Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
noch in dem Leibe fühlte, minderte sich durch
das empfangne Pflaster. Der Morgen brach
an, ohne daß wir geschlafen hatten, und man
foderte uns zur Reise auf. Der Aufseher
empfahl uns dem Officier, der uns zu den
übrigen acht Gefangnen führte, welche mit
uns nach Siberien sollten gebracht werden,
und welche, wie ich nachdem erfuhr, meistens
vornehme Russen und wegen der Rebellion
verdächtig waren. Wir wurden alle zehn
auf zwey Fahrzeuge vertheilt, und ich hatte
gleich das Unglück, daß man Steeleyn von mir
trennte und auf den andern Wagen wies.
Mehr hatte zu meinem Elende nicht gefehlt.
So wie wir auf einer Station ankamen, muß-
ten wir auch wieder fortgebracht werden, also
kam Steeley niemals zu mir, uud ich habe auf
dem ganzen Wege nichts, als einzelne Wor-
te, mit ihm sprechen können. Drey von mei-
nen Gefährten waren Russen, und ihre Her-
zen waren so wild, als ihre Gesichter. Jhr
Unfall machte ihre Gemüther nur mehr erbit-
tert, und sie schämten sich, daß sie, als Rußi-
sche Knees, mit einem Schweden und einem
Franzosen, denn dieses war mein vierter Ge-
fährte, ein gleiches Unglück theilen sollten.
Der Franzose, der Major gewesen war, und
sich unglücklicher Weise seinem Obersten mit

dem

Leben der Schwediſchen
noch in dem Leibe fuͤhlte, minderte ſich durch
das empfangne Pflaſter. Der Morgen brach
an, ohne daß wir geſchlafen hatten, und man
foderte uns zur Reiſe auf. Der Aufſeher
empfahl uns dem Officier, der uns zu den
uͤbrigen acht Gefangnen fuͤhrte, welche mit
uns nach Siberien ſollten gebracht werden,
und welche, wie ich nachdem erfuhr, meiſtens
vornehme Ruſſen und wegen der Rebellion
verdaͤchtig waren. Wir wurden alle zehn
auf zwey Fahrzeuge vertheilt, und ich hatte
gleich das Ungluͤck, daß man Steeleyn von mir
trennte und auf den andern Wagen wies.
Mehr hatte zu meinem Elende nicht gefehlt.
So wie wir auf einer Station ankamen, muß-
ten wir auch wieder fortgebracht werden, alſo
kam Steeley niemals zu mir, uud ich habe auf
dem ganzen Wege nichts, als einzelne Wor-
te, mit ihm ſprechen koͤnnen. Drey von mei-
nen Gefaͤhrten waren Ruſſen, und ihre Her-
zen waren ſo wild, als ihre Geſichter. Jhr
Unfall machte ihre Gemuͤther nur mehr erbit-
tert, und ſie ſchaͤmten ſich, daß ſie, als Rußi-
ſche Knees, mit einem Schweden und einem
Franzoſen, denn dieſes war mein vierter Ge-
faͤhrte, ein gleiches Ungluͤck theilen ſollten.
Der Franzoſe, der Major geweſen war, und
ſich ungluͤcklicher Weiſe ſeinem Oberſten mit

dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <floatingText>
        <body>
          <div type="letter">
            <p><pb facs="#f0032" n="32"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
noch in dem Leibe fu&#x0364;hlte, minderte &#x017F;ich durch<lb/>
das empfangne Pfla&#x017F;ter. Der Morgen brach<lb/>
an, ohne daß wir ge&#x017F;chlafen hatten, und man<lb/>
foderte uns zur Rei&#x017F;e auf. Der Auf&#x017F;eher<lb/>
empfahl uns dem Officier, der uns zu den<lb/>
u&#x0364;brigen acht Gefangnen fu&#x0364;hrte, welche mit<lb/>
uns nach Siberien &#x017F;ollten gebracht werden,<lb/>
und welche, wie ich nachdem erfuhr, mei&#x017F;tens<lb/>
vornehme Ru&#x017F;&#x017F;en und wegen der Rebellion<lb/>
verda&#x0364;chtig waren. Wir wurden alle zehn<lb/>
auf zwey Fahrzeuge vertheilt, und ich hatte<lb/>
gleich das Unglu&#x0364;ck, daß man Steeleyn von mir<lb/>
trennte und auf den andern Wagen wies.<lb/>
Mehr hatte zu meinem Elende nicht gefehlt.<lb/>
So wie wir auf einer Station ankamen, muß-<lb/>
ten wir auch wieder fortgebracht werden, al&#x017F;o<lb/>
kam Steeley niemals zu mir, uud ich habe auf<lb/>
dem ganzen Wege nichts, als einzelne Wor-<lb/>
te, mit ihm &#x017F;prechen ko&#x0364;nnen. Drey von mei-<lb/>
nen Gefa&#x0364;hrten waren Ru&#x017F;&#x017F;en, und ihre Her-<lb/>
zen waren &#x017F;o wild, als ihre Ge&#x017F;ichter. Jhr<lb/>
Unfall machte ihre Gemu&#x0364;ther nur mehr erbit-<lb/>
tert, und &#x017F;ie &#x017F;cha&#x0364;mten &#x017F;ich, daß &#x017F;ie, als Rußi-<lb/>
&#x017F;che Knees, mit einem Schweden und einem<lb/>
Franzo&#x017F;en, denn die&#x017F;es war mein vierter Ge-<lb/>
fa&#x0364;hrte, ein gleiches Unglu&#x0364;ck theilen &#x017F;ollten.<lb/>
Der Franzo&#x017F;e, der Major gewe&#x017F;en war, und<lb/>
&#x017F;ich unglu&#x0364;cklicher Wei&#x017F;e &#x017F;einem Ober&#x017F;ten mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dem</fw><lb/></p>
          </div>
        </body>
      </floatingText>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0032] Leben der Schwediſchen noch in dem Leibe fuͤhlte, minderte ſich durch das empfangne Pflaſter. Der Morgen brach an, ohne daß wir geſchlafen hatten, und man foderte uns zur Reiſe auf. Der Aufſeher empfahl uns dem Officier, der uns zu den uͤbrigen acht Gefangnen fuͤhrte, welche mit uns nach Siberien ſollten gebracht werden, und welche, wie ich nachdem erfuhr, meiſtens vornehme Ruſſen und wegen der Rebellion verdaͤchtig waren. Wir wurden alle zehn auf zwey Fahrzeuge vertheilt, und ich hatte gleich das Ungluͤck, daß man Steeleyn von mir trennte und auf den andern Wagen wies. Mehr hatte zu meinem Elende nicht gefehlt. So wie wir auf einer Station ankamen, muß- ten wir auch wieder fortgebracht werden, alſo kam Steeley niemals zu mir, uud ich habe auf dem ganzen Wege nichts, als einzelne Wor- te, mit ihm ſprechen koͤnnen. Drey von mei- nen Gefaͤhrten waren Ruſſen, und ihre Her- zen waren ſo wild, als ihre Geſichter. Jhr Unfall machte ihre Gemuͤther nur mehr erbit- tert, und ſie ſchaͤmten ſich, daß ſie, als Rußi- ſche Knees, mit einem Schweden und einem Franzoſen, denn dieſes war mein vierter Ge- faͤhrte, ein gleiches Ungluͤck theilen ſollten. Der Franzoſe, der Major geweſen war, und ſich ungluͤcklicher Weiſe ſeinem Oberſten mit dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/32
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/32>, abgerufen am 03.12.2024.