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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
len, aber noch an dem Selbstmorde gehindert
worden wäre. Er bat uns, ob wir nicht zur
Verbesserung seiner elenden Umstände etwas bey-
tragen und ihn mit einigen Arzneyen versehen las-
sen wollten, damit nicht die Krankheit des Ge-
müths durch ein verdorbnes Blut noch mehr unter-
halten würde. Weil es schien, daß er die be-
sondern Umstände dieses Menschen mit Fleiß ver-
schwieg: so wollten wir nicht zur Unzeit neugierig
seyn. Wir fragten also nichts, als wo er anzu-
treffen wäre. Er nannte uns eine alte Schiffe-
rinn, die ihn, wie er gehört, nur vor etlichen Ta-
gen in ihre Hütte aus Mitleiden eingenommen,
in der er sich gestern durch ein Messer, doch
ohne Lebensgefahr, verwundet hätte. Wir sag-
ten ihm, daß er nicht bitten, sondern uns vorschrei-
ben sollte, wie ers mit dem Kranken gehalten
wissen wollte; weil wir gar keine Ueberwindung
nöthig hätten, einem Elenden mit einem Theile von
unserm Vermögen zu dienen. Wir schickten ihm,
sobald der Geistliche weg war, Betten und an-
dere Sachen. Unser Doctor mußte kommen, und
das unglückliche Mädchen, von der ich oben geredt
habe, und die itzt Aufseherinn in meinem Hause
war, mußte ihn zu dem Kranken begleiten, um zu
hören, was er für Anstalten wegen der Speisen
und des Getränks machen würde, damit sie alles
nach seiner Vorschrift einrichten könnte.

Wir setzten uns zur Tafel und wir wären ei-
nes solchen Tages nicht werth gewesen, wenn
wir ihn nicht zu geniessen gewußt hätten. Eins
war zu dem Vergnügen des andern sinnreich; und

Klei-
H 2

Graͤfinn von G**
len, aber noch an dem Selbſtmorde gehindert
worden waͤre. Er bat uns, ob wir nicht zur
Verbeſſerung ſeiner elenden Umſtaͤnde etwas bey-
tragen und ihn mit einigen Arzneyen verſehen laſ-
ſen wollten, damit nicht die Krankheit des Ge-
muͤths durch ein verdorbnes Blut noch mehr unter-
halten wuͤrde. Weil es ſchien, daß er die be-
ſondern Umſtaͤnde dieſes Menſchen mit Fleiß ver-
ſchwieg: ſo wollten wir nicht zur Unzeit neugierig
ſeyn. Wir fragten alſo nichts, als wo er anzu-
treffen waͤre. Er nannte uns eine alte Schiffe-
rinn, die ihn, wie er gehoͤrt, nur vor etlichen Ta-
gen in ihre Huͤtte aus Mitleiden eingenommen,
in der er ſich geſtern durch ein Meſſer, doch
ohne Lebensgefahr, verwundet haͤtte. Wir ſag-
ten ihm, daß er nicht bitten, ſondern uns vorſchrei-
ben ſollte, wie ers mit dem Kranken gehalten
wiſſen wollte; weil wir gar keine Ueberwindung
noͤthig haͤtten, einem Elenden mit einem Theile von
unſerm Vermoͤgen zu dienen. Wir ſchickten ihm,
ſobald der Geiſtliche weg war, Betten und an-
dere Sachen. Unſer Doctor mußte kommen, und
das ungluͤckliche Maͤdchen, von der ich oben geredt
habe, und die itzt Aufſeherinn in meinem Hauſe
war, mußte ihn zu dem Kranken begleiten, um zu
hoͤren, was er fuͤr Anſtalten wegen der Speiſen
und des Getraͤnks machen wuͤrde, damit ſie alles
nach ſeiner Vorſchrift einrichten koͤnnte.

Wir ſetzten uns zur Tafel und wir waͤren ei-
nes ſolchen Tages nicht werth geweſen, wenn
wir ihn nicht zu genieſſen gewußt haͤtten. Eins
war zu dem Vergnuͤgen des andern ſinnreich; und

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[115/0115] Graͤfinn von G** len, aber noch an dem Selbſtmorde gehindert worden waͤre. Er bat uns, ob wir nicht zur Verbeſſerung ſeiner elenden Umſtaͤnde etwas bey- tragen und ihn mit einigen Arzneyen verſehen laſ- ſen wollten, damit nicht die Krankheit des Ge- muͤths durch ein verdorbnes Blut noch mehr unter- halten wuͤrde. Weil es ſchien, daß er die be- ſondern Umſtaͤnde dieſes Menſchen mit Fleiß ver- ſchwieg: ſo wollten wir nicht zur Unzeit neugierig ſeyn. Wir fragten alſo nichts, als wo er anzu- treffen waͤre. Er nannte uns eine alte Schiffe- rinn, die ihn, wie er gehoͤrt, nur vor etlichen Ta- gen in ihre Huͤtte aus Mitleiden eingenommen, in der er ſich geſtern durch ein Meſſer, doch ohne Lebensgefahr, verwundet haͤtte. Wir ſag- ten ihm, daß er nicht bitten, ſondern uns vorſchrei- ben ſollte, wie ers mit dem Kranken gehalten wiſſen wollte; weil wir gar keine Ueberwindung noͤthig haͤtten, einem Elenden mit einem Theile von unſerm Vermoͤgen zu dienen. Wir ſchickten ihm, ſobald der Geiſtliche weg war, Betten und an- dere Sachen. Unſer Doctor mußte kommen, und das ungluͤckliche Maͤdchen, von der ich oben geredt habe, und die itzt Aufſeherinn in meinem Hauſe war, mußte ihn zu dem Kranken begleiten, um zu hoͤren, was er fuͤr Anſtalten wegen der Speiſen und des Getraͤnks machen wuͤrde, damit ſie alles nach ſeiner Vorſchrift einrichten koͤnnte. Wir ſetzten uns zur Tafel und wir waͤren ei- nes ſolchen Tages nicht werth geweſen, wenn wir ihn nicht zu genieſſen gewußt haͤtten. Eins war zu dem Vergnuͤgen des andern ſinnreich; und Klei- H 2

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/115>, abgerufen am 24.11.2024.