Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.Dritter Abschnitt. des Staats nach Aussen an, wie sie oben §. 23. über-sichtlich dargestellt worden sind; auch die Ertheilung von Privilegien gehört zu den Verwaltungshandlungen.5 Bald treten sie hervor als unmittelbare Befehle und weniger könnte für die Nothwendigkeit gesetzlicher Regulirung das Moment der Regalität angeführt werden; denn diess bedeutet nur, dass der Staat als solcher ausschliesslich zum Betriebe befugt ist, aber es hat auf die rechtliche Beurtheilung der Betriebsge- schäfte selbst nicht den mindesten Einfluss. 5 Privilegien in dem Sinne der unmittelbaren Begründung
subjectiver Rechte für individuelle Personen durch Specialver- fügung der Staatsgewalt sind nicht Gesetze, d. h. staatlich aufge- stellte Rechtsnormen. Die entgegengesetzte Ansicht beruht entweder auf dem Principe der Theilung der Gewalten, welches die gesetzgebende Gewalt als die materiell selbständige alleinige Bewahrerin rechtsbegründender Kräfte voraussetzt, oder auf der Vorstellung, dass das Gesetz die allein denkbare Form staatlicher Rechtsschaffung sei. -- Uebrigens ist das Privilegienrecht des Monarchen jetzt sehr beschränkt. Zunächst durch die Verfassung, indem kein mit einem Satze derselben (z. B. der allgemeinen Steuer- und Militärpflicht) im Widerspruche stehendes Privilegium mehr gegeben werden kann, auch mehrfach ausdrücklich die Ertheilung von ausschliesslichen Handels- und Gewerberechten an die Zustimmung der Stände geknüpft wird (Patente sollen wenigstens nur auf bestimmte Jahre gegeben werden). Sodann durch die sonstige Gesetzgebung, welche immer mehr auf Her- stellung eines gleichmässigen, alle Exemtionen ausschliessenden Rechtszustands hinzielt. Bald werden ausser den genannten und den im Privatrechte bestimmten Fällen solcher Privilegien nur noch Standeserhöhungen, die Verleihung von Aemtern, Orden, Würden und Corporationsrechten vorkommen. In gewissem Sinne gehören hierher auch die Begnadigungen und Moratorien. Dritter Abschnitt. des Staats nach Aussen an, wie sie oben §. 23. über-sichtlich dargestellt worden sind; auch die Ertheilung von Privilegien gehört zu den Verwaltungshandlungen.5 Bald treten sie hervor als unmittelbare Befehle und weniger könnte für die Nothwendigkeit gesetzlicher Regulirung das Moment der Regalität angeführt werden; denn diess bedeutet nur, dass der Staat als solcher ausschliesslich zum Betriebe befugt ist, aber es hat auf die rechtliche Beurtheilung der Betriebsge- schäfte selbst nicht den mindesten Einfluss. 5 Privilegien in dem Sinne der unmittelbaren Begründung
subjectiver Rechte für individuelle Personen durch Specialver- fügung der Staatsgewalt sind nicht Gesetze, d. h. staatlich aufge- stellte Rechtsnormen. Die entgegengesetzte Ansicht beruht entweder auf dem Principe der Theilung der Gewalten, welches die gesetzgebende Gewalt als die materiell selbständige alleinige Bewahrerin rechtsbegründender Kräfte voraussetzt, oder auf der Vorstellung, dass das Gesetz die allein denkbare Form staatlicher Rechtsschaffung sei. — Uebrigens ist das Privilegienrecht des Monarchen jetzt sehr beschränkt. Zunächst durch die Verfassung, indem kein mit einem Satze derselben (z. B. der allgemeinen Steuer- und Militärpflicht) im Widerspruche stehendes Privilegium mehr gegeben werden kann, auch mehrfach ausdrücklich die Ertheilung von ausschliesslichen Handels- und Gewerberechten an die Zustimmung der Stände geknüpft wird (Patente sollen wenigstens nur auf bestimmte Jahre gegeben werden). Sodann durch die sonstige Gesetzgebung, welche immer mehr auf Her- stellung eines gleichmässigen, alle Exemtionen ausschliessenden Rechtszustands hinzielt. Bald werden ausser den genannten und den im Privatrechte bestimmten Fällen solcher Privilegien nur noch Standeserhöhungen, die Verleihung von Aemtern, Orden, Würden und Corporationsrechten vorkommen. In gewissem Sinne gehören hierher auch die Begnadigungen und Moratorien. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0182" n="164"/><fw place="top" type="header">Dritter Abschnitt.</fw><lb/> des Staats nach Aussen an, wie sie oben §. 23. über-<lb/> sichtlich dargestellt worden sind; auch die Ertheilung<lb/> von Privilegien gehört zu den Verwaltungshandlungen.<note place="foot" n="5">Privilegien in dem Sinne der unmittelbaren Begründung<lb/> subjectiver Rechte für individuelle Personen durch Specialver-<lb/> fügung der Staatsgewalt sind nicht Gesetze, d. h. staatlich aufge-<lb/> stellte Recht<hi rendition="#g">snormen</hi>. Die entgegengesetzte Ansicht beruht<lb/> entweder auf dem Principe der Theilung der Gewalten, welches<lb/> die gesetzgebende Gewalt als die materiell selbständige alleinige<lb/> Bewahrerin rechtsbegründender Kräfte voraussetzt, oder auf der<lb/> Vorstellung, dass das Gesetz die allein denkbare Form staatlicher<lb/> Rechtsschaffung sei. — Uebrigens ist das Privilegienrecht des<lb/> Monarchen jetzt sehr beschränkt. Zunächst durch die Verfassung,<lb/> indem kein mit einem Satze derselben (z. B. der allgemeinen<lb/> Steuer- und Militärpflicht) im Widerspruche stehendes Privilegium<lb/> mehr gegeben werden kann, auch mehrfach ausdrücklich die<lb/> Ertheilung von ausschliesslichen Handels- und Gewerberechten<lb/> an die Zustimmung der Stände geknüpft wird (Patente sollen<lb/> wenigstens nur auf bestimmte Jahre gegeben werden). Sodann<lb/> durch die sonstige Gesetzgebung, welche immer mehr auf Her-<lb/> stellung eines gleichmässigen, alle Exemtionen ausschliessenden<lb/> Rechtszustands hinzielt. Bald werden ausser den genannten und<lb/> den im Privatrechte bestimmten Fällen solcher Privilegien nur<lb/> noch Standeserhöhungen, die Verleihung von Aemtern, Orden,<lb/> Würden und Corporationsrechten vorkommen. In gewissem Sinne<lb/> gehören hierher auch die Begnadigungen und Moratorien.</note></p><lb/> <p>Bald treten sie hervor als unmittelbare Befehle und<lb/> Anordnungen für einzelne concrete thatsächliche Ver-<lb/> hältnisse, bald als Weisungen, welche nicht bloss für<lb/> einen einzelnen Fall berechnet sind; bald wollen sie<lb/> sich auf bestimmte Individuen, bald auf das gesammte<lb/> Publicum beziehen; bald werden sie daher nur dem<lb/><note xml:id="note-0182" prev="#note-0181a" place="foot" n="4">weniger könnte für die Nothwendigkeit gesetzlicher Regulirung<lb/> das Moment der Regalität angeführt werden; denn diess bedeutet<lb/> nur, dass der Staat als solcher ausschliesslich zum Betriebe befugt<lb/> ist, aber es hat auf die rechtliche Beurtheilung der Betriebsge-<lb/> schäfte selbst nicht den mindesten Einfluss.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0182]
Dritter Abschnitt.
des Staats nach Aussen an, wie sie oben §. 23. über-
sichtlich dargestellt worden sind; auch die Ertheilung
von Privilegien gehört zu den Verwaltungshandlungen. 5
Bald treten sie hervor als unmittelbare Befehle und
Anordnungen für einzelne concrete thatsächliche Ver-
hältnisse, bald als Weisungen, welche nicht bloss für
einen einzelnen Fall berechnet sind; bald wollen sie
sich auf bestimmte Individuen, bald auf das gesammte
Publicum beziehen; bald werden sie daher nur dem
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5 Privilegien in dem Sinne der unmittelbaren Begründung
subjectiver Rechte für individuelle Personen durch Specialver-
fügung der Staatsgewalt sind nicht Gesetze, d. h. staatlich aufge-
stellte Rechtsnormen. Die entgegengesetzte Ansicht beruht
entweder auf dem Principe der Theilung der Gewalten, welches
die gesetzgebende Gewalt als die materiell selbständige alleinige
Bewahrerin rechtsbegründender Kräfte voraussetzt, oder auf der
Vorstellung, dass das Gesetz die allein denkbare Form staatlicher
Rechtsschaffung sei. — Uebrigens ist das Privilegienrecht des
Monarchen jetzt sehr beschränkt. Zunächst durch die Verfassung,
indem kein mit einem Satze derselben (z. B. der allgemeinen
Steuer- und Militärpflicht) im Widerspruche stehendes Privilegium
mehr gegeben werden kann, auch mehrfach ausdrücklich die
Ertheilung von ausschliesslichen Handels- und Gewerberechten
an die Zustimmung der Stände geknüpft wird (Patente sollen
wenigstens nur auf bestimmte Jahre gegeben werden). Sodann
durch die sonstige Gesetzgebung, welche immer mehr auf Her-
stellung eines gleichmässigen, alle Exemtionen ausschliessenden
Rechtszustands hinzielt. Bald werden ausser den genannten und
den im Privatrechte bestimmten Fällen solcher Privilegien nur
noch Standeserhöhungen, die Verleihung von Aemtern, Orden,
Würden und Corporationsrechten vorkommen. In gewissem Sinne
gehören hierher auch die Begnadigungen und Moratorien.
4 weniger könnte für die Nothwendigkeit gesetzlicher Regulirung
das Moment der Regalität angeführt werden; denn diess bedeutet
nur, dass der Staat als solcher ausschliesslich zum Betriebe befugt
ist, aber es hat auf die rechtliche Beurtheilung der Betriebsge-
schäfte selbst nicht den mindesten Einfluss.
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