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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
gebracht, und, gleich den andern Gefangnen,
mir das Brodt aus den Händen meiner Ge-
bieter durch eine gewisse bestimmte Anzahl der
Thiere, die wir fiengen, erkaufen müssen: so
ereignete sich die Begebenheit mit dem Pohl-
nischen Juden. Dieser dankbare Mann, wie
ich euch schon erzählt habe, hat mich durch
seine Vorbitte bey dem Gouverneur und durch
sein erlegtes Geld von der Arbeit befreyet. Er
hat es nach und nach so weit gebracht, daß
ich in ein lichter und geraumer Behältniß ge-
kommen bin. Sobald ich dieses nur hatte:
so suchte er mir meine Gefangenschaft noch
mehr zu erleichtern. Er brachte mir ein be-
qvemes Kleid und entriß mich dem groben und
wilden Anzuge, in welchem ich nun schon so
lange gegangen war. Schreckliches Kleid,
das noch hier vor meinen Augen hängt und
mich an das vorige Unglück erinnert! Er
brachte mir allerhand Decken und Pelzwerke
zum Schlafen, wiewohl mich diese Anfangs
nur an dem Schlafe hinderten. Eine lange
Gewohnheit, hart zu liegen, hatte sie fast un-
nütz für mich gemacht. Er besuchte mich oft,
und niemals, ohne mir eine Gutthat zu erwei-
sen. So sehr mein Zustand von dem vorigen
unterschieden war: so war er mir doch nicht
angenehm genug, weil ich ihn nicht mit Stee-

leyn
C 3

Graͤfinn von G**
gebracht, und, gleich den andern Gefangnen,
mir das Brodt aus den Haͤnden meiner Ge-
bieter durch eine gewiſſe beſtimmte Anzahl der
Thiere, die wir fiengen, erkaufen muͤſſen: ſo
ereignete ſich die Begebenheit mit dem Pohl-
niſchen Juden. Dieſer dankbare Mann, wie
ich euch ſchon erzaͤhlt habe, hat mich durch
ſeine Vorbitte bey dem Gouverneur und durch
ſein erlegtes Geld von der Arbeit befreyet. Er
hat es nach und nach ſo weit gebracht, daß
ich in ein lichter und geraumer Behaͤltniß ge-
kommen bin. Sobald ich dieſes nur hatte:
ſo ſuchte er mir meine Gefangenſchaft noch
mehr zu erleichtern. Er brachte mir ein be-
qvemes Kleid und entriß mich dem groben und
wilden Anzuge, in welchem ich nun ſchon ſo
lange gegangen war. Schreckliches Kleid,
das noch hier vor meinen Augen haͤngt und
mich an das vorige Ungluͤck erinnert! Er
brachte mir allerhand Decken und Pelzwerke
zum Schlafen, wiewohl mich dieſe Anfangs
nur an dem Schlafe hinderten. Eine lange
Gewohnheit, hart zu liegen, hatte ſie faſt un-
nuͤtz fuͤr mich gemacht. Er beſuchte mich oft,
und niemals, ohne mir eine Gutthat zu erwei-
ſen. So ſehr mein Zuſtand von dem vorigen
unterſchieden war: ſo war er mir doch nicht
angenehm genug, weil ich ihn nicht mit Stee-

leyn
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[37/0037] Graͤfinn von G** gebracht, und, gleich den andern Gefangnen, mir das Brodt aus den Haͤnden meiner Ge- bieter durch eine gewiſſe beſtimmte Anzahl der Thiere, die wir fiengen, erkaufen muͤſſen: ſo ereignete ſich die Begebenheit mit dem Pohl- niſchen Juden. Dieſer dankbare Mann, wie ich euch ſchon erzaͤhlt habe, hat mich durch ſeine Vorbitte bey dem Gouverneur und durch ſein erlegtes Geld von der Arbeit befreyet. Er hat es nach und nach ſo weit gebracht, daß ich in ein lichter und geraumer Behaͤltniß ge- kommen bin. Sobald ich dieſes nur hatte: ſo ſuchte er mir meine Gefangenſchaft noch mehr zu erleichtern. Er brachte mir ein be- qvemes Kleid und entriß mich dem groben und wilden Anzuge, in welchem ich nun ſchon ſo lange gegangen war. Schreckliches Kleid, das noch hier vor meinen Augen haͤngt und mich an das vorige Ungluͤck erinnert! Er brachte mir allerhand Decken und Pelzwerke zum Schlafen, wiewohl mich dieſe Anfangs nur an dem Schlafe hinderten. Eine lange Gewohnheit, hart zu liegen, hatte ſie faſt un- nuͤtz fuͤr mich gemacht. Er beſuchte mich oft, und niemals, ohne mir eine Gutthat zu erwei- ſen. So ſehr mein Zuſtand von dem vorigen unterſchieden war: ſo war er mir doch nicht angenehm genug, weil ich ihn nicht mit Stee- leyn C 3

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/37>, abgerufen am 21.11.2024.