Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
dert Ducaten, daß er seine Umstände
desto bequemer einrichten könnte. Wir
versprachen auch, ihn so bald zu besu-
chen, als es die Jahrszeit und meine
Umstände erlauben würden; denn ich war
mit einer Tochter darnieder gekommen.
Wir reiseten den folgenden Frühling
nach dem Haag ab. Wir fanden an
unserm Carlson und seiner Frau ein Paar
Eheleute, die einander werth waren.
Mariane war ein ganz außerordentlich
schönes Frauenzimmer. Sie war blond,
und hatte ein Paar große blaue und
schmachtende Augen, die sich zu schämen
schienen, daß sie die Verräther von ei-
nem sehr zärtlichen Herzen seyn sollten.
Und wenn auch die übrigen Theile ihres
Gesichts nicht so ausnehmend wohlge-
stalt und recht abgemessen gewesen wä-
ren: so hätte sie doch bloß ihrer Augen
wegen den Namen einer Schönheit ver-
dient. Von ihrem Verstande will ich
nicht viel sagen. Sie war in dem Klo-

ster

Leben der Schwediſchen
dert Ducaten, daß er ſeine Umſtände
deſto bequemer einrichten könnte. Wir
verſprachen auch, ihn ſo bald zu beſu-
chen, als es die Jahrszeit und meine
Umſtände erlauben würden; denn ich war
mit einer Tochter darnieder gekommen.
Wir reiſeten den folgenden Frühling
nach dem Haag ab. Wir fanden an
unſerm Carlſon und ſeiner Frau ein Paar
Eheleute, die einander werth waren.
Mariane war ein ganz außerordentlich
ſchönes Frauenzimmer. Sie war blond,
und hatte ein Paar große blaue und
ſchmachtende Augen, die ſich zu ſchämen
ſchienen, daß ſie die Verräther von ei-
nem ſehr zärtlichen Herzen ſeyn ſollten.
Und wenn auch die übrigen Theile ihres
Geſichts nicht ſo ausnehmend wohlge-
ſtalt und recht abgemeſſen geweſen wä-
ren: ſo hätte ſie doch bloß ihrer Augen
wegen den Namen einer Schönheit ver-
dient. Von ihrem Verſtande will ich
nicht viel ſagen. Sie war in dem Klo-

ſter
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
dert Ducaten, daß er &#x017F;eine Um&#x017F;tände<lb/>
de&#x017F;to bequemer einrichten könnte. Wir<lb/>
ver&#x017F;prachen auch, ihn &#x017F;o bald zu be&#x017F;u-<lb/>
chen, als es die Jahrszeit und meine<lb/>
Um&#x017F;tände erlauben würden; denn ich war<lb/>
mit einer Tochter darnieder gekommen.<lb/>
Wir rei&#x017F;eten den folgenden Frühling<lb/>
nach dem Haag ab. Wir fanden an<lb/>
un&#x017F;erm Carl&#x017F;on und &#x017F;einer Frau ein Paar<lb/>
Eheleute, die einander werth waren.<lb/>
Mariane war ein ganz außerordentlich<lb/>
&#x017F;chönes Frauenzimmer. Sie war blond,<lb/>
und hatte ein Paar große blaue und<lb/>
&#x017F;chmachtende Augen, die &#x017F;ich zu &#x017F;chämen<lb/>
&#x017F;chienen, daß &#x017F;ie die Verräther von ei-<lb/>
nem &#x017F;ehr zärtlichen Herzen &#x017F;eyn &#x017F;ollten.<lb/>
Und wenn auch die übrigen Theile ihres<lb/>
Ge&#x017F;ichts nicht &#x017F;o ausnehmend wohlge-<lb/>
&#x017F;talt und recht abgeme&#x017F;&#x017F;en gewe&#x017F;en wä-<lb/>
ren: &#x017F;o hätte &#x017F;ie doch bloß ihrer Augen<lb/>
wegen den Namen einer Schönheit ver-<lb/>
dient. Von ihrem Ver&#x017F;tande will ich<lb/>
nicht viel &#x017F;agen. Sie war in dem Klo-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ter</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0082] Leben der Schwediſchen dert Ducaten, daß er ſeine Umſtände deſto bequemer einrichten könnte. Wir verſprachen auch, ihn ſo bald zu beſu- chen, als es die Jahrszeit und meine Umſtände erlauben würden; denn ich war mit einer Tochter darnieder gekommen. Wir reiſeten den folgenden Frühling nach dem Haag ab. Wir fanden an unſerm Carlſon und ſeiner Frau ein Paar Eheleute, die einander werth waren. Mariane war ein ganz außerordentlich ſchönes Frauenzimmer. Sie war blond, und hatte ein Paar große blaue und ſchmachtende Augen, die ſich zu ſchämen ſchienen, daß ſie die Verräther von ei- nem ſehr zärtlichen Herzen ſeyn ſollten. Und wenn auch die übrigen Theile ihres Geſichts nicht ſo ausnehmend wohlge- ſtalt und recht abgemeſſen geweſen wä- ren: ſo hätte ſie doch bloß ihrer Augen wegen den Namen einer Schönheit ver- dient. Von ihrem Verſtande will ich nicht viel ſagen. Sie war in dem Klo- ſter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/82
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/82>, abgerufen am 21.11.2024.