Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 54. Die Verwaltung. dung einer Staatsschuld durch Aufnahme eines Staats-anlehens, oder Uebernahme von Garantieen für Schulden Anderer. Ein ohne Genehmigung der Stände abge- schlossenes Geschäft dieser Art ist nichtig.3 Jedoch geben einzelne Verfassungen der Regierung die Ermäch- tigung, im Nothfalle Anlehen (bis auf einen gewissen Betrag) allein aufzunehmen; diese Ermächtigung wird bald so ertheilt, dass das aufgenommene Anlehen defi- nitiv zu Recht besteht, ohne dass der Ausfall der später darüber stattfindenden ständischen Beschlüsse hierauf von Einfluss ist,4 bald so, dass die Rechtsbeständigkeit Geltung des Staatsvertrags selbst, sondern nur der durch ihn ver- anlassten Gesetze und Exigenzen erforderlich sei, eine sehr be- deutende Verschiedenheit der Auffassung zu erblicken; es scheint aber, als wenn es sich nur um eine Verschiedenheit des Ausdrucks handele. -- Wenn man diese Grundsätze auf das Verhältniss der deutschen Staaten zum deutschen Bunde anwendet, so werden sich folgende beiden Sätze begründen lassen: 1) Eine vorhergehende oder nachfolgende Zustimmung der Stände findet überall da nicht statt, wo die Bundesversammlung nur ihre in den Bundesgrund- gesetzen festgestellten Aufgaben erfüllt; 2) Beschlüsse dagegen, welche darüber hinausgehen, sollten sie auch die in den Grund- gesetzen vorgesehenen gemeinnützigen Anordnungen betreffen, werden rücksichtlich der ständischen Zustimmung ganz wie andere auswärtige Staatsverträge behandelt. Indessen haben mehrere Verfassungen (Sächsische §. 89., Württembergische §. 3., Hanno- verische §. 2., Badensche §. 2.) den Satz, dass alle Bundesbeschlüsse sofort nach ihrer Publication im Lande gesetzliche Kraft haben, -- der aber in neuerer Zeit keineswegs mehr in seiner vollen Strenge anerkannt zu werden scheint. 3 Bayerische Verfassungsurkunde VII., §. 11, 2. Baden §. 57. Sachsen, Gesetz vom 5. Mai 1851 §. 5. und Verfassungsurkunde §. 105. Preussen Art. 103. Hannover, Gesetz vom 5. September 1848 §. 97. u. s. w. Ob und inwieweit das auf Grund eines solchen Geschäfts Gegebene vom Fiscus condicirt werden kann, ist ganz nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen. 4 So das in der vorigen Note angeführte Hannov. Gesetz.
§. 54. Die Verwaltung. dung einer Staatsschuld durch Aufnahme eines Staats-anlehens, oder Uebernahme von Garantieen für Schulden Anderer. Ein ohne Genehmigung der Stände abge- schlossenes Geschäft dieser Art ist nichtig.3 Jedoch geben einzelne Verfassungen der Regierung die Ermäch- tigung, im Nothfalle Anlehen (bis auf einen gewissen Betrag) allein aufzunehmen; diese Ermächtigung wird bald so ertheilt, dass das aufgenommene Anlehen defi- nitiv zu Recht besteht, ohne dass der Ausfall der später darüber stattfindenden ständischen Beschlüsse hierauf von Einfluss ist,4 bald so, dass die Rechtsbeständigkeit Geltung des Staatsvertrags selbst, sondern nur der durch ihn ver- anlassten Gesetze und Exigenzen erforderlich sei, eine sehr be- deutende Verschiedenheit der Auffassung zu erblicken; es scheint aber, als wenn es sich nur um eine Verschiedenheit des Ausdrucks handele. — Wenn man diese Grundsätze auf das Verhältniss der deutschen Staaten zum deutschen Bunde anwendet, so werden sich folgende beiden Sätze begründen lassen: 1) Eine vorhergehende oder nachfolgende Zustimmung der Stände findet überall da nicht statt, wo die Bundesversammlung nur ihre in den Bundesgrund- gesetzen festgestellten Aufgaben erfüllt; 2) Beschlüsse dagegen, welche darüber hinausgehen, sollten sie auch die in den Grund- gesetzen vorgesehenen gemeinnützigen Anordnungen betreffen, werden rücksichtlich der ständischen Zustimmung ganz wie andere auswärtige Staatsverträge behandelt. Indessen haben mehrere Verfassungen (Sächsische §. 89., Württembergische §. 3., Hanno- verische §. 2., Badensche §. 2.) den Satz, dass alle Bundesbeschlüsse sofort nach ihrer Publication im Lande gesetzliche Kraft haben, — der aber in neuerer Zeit keineswegs mehr in seiner vollen Strenge anerkannt zu werden scheint. 3 Bayerische Verfassungsurkunde VII., §. 11, 2. Baden §. 57. Sachsen, Gesetz vom 5. Mai 1851 §. 5. und Verfassungsurkunde §. 105. Preussen Art. 103. Hannover, Gesetz vom 5. September 1848 §. 97. u. s. w. Ob und inwieweit das auf Grund eines solchen Geschäfts Gegebene vom Fiscus condicirt werden kann, ist ganz nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen. 4 So das in der vorigen Note angeführte Hannov. Gesetz.
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§. 54. Die Verwaltung.
dung einer Staatsschuld durch Aufnahme eines Staats-
anlehens, oder Uebernahme von Garantieen für Schulden
Anderer. Ein ohne Genehmigung der Stände abge-
schlossenes Geschäft dieser Art ist nichtig. 3 Jedoch
geben einzelne Verfassungen der Regierung die Ermäch-
tigung, im Nothfalle Anlehen (bis auf einen gewissen
Betrag) allein aufzunehmen; diese Ermächtigung wird
bald so ertheilt, dass das aufgenommene Anlehen defi-
nitiv zu Recht besteht, ohne dass der Ausfall der später
darüber stattfindenden ständischen Beschlüsse hierauf
von Einfluss ist, 4 bald so, dass die Rechtsbeständigkeit
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3 Bayerische Verfassungsurkunde VII., §. 11, 2. Baden §. 57.
Sachsen, Gesetz vom 5. Mai 1851 §. 5. und Verfassungsurkunde
§. 105. Preussen Art. 103. Hannover, Gesetz vom 5. September
1848 §. 97. u. s. w. Ob und inwieweit das auf Grund eines solchen
Geschäfts Gegebene vom Fiscus condicirt werden kann, ist ganz
nach privatrechtlichen Grundsätzen zu beurtheilen.
4 So das in der vorigen Note angeführte Hannov. Gesetz.
2 Geltung des Staatsvertrags selbst, sondern nur der durch ihn ver-
anlassten Gesetze und Exigenzen erforderlich sei, eine sehr be-
deutende Verschiedenheit der Auffassung zu erblicken; es scheint
aber, als wenn es sich nur um eine Verschiedenheit des Ausdrucks
handele. — Wenn man diese Grundsätze auf das Verhältniss der
deutschen Staaten zum deutschen Bunde anwendet, so werden sich
folgende beiden Sätze begründen lassen: 1) Eine vorhergehende
oder nachfolgende Zustimmung der Stände findet überall da nicht
statt, wo die Bundesversammlung nur ihre in den Bundesgrund-
gesetzen festgestellten Aufgaben erfüllt; 2) Beschlüsse dagegen,
welche darüber hinausgehen, sollten sie auch die in den Grund-
gesetzen vorgesehenen gemeinnützigen Anordnungen betreffen,
werden rücksichtlich der ständischen Zustimmung ganz wie andere
auswärtige Staatsverträge behandelt. Indessen haben mehrere
Verfassungen (Sächsische §. 89., Württembergische §. 3., Hanno-
verische §. 2., Badensche §. 2.) den Satz, dass alle Bundesbeschlüsse
sofort nach ihrer Publication im Lande gesetzliche Kraft haben,
— der aber in neuerer Zeit keineswegs mehr in seiner vollen
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