſollen ein<lb/> Zeuge von meinem und ihrem Vergnügen<lb/> ſeyn; kommen ſie, und begleiten ſie uns<lb/> wieder zurück. Wir fuhren alſo in ſeiner<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Geſell-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0021]
Gräfinn von G **
Gerichten beſetzt. Dieſes war die Anſtalt
zu meiner Vermählung. Sie wird man-
cher Braut lächerlich und armſelig vor-
kommen. Gleichwohl war ich ſehr wohl
damit zufrieden. Jch war ruhig, oder
beſſer zu reden, ich konnte recht zärtlich
unruhig ſeyn, weil mich nichts von dem
rauſchenden Lärmen ſtörte, der bey den
gewöhnlichen Hochzeitfeſten zur Quaal
der Vermählten zu ſeyn pflegt. Nach
der Tafel fuhren wir ſpatzieren, und zwar
zu dem Herrn R ‒‒ der meinen Gemahl
auf ſeinen Reiſen begleitet hatte, und itzt
auf einem kleinen Landgute etliche Meilen
von uns wohnte. Mein Gemahl liebte
dieſen Mann ungemein. Hier bringe ich
ihnen, fieng er zu ihm an, meine liebe
Gemahlinn. Jch habe mich heute mit
ihr trauen laſſen. Jſt es nicht wahr, ich
habe vortrefflich gewählet? Sie ſollen ein
Zeuge von meinem und ihrem Vergnügen
ſeyn; kommen ſie, und begleiten ſie uns
wieder zurück. Wir fuhren alſo in ſeiner
Geſell-
B 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |