[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen verneur gebracht, bey dem er seines Reich-thums wegen in Ansehn steht. Herr, sprach er, dieser Schwedische Officier hat mir, wie ihr wißt, das Leben erhalten, und ich habe Dank- barkeit und Geld genug, ihn zu ranzioniren. Der Gouverneur antwortete, daß dieses nicht bey ihm stünde, und daß er ohne Befehl von dem Hofe keinen Menschen freygeben könnte. Darauf gab ihm der Jude einen Beutel mit Golde und bat, daß er mir die beschwerlichen Dienste eines ins Elend Verwiesenen erlassen möchte. Der Gouverneur versprach ihm die- ses, doch unter der Bedingung, daß er täglich etliche Copicken für mich erlegen sollte. Mein Wohlthäter bezahlte das Geld mit Freuden auf ein ganzes Jahr zum voraus und bat sich zugleich aus, daß er mich in dem Gefangen- hofe einen Tag um den andern besuchen dürfte. Doch ehe ich euch meine itzigen Umstände wei- ter beschreibe, so muß ich euch erst sagen, wie mirs seit drey Jahren in Siberien gegangen ist, und wie ich in dieses Land gekommen bin. Wenn ihr meinen letzten Brief aus Mos- nate
Leben der Schwediſchen verneur gebracht, bey dem er ſeines Reich-thums wegen in Anſehn ſteht. Herr, ſprach er, dieſer Schwediſche Officier hat mir, wie ihr wißt, das Leben erhalten, und ich habe Dank- barkeit und Geld genug, ihn zu ranzioniren. Der Gouverneur antwortete, daß dieſes nicht bey ihm ſtuͤnde, und daß er ohne Befehl von dem Hofe keinen Menſchen freygeben koͤnnte. Darauf gab ihm der Jude einen Beutel mit Golde und bat, daß er mir die beſchwerlichen Dienſte eines ins Elend Verwieſenen erlaſſen moͤchte. Der Gouverneur verſprach ihm die- ſes, doch unter der Bedingung, daß er taͤglich etliche Copicken fuͤr mich erlegen ſollte. Mein Wohlthaͤter bezahlte das Geld mit Freuden auf ein ganzes Jahr zum voraus und bat ſich zugleich aus, daß er mich in dem Gefangen- hofe einen Tag um den andern beſuchen duͤrfte. Doch ehe ich euch meine itzigen Umſtaͤnde wei- ter beſchreibe, ſo muß ich euch erſt ſagen, wie mirs ſeit drey Jahren in Siberien gegangen iſt, und wie ich in dieſes Land gekommen bin. Wenn ihr meinen letzten Brief aus Mos- nate
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Leben der Schwediſchen
verneur gebracht, bey dem er ſeines Reich-
thums wegen in Anſehn ſteht. Herr, ſprach
er, dieſer Schwediſche Officier hat mir, wie ihr
wißt, das Leben erhalten, und ich habe Dank-
barkeit und Geld genug, ihn zu ranzioniren.
Der Gouverneur antwortete, daß dieſes nicht
bey ihm ſtuͤnde, und daß er ohne Befehl von
dem Hofe keinen Menſchen freygeben koͤnnte.
Darauf gab ihm der Jude einen Beutel mit
Golde und bat, daß er mir die beſchwerlichen
Dienſte eines ins Elend Verwieſenen erlaſſen
moͤchte. Der Gouverneur verſprach ihm die-
ſes, doch unter der Bedingung, daß er taͤglich
etliche Copicken fuͤr mich erlegen ſollte. Mein
Wohlthaͤter bezahlte das Geld mit Freuden
auf ein ganzes Jahr zum voraus und bat ſich
zugleich aus, daß er mich in dem Gefangen-
hofe einen Tag um den andern beſuchen duͤrfte.
Doch ehe ich euch meine itzigen Umſtaͤnde wei-
ter beſchreibe, ſo muß ich euch erſt ſagen, wie
mirs ſeit drey Jahren in Siberien gegangen
iſt, und wie ich in dieſes Land gekommen bin.
Wenn ihr meinen letzten Brief aus Mos-
kau erhalten habt: ſo werdet ihr wiſſen, daß
Sidne, Steeleys Anverwandter, nunmehr
mit uns an einem Orte verwahret wurde.
Das Geld, das Steeley von ſeinen Landsleu-
ten aufs neue bekommen, langte einige Mo-
nate
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