[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen gen, sprach ich; mein Gemahl hat mirs gesagt,daß die, unter welchen ein S. stünde, von ih- nen wären. Er mag sie mit diesen Arbeiten wohl recht gequält haben. Ach, sprach er, Madam, sie könnten mich für alle meine Mühe auf einmal belohnen. Aber nein - - -. Jch wußte in der That nicht, was er verlangte, und ich bat ihn recht inständig, daß er mirs sagen sollte. Wollen sie mirs vergeben, rief er, wenn ichs ihnen gestehe? denn es ist eine Verwegenheit. Ja, sagen sies. Er öffnete darauf die Thüre von dem vorhergehenden Zimmer und wies auf mein Portrait. Madam, dieses Geschenk wollte ich mir wünschen, wenn ich Siberien ver- lasse. Diese Bitte war mir das angenehm- ste, was ich von ihm gehöret hatte. Jch gab ihm durch die Art, mit der ich sie anhörte, das Recht, sie zu wiederholen, und er hatte schon das Herz, mich bey der Hand zu fassen und meiner Hand durch die seine, ich weis nicht was für verbindliche Dinge, zu sagen. Jch begab mich geschwind mit ihm in das Tafelzimmer zurück, um gleichsam der Gewalt zu entfliehen, die er mei- nem Herzen anthat. Er merkte seinen Sieg nicht, und glaubte vielmehr, mich beleidiget zu haben. Er war von der Zeit an fast ganze acht Tage hindurch nichts als ein Freund, der mir durch eine strenge Ehrerbietung gefallen, oder ein Gast, der durch eine dankbare Schamhaf- tigkeit meine Höflichk iten, die ich ihm alle Mit- tage erwies, bezahlen wollte. Jch konnte mich in das Geheimniß unsrer Herzen nicht finden. Wir
Leben der Schwediſchen gen, ſprach ich; mein Gemahl hat mirs geſagt,daß die, unter welchen ein S. ſtuͤnde, von ih- nen waͤren. Er mag ſie mit dieſen Arbeiten wohl recht gequaͤlt haben. Ach, ſprach er, Madam, ſie koͤnnten mich fuͤr alle meine Muͤhe auf einmal belohnen. Aber nein ‒ ‒ ‒. Jch wußte in der That nicht, was er verlangte, und ich bat ihn recht inſtaͤndig, daß er mirs ſagen ſollte. Wollen ſie mirs vergeben, rief er, wenn ichs ihnen geſtehe? denn es iſt eine Verwegenheit. Ja, ſagen ſies. Er oͤffnete darauf die Thuͤre von dem vorhergehenden Zimmer und wies auf mein Portrait. Madam, dieſes Geſchenk wollte ich mir wuͤnſchen, wenn ich Siberien ver- laſſe. Dieſe Bitte war mir das angenehm- ſte, was ich von ihm gehoͤret hatte. Jch gab ihm durch die Art, mit der ich ſie anhoͤrte, das Recht, ſie zu wiederholen, und er hatte ſchon das Herz, mich bey der Hand zu faſſen und meiner Hand durch die ſeine, ich weis nicht was fuͤr verbindliche Dinge, zu ſagen. Jch begab mich geſchwind mit ihm in das Tafelzimmer zuruͤck, um gleichſam der Gewalt zu entfliehen, die er mei- nem Herzen anthat. Er merkte ſeinen Sieg nicht, und glaubte vielmehr, mich beleidiget zu haben. Er war von der Zeit an faſt ganze acht Tage hindurch nichts als ein Freund, der mir durch eine ſtrenge Ehrerbietung gefallen, oder ein Gaſt, der durch eine dankbare Schamhaf- tigkeit meine Hoͤflichk iten, die ich ihm alle Mit- tage erwies, bezahlen wollte. Jch konnte mich in das Geheimniß unſrer Herzen nicht finden. Wir
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0106" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwediſchen</hi></fw><lb/> gen, ſprach ich; mein Gemahl hat mirs geſagt,<lb/> daß die, unter welchen ein S. ſtuͤnde, von ih-<lb/> nen waͤren. Er mag ſie mit dieſen Arbeiten<lb/> wohl recht gequaͤlt haben. Ach, ſprach er,<lb/> Madam, ſie koͤnnten mich fuͤr alle meine Muͤhe<lb/> auf einmal belohnen. Aber nein ‒ ‒ ‒. Jch<lb/> wußte in der That nicht, was er verlangte, und<lb/> ich bat ihn recht inſtaͤndig, daß er mirs ſagen<lb/> ſollte. Wollen ſie mirs vergeben, rief er, wenn<lb/> ichs ihnen geſtehe? denn es iſt eine Verwegenheit.<lb/> Ja, ſagen ſies. Er oͤffnete darauf die Thuͤre<lb/> von dem vorhergehenden Zimmer und wies auf<lb/> mein Portrait. Madam, dieſes Geſchenk<lb/> wollte ich mir wuͤnſchen, wenn ich Siberien ver-<lb/> laſſe. Dieſe Bitte war mir das angenehm-<lb/> ſte, was ich von ihm gehoͤret hatte. Jch gab<lb/> ihm durch die Art, mit der ich ſie anhoͤrte, das<lb/> Recht, ſie zu wiederholen, und er hatte ſchon das<lb/> Herz, mich bey der Hand zu faſſen und meiner<lb/> Hand durch die ſeine, ich weis nicht was fuͤr<lb/> verbindliche Dinge, zu ſagen. Jch begab mich<lb/> geſchwind mit ihm in das Tafelzimmer zuruͤck,<lb/> um gleichſam der Gewalt zu entfliehen, die er mei-<lb/> nem Herzen anthat. Er merkte ſeinen Sieg<lb/> nicht, und glaubte vielmehr, mich beleidiget zu<lb/> haben. Er war von der Zeit an faſt ganze acht<lb/> Tage hindurch nichts als ein Freund, der mir<lb/> durch eine ſtrenge Ehrerbietung gefallen, oder<lb/> ein Gaſt, der durch eine dankbare Schamhaf-<lb/> tigkeit meine Hoͤflichk iten, die ich ihm alle Mit-<lb/> tage erwies, bezahlen wollte. Jch konnte mich<lb/> in das Geheimniß unſrer Herzen nicht finden.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Wir</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [106/0106]
Leben der Schwediſchen
gen, ſprach ich; mein Gemahl hat mirs geſagt,
daß die, unter welchen ein S. ſtuͤnde, von ih-
nen waͤren. Er mag ſie mit dieſen Arbeiten
wohl recht gequaͤlt haben. Ach, ſprach er,
Madam, ſie koͤnnten mich fuͤr alle meine Muͤhe
auf einmal belohnen. Aber nein ‒ ‒ ‒. Jch
wußte in der That nicht, was er verlangte, und
ich bat ihn recht inſtaͤndig, daß er mirs ſagen
ſollte. Wollen ſie mirs vergeben, rief er, wenn
ichs ihnen geſtehe? denn es iſt eine Verwegenheit.
Ja, ſagen ſies. Er oͤffnete darauf die Thuͤre
von dem vorhergehenden Zimmer und wies auf
mein Portrait. Madam, dieſes Geſchenk
wollte ich mir wuͤnſchen, wenn ich Siberien ver-
laſſe. Dieſe Bitte war mir das angenehm-
ſte, was ich von ihm gehoͤret hatte. Jch gab
ihm durch die Art, mit der ich ſie anhoͤrte, das
Recht, ſie zu wiederholen, und er hatte ſchon das
Herz, mich bey der Hand zu faſſen und meiner
Hand durch die ſeine, ich weis nicht was fuͤr
verbindliche Dinge, zu ſagen. Jch begab mich
geſchwind mit ihm in das Tafelzimmer zuruͤck,
um gleichſam der Gewalt zu entfliehen, die er mei-
nem Herzen anthat. Er merkte ſeinen Sieg
nicht, und glaubte vielmehr, mich beleidiget zu
haben. Er war von der Zeit an faſt ganze acht
Tage hindurch nichts als ein Freund, der mir
durch eine ſtrenge Ehrerbietung gefallen, oder
ein Gaſt, der durch eine dankbare Schamhaf-
tigkeit meine Hoͤflichk iten, die ich ihm alle Mit-
tage erwies, bezahlen wollte. Jch konnte mich
in das Geheimniß unſrer Herzen nicht finden.
Wir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |