[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen fel, die schon gedeckt war, eine Flasche Wein,und trank mir eure Gesundheit zu. Jch ward von ihrer Großmuth bis zu den Thränen ge- rühret, und es war mir unmöglich, ihr meinen wahren Nahmen länger zu verschweigen. Jch warf mich zu ihren Füssen. Madam, fieng ich an, sie verdienen, daß ich ihnen auf den Knien für die Freundschaft danke, die sie mir Unglücklichen schenken. Jch muß ihnen alles sagen, wenn auch mein Bekenntniß mit der Gefahr meines Lebens verknüpft seyn sollte. Alles ist wahr, was ich ihnen erzählt habe, allein ich heisse nicht Löwenhoek. Nein, ich bin der Graf von G** und ich bitte sie bey ihrer edlen Seele und bey meiner Gemahlinn, meinen Namen nicht zu entdecken. Sie hob mich freundlich auf, und ich erzählte ihr mein Unglück bey der Armee. O Gott! rief sie, sind sie der Graf von G**? Mein Gemahl hat ihren Vater als Gesandten in Moskau ge- kannt. Unglücklicher Graf! Sagen sie ihm ja nichts davon. So viel ich Ursache habe mit seiner Aufführung gegen mich zufrieden zu seyn: so hat er doch gegen andere ein hitziges und rachgieriges Herz, und wie bald könnte es nicht geschehn, daß sie ihn wider ihren Wil- len beleidigten. Begegnen sie ihm ja allezeit mit einer tiefen Unterwerfung, und alsdann am
Leben der Schwediſchen fel, die ſchon gedeckt war, eine Flaſche Wein,und trank mir eure Geſundheit zu. Jch ward von ihrer Großmuth bis zu den Thraͤnen ge- ruͤhret, und es war mir unmoͤglich, ihr meinen wahren Nahmen laͤnger zu verſchweigen. Jch warf mich zu ihren Fuͤſſen. Madam, fieng ich an, ſie verdienen, daß ich ihnen auf den Knien fuͤr die Freundſchaft danke, die ſie mir Ungluͤcklichen ſchenken. Jch muß ihnen alles ſagen, wenn auch mein Bekenntniß mit der Gefahr meines Lebens verknuͤpft ſeyn ſollte. Alles iſt wahr, was ich ihnen erzaͤhlt habe, allein ich heiſſe nicht Loͤwenhoek. Nein, ich bin der Graf von G** und ich bitte ſie bey ihrer edlen Seele und bey meiner Gemahlinn, meinen Namen nicht zu entdecken. Sie hob mich freundlich auf, und ich erzaͤhlte ihr mein Ungluͤck bey der Armee. O Gott! rief ſie, ſind ſie der Graf von G**? Mein Gemahl hat ihren Vater als Geſandten in Moskau ge- kannt. Ungluͤcklicher Graf! Sagen ſie ihm ja nichts davon. So viel ich Urſache habe mit ſeiner Auffuͤhrung gegen mich zufrieden zu ſeyn: ſo hat er doch gegen andere ein hitziges und rachgieriges Herz, und wie bald koͤnnte es nicht geſchehn, daß ſie ihn wider ihren Wil- len beleidigten. Begegnen ſie ihm ja allezeit mit einer tiefen Unterwerfung, und alsdann am
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Leben der Schwediſchen
fel, die ſchon gedeckt war, eine Flaſche Wein,
und trank mir eure Geſundheit zu. Jch ward
von ihrer Großmuth bis zu den Thraͤnen ge-
ruͤhret, und es war mir unmoͤglich, ihr meinen
wahren Nahmen laͤnger zu verſchweigen. Jch
warf mich zu ihren Fuͤſſen. Madam, fieng
ich an, ſie verdienen, daß ich ihnen auf den
Knien fuͤr die Freundſchaft danke, die ſie mir
Ungluͤcklichen ſchenken. Jch muß ihnen alles
ſagen, wenn auch mein Bekenntniß mit der
Gefahr meines Lebens verknuͤpft ſeyn ſollte.
Alles iſt wahr, was ich ihnen erzaͤhlt habe,
allein ich heiſſe nicht Loͤwenhoek. Nein, ich
bin der Graf von G** und ich bitte ſie bey
ihrer edlen Seele und bey meiner Gemahlinn,
meinen Namen nicht zu entdecken. Sie hob
mich freundlich auf, und ich erzaͤhlte ihr mein
Ungluͤck bey der Armee. O Gott! rief ſie,
ſind ſie der Graf von G**? Mein Gemahl
hat ihren Vater als Geſandten in Moskau ge-
kannt. Ungluͤcklicher Graf! Sagen ſie ihm
ja nichts davon. So viel ich Urſache habe
mit ſeiner Auffuͤhrung gegen mich zufrieden zu
ſeyn: ſo hat er doch gegen andere ein hitziges
und rachgieriges Herz, und wie bald koͤnnte
es nicht geſchehn, daß ſie ihn wider ihren Wil-
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