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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

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Gräfinn von G**
stimmte, daß ich doch dem Verdachte der
Eigenliebe oder dem Vorwurfe einer stol-
zen Demuth nicht würde entgehen kön-
nen.

Jch war sechzehn Jahre alt, da ich an
den Schwedischen Grafen von G. verhey-
rathet wurde. Mit dieser Heyrath gieng
es folgender massen zu. Der Graf hatte
in dem Liefländischen Güter, und zwar la-
gen sie nahe an meines Vaters Rittersitze.
Das Jahr vor meiner Heyrath hatte der
Graf nebst seinem Vater eine Reise aus
Schweden auf diese Güter gethan. Er
hatte mich etlichemal bey meinem Vetter
gesehen und gesprochen. Jch hatte ihm
gefallen, ohne mich darum zu bestreben.
Jch war ein armes Fräulein; wie konnte
ich also auf die Gedanken kommen, einen
Grafen zu fesseln, der sehr reich, sehr
wohlgebildet, angesehen bey Hofe, schon
ein Obrister über ein Regiment, und viel-
leicht bey einer Prinzeßinn willkommen

war?
A 5

Gräfinn von G**
ſtimmte, daß ich doch dem Verdachte der
Eigenliebe oder dem Vorwurfe einer ſtol-
zen Demuth nicht würde entgehen kön-
nen.

Jch war ſechzehn Jahre alt, da ich an
den Schwediſchen Grafen von G. verhey-
rathet wurde. Mit dieſer Heyrath gieng
es folgender maſſen zu. Der Graf hatte
in dem Liefländiſchen Güter, und zwar la-
gen ſie nahe an meines Vaters Ritterſitze.
Das Jahr vor meiner Heyrath hatte der
Graf nebſt ſeinem Vater eine Reiſe aus
Schweden auf dieſe Güter gethan. Er
hatte mich etlichemal bey meinem Vetter
geſehen und geſprochen. Jch hatte ihm
gefallen, ohne mich darum zu beſtreben.
Jch war ein armes Fräulein; wie konnte
ich alſo auf die Gedanken kommen, einen
Grafen zu feſſeln, der ſehr reich, ſehr
wohlgebildet, angeſehen bey Hofe, ſchon
ein Obriſter über ein Regiment, und viel-
leicht bey einer Prinzeßinn willkommen

war?
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[9/0009] Gräfinn von G** ſtimmte, daß ich doch dem Verdachte der Eigenliebe oder dem Vorwurfe einer ſtol- zen Demuth nicht würde entgehen kön- nen. Jch war ſechzehn Jahre alt, da ich an den Schwediſchen Grafen von G. verhey- rathet wurde. Mit dieſer Heyrath gieng es folgender maſſen zu. Der Graf hatte in dem Liefländiſchen Güter, und zwar la- gen ſie nahe an meines Vaters Ritterſitze. Das Jahr vor meiner Heyrath hatte der Graf nebſt ſeinem Vater eine Reiſe aus Schweden auf dieſe Güter gethan. Er hatte mich etlichemal bey meinem Vetter geſehen und geſprochen. Jch hatte ihm gefallen, ohne mich darum zu beſtreben. Jch war ein armes Fräulein; wie konnte ich alſo auf die Gedanken kommen, einen Grafen zu feſſeln, der ſehr reich, ſehr wohlgebildet, angeſehen bey Hofe, ſchon ein Obriſter über ein Regiment, und viel- leicht bey einer Prinzeßinn willkommen war? A 5

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/9>, abgerufen am 21.11.2024.