George, Stefan: Das Jahr der Seele. Berlin, 1897.Die blume die ich mir am fenster hege Verwahrt vorm froste in der grauen scherbe Betrübt mich nur trotz meiner guten pflege Und hängt das haupt als ob sie langsam sterbe Um ihrer frühern blühenden geschicke Erinnerung aus meinem sinn zu merzen Erwähl ich scharfe waffen und ich knicke Die blasse blume mit dem kranken herzen Was soll sie nur zur bitternis mir taugen? Ich wünschte dass vom fenster sie verschwände · · Nun heb ich wieder meine leeren augen Und in die leere nacht die leeren hände. Dein zauber brach da blaue flüge wehten Von grabesgrünen und von sichrem heile Nun lass mich kurz noch da ich bald enteile Vor dir wie vor dem grossen schmerze beten Zu raschem abschied musst du dich bequemen Denn auf dem weiher barst die starre rinde Mir däucht es dass ich morgen knospen finde Ins frühjahr darf ich dich nicht mit mir nehmen. Wo die strahlen schnell verschleissen Leichentuch der kahlen auen Wasser sich in furchen stauen In den sümpfen schmelzend gleissen Die blume die ich mir am fenster hege Verwahrt vorm froste in der grauen scherbe Betrübt mich nur trotz meiner guten pflege Und hängt das haupt als ob sie langsam sterbe Um ihrer frühern blühenden geschicke Erinnerung aus meinem sinn zu merzen Erwähl ich scharfe waffen und ich knicke Die blasse blume mit dem kranken herzen Was soll sie nur zur bitternis mir taugen? Ich wünschte dass vom fenster sie verschwände · · Nun heb ich wieder meine leeren augen Und in die leere nacht die leeren hände. Dein zauber brach da blaue flüge wehten Von grabesgrünen und von sichrem heile Nun lass mich kurz noch da ich bald enteile Vor dir wie vor dem grossen schmerze beten Zu raschem abschied musst du dich bequemen Denn auf dem weiher barst die starre rinde Mir däucht es dass ich morgen knospen finde Ins frühjahr darf ich dich nicht mit mir nehmen. Wo die strahlen schnell verschleissen Leichentuch der kahlen auen Wasser sich in furchen stauen In den sümpfen schmelzend gleissen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0020"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#blue #in">D</hi>ie blume die ich mir am fenster hege</l><lb/> <l><hi rendition="#red">V</hi>erwahrt vorm froste in der grauen scherbe</l><lb/> <l><hi rendition="#red">B</hi>etrübt mich nur trotz meiner guten pflege</l><lb/> <l><hi rendition="#red">U</hi>nd hängt das haupt als ob sie langsam sterbe</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l><hi rendition="#blue">U</hi>m ihrer frühern blühenden geschicke</l><lb/> <l><hi rendition="#red">E</hi>rinnerung aus meinem sinn zu merzen</l><lb/> <l><hi rendition="#red">E</hi>rwähl ich scharfe waffen und ich knicke</l><lb/> <l><hi rendition="#red">D</hi>ie blasse blume mit dem kranken herzen</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l><hi rendition="#blue">W</hi>as soll sie nur zur bitternis mir taugen?</l><lb/> <l><hi rendition="#red">I</hi>ch wünschte dass vom fenster sie verschwände · ·</l><lb/> <l><hi rendition="#red">N</hi>un heb ich wieder meine leeren augen</l><lb/> <l><hi rendition="#red">U</hi>nd in die leere nacht die leeren hände.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in #red">D</hi>ein zauber brach da blaue flüge wehten</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">V</hi>on grabesgrünen und von sichrem heile</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">N</hi>un lass mich kurz noch da ich bald enteile</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">V</hi>or dir wie vor dem grossen schmerze beten</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l><hi rendition="#red">Z</hi>u raschem abschied musst du dich bequemen</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">D</hi>enn auf dem weiher barst die starre rinde</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">M</hi>ir däucht es dass ich morgen knospen finde</l><lb/> <l><hi rendition="#blue">I</hi>ns frühjahr darf ich dich nicht mit mir nehmen.</l> </lg><lb/> <l/> </lg> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#blue #in">W</hi>o die strahlen schnell verschleissen</l><lb/> <l><hi rendition="#red">L</hi>eichentuch der kahlen auen</l><lb/> <l><hi rendition="#red">W</hi>asser sich in furchen stauen</l><lb/> <l><hi rendition="#red">I</hi>n den sümpfen schmelzend gleissen</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
Die blume die ich mir am fenster hege
Verwahrt vorm froste in der grauen scherbe
Betrübt mich nur trotz meiner guten pflege
Und hängt das haupt als ob sie langsam sterbe
Um ihrer frühern blühenden geschicke
Erinnerung aus meinem sinn zu merzen
Erwähl ich scharfe waffen und ich knicke
Die blasse blume mit dem kranken herzen
Was soll sie nur zur bitternis mir taugen?
Ich wünschte dass vom fenster sie verschwände · ·
Nun heb ich wieder meine leeren augen
Und in die leere nacht die leeren hände.
Dein zauber brach da blaue flüge wehten
Von grabesgrünen und von sichrem heile
Nun lass mich kurz noch da ich bald enteile
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Zu raschem abschied musst du dich bequemen
Denn auf dem weiher barst die starre rinde
Mir däucht es dass ich morgen knospen finde
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Wo die strahlen schnell verschleissen
Leichentuch der kahlen auen
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