[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen die Gefangnen von dem Reste unsrer zwanzigThaler gemacht, endlich die Freyheit erhalten, mit einigen Kaufleuten aus London zu spre- chen. Diese haben ihn hundert Thaler vor- geschossen und alles für ihn zu thun verspro- chen. Durch dieses Geld hoffen wir uns von unsern Gebieter zuweilen den Schatten ei- ner Freyheit zu erkaufen, denn durch Geld las- sen sie sich, wenn sie anders mitleidig seyn könnten, am ersten mitleidig machen. Er brachte mir bey seiner Zurückkunft eine Flasche Wein und etwas Zwieback mit. Jhr denkt etwan, sprach er, da er die Flasche aus der Tasche zog, daß ich bey meinen Landsleuten schon Wein getrunken habe. Nein, mein lie- ber Graf, ich würde mir nicht die Freude ent- zogen haben, das erste Glas in eurer Gesell- schaft zu trinken. Jch habe noch keinen Tro- pfen gekostet. Aber nun kommt, nun kann ich nicht länger warten. Kommt, wir wol- len unser Unglück einige Augenblicke vergessen und die Freuden des Weins fühlen, und uns alles das als gewiß vorstellen, was wir wün- schen. Wir tranken ein Glas. Welche Wol- lust war das für uns! Wir ehrten durch un- sere Entzückung den Gott, der dem Weine die Kraft geschenkt, unsere Herzen zu begeistern und dankten ihm durch ein stilles Nachdenken für
Leben der Schwediſchen die Gefangnen von dem Reſte unſrer zwanzigThaler gemacht, endlich die Freyheit erhalten, mit einigen Kaufleuten aus London zu ſpre- chen. Dieſe haben ihn hundert Thaler vor- geſchoſſen und alles fuͤr ihn zu thun verſpro- chen. Durch dieſes Geld hoffen wir uns von unſern Gebieter zuweilen den Schatten ei- ner Freyheit zu erkaufen, denn durch Geld laſ- ſen ſie ſich, wenn ſie anders mitleidig ſeyn koͤnnten, am erſten mitleidig machen. Er brachte mir bey ſeiner Zuruͤckkunft eine Flaſche Wein und etwas Zwieback mit. Jhr denkt etwan, ſprach er, da er die Flaſche aus der Taſche zog, daß ich bey meinen Landsleuten ſchon Wein getrunken habe. Nein, mein lie- ber Graf, ich wuͤrde mir nicht die Freude ent- zogen haben, das erſte Glas in eurer Geſell- ſchaft zu trinken. Jch habe noch keinen Tro- pfen gekoſtet. Aber nun kommt, nun kann ich nicht laͤnger warten. Kommt, wir wol- len unſer Ungluͤck einige Augenblicke vergeſſen und die Freuden des Weins fuͤhlen, und uns alles das als gewiß vorſtellen, was wir wuͤn- ſchen. Wir tranken ein Glas. Welche Wol- luſt war das fuͤr uns! Wir ehrten durch un- ſere Entzuͤckung den Gott, der dem Weine die Kraft geſchenkt, unſere Herzen zu begeiſtern und dankten ihm durch ein ſtilles Nachdenken fuͤr
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Leben der Schwediſchen
die Gefangnen von dem Reſte unſrer zwanzig
Thaler gemacht, endlich die Freyheit erhalten,
mit einigen Kaufleuten aus London zu ſpre-
chen. Dieſe haben ihn hundert Thaler vor-
geſchoſſen und alles fuͤr ihn zu thun verſpro-
chen. Durch dieſes Geld hoffen wir uns von
unſern Gebieter zuweilen den Schatten ei-
ner Freyheit zu erkaufen, denn durch Geld laſ-
ſen ſie ſich, wenn ſie anders mitleidig ſeyn
koͤnnten, am erſten mitleidig machen. Er
brachte mir bey ſeiner Zuruͤckkunft eine Flaſche
Wein und etwas Zwieback mit. Jhr denkt
etwan, ſprach er, da er die Flaſche aus der
Taſche zog, daß ich bey meinen Landsleuten
ſchon Wein getrunken habe. Nein, mein lie-
ber Graf, ich wuͤrde mir nicht die Freude ent-
zogen haben, das erſte Glas in eurer Geſell-
ſchaft zu trinken. Jch habe noch keinen Tro-
pfen gekoſtet. Aber nun kommt, nun kann
ich nicht laͤnger warten. Kommt, wir wol-
len unſer Ungluͤck einige Augenblicke vergeſſen
und die Freuden des Weins fuͤhlen, und uns
alles das als gewiß vorſtellen, was wir wuͤn-
ſchen. Wir tranken ein Glas. Welche Wol-
luſt war das fuͤr uns! Wir ehrten durch un-
ſere Entzuͤckung den Gott, der dem Weine die
Kraft geſchenkt, unſere Herzen zu begeiſtern
und dankten ihm durch ein ſtilles Nachdenken
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