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Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

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Dritter Abschnitt.

Einen ganz anderen Einfluss hat der Staat auf Ver-
hältnisse, welche ihren Sitz innerhalb der Staatsordnung
selbst haben, Verhältnisse, welche nicht der isolirten
Persönlichkeit angehören, sondern den Einzelnen als
Glied des gesammten Staatsverbands angehen,6 und
unter der Herrschaft allgemeiner Ordnungen stehen.
Diese Verhältnisse sind nicht Gegenstand individueller
Freiheit, sondern unterliegen der vollen Einwirkung der
Staatsherrschaft. Auch sie erwarten, wenn sie unklar
oder bestritten sind, ihre Lösung durch eine Entscheidung
der Staatsgewalt; aber diese beschränkt sich hier nicht
darauf, den Thatbestand in abgeschlossener Betrachtung
nach den Regeln eines absoluten Rechts zu behandeln,
sondern sie bringt auch die Rücksicht auf das allgemeine
Wohl zur Geltung und hat zugleich das im öffentlichen
Interesse Nützliche und Zweckmässige durchzusetzen.
Indem sie den Einzelnen nöthigt, sich nach diesen rela-
tiven Gesichtspunkten behandeln zu lassen, verfährt sie

6 Dahin gehören namentlich Verhältnisse, welche durch die
allgemeine Gewerbe-, Schul-, Militär-, Armen-, Gemeindeordnung
u. s. w. regulirt werden. Das Königlich Sächsische Gesetz vom
28. Januar 1835 zählt im §. 8 flg. folgende Gegenstände auf: Strei-
tigkeiten über Erlangung, Wirkung, Verlust des Staats- und Ge-
meindebürgerrechts, Verbindlichkeiten zu Staats- und Communal-
abgaben und Leistungen sowie über deren Vertheilung, Erhebung
von Wege-, Brückengeld und anderen öffentlichen indirecten
Abgaben, über Polizeigegenstände, über die Verhältnisse zwischen
Kirchen- und Schulgemeinden u. s. w. Jedoch soll nach §. 11. der
Rechtsweg betreten werden, wenn sich Jemand hierbei nicht auf
allgemeine Ordnungen, sondern auf einen besonderen Rechtstitel
(Privilegium, rechtskräftige Entscheidung, Privatwillenserklärung
-- Vertrag, letzter Wille, Stiftung, Anerkenntniss -- Verjährung,
Herkommen) beruft.
Dritter Abschnitt.

Einen ganz anderen Einfluss hat der Staat auf Ver-
hältnisse, welche ihren Sitz innerhalb der Staatsordnung
selbst haben, Verhältnisse, welche nicht der isolirten
Persönlichkeit angehören, sondern den Einzelnen als
Glied des gesammten Staatsverbands angehen,6 und
unter der Herrschaft allgemeiner Ordnungen stehen.
Diese Verhältnisse sind nicht Gegenstand individueller
Freiheit, sondern unterliegen der vollen Einwirkung der
Staatsherrschaft. Auch sie erwarten, wenn sie unklar
oder bestritten sind, ihre Lösung durch eine Entscheidung
der Staatsgewalt; aber diese beschränkt sich hier nicht
darauf, den Thatbestand in abgeschlossener Betrachtung
nach den Regeln eines absoluten Rechts zu behandeln,
sondern sie bringt auch die Rücksicht auf das allgemeine
Wohl zur Geltung und hat zugleich das im öffentlichen
Interesse Nützliche und Zweckmässige durchzusetzen.
Indem sie den Einzelnen nöthigt, sich nach diesen rela-
tiven Gesichtspunkten behandeln zu lassen, verfährt sie

6 Dahin gehören namentlich Verhältnisse, welche durch die
allgemeine Gewerbe-, Schul-, Militär-, Armen-, Gemeindeordnung
u. s. w. regulirt werden. Das Königlich Sächsische Gesetz vom
28. Januar 1835 zählt im §. 8 flg. folgende Gegenstände auf: Strei-
tigkeiten über Erlangung, Wirkung, Verlust des Staats- und Ge-
meindebürgerrechts, Verbindlichkeiten zu Staats- und Communal-
abgaben und Leistungen sowie über deren Vertheilung, Erhebung
von Wege-, Brückengeld und anderen öffentlichen indirecten
Abgaben, über Polizeigegenstände, über die Verhältnisse zwischen
Kirchen- und Schulgemeinden u. s. w. Jedoch soll nach §. 11. der
Rechtsweg betreten werden, wenn sich Jemand hierbei nicht auf
allgemeine Ordnungen, sondern auf einen besonderen Rechtstitel
(Privilegium, rechtskräftige Entscheidung, Privatwillenserklärung
— Vertrag, letzter Wille, Stiftung, Anerkenntniss — Verjährung,
Herkommen) beruft.
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[176/0194] Dritter Abschnitt. Einen ganz anderen Einfluss hat der Staat auf Ver- hältnisse, welche ihren Sitz innerhalb der Staatsordnung selbst haben, Verhältnisse, welche nicht der isolirten Persönlichkeit angehören, sondern den Einzelnen als Glied des gesammten Staatsverbands angehen, 6 und unter der Herrschaft allgemeiner Ordnungen stehen. Diese Verhältnisse sind nicht Gegenstand individueller Freiheit, sondern unterliegen der vollen Einwirkung der Staatsherrschaft. Auch sie erwarten, wenn sie unklar oder bestritten sind, ihre Lösung durch eine Entscheidung der Staatsgewalt; aber diese beschränkt sich hier nicht darauf, den Thatbestand in abgeschlossener Betrachtung nach den Regeln eines absoluten Rechts zu behandeln, sondern sie bringt auch die Rücksicht auf das allgemeine Wohl zur Geltung und hat zugleich das im öffentlichen Interesse Nützliche und Zweckmässige durchzusetzen. Indem sie den Einzelnen nöthigt, sich nach diesen rela- tiven Gesichtspunkten behandeln zu lassen, verfährt sie 6 Dahin gehören namentlich Verhältnisse, welche durch die allgemeine Gewerbe-, Schul-, Militär-, Armen-, Gemeindeordnung u. s. w. regulirt werden. Das Königlich Sächsische Gesetz vom 28. Januar 1835 zählt im §. 8 flg. folgende Gegenstände auf: Strei- tigkeiten über Erlangung, Wirkung, Verlust des Staats- und Ge- meindebürgerrechts, Verbindlichkeiten zu Staats- und Communal- abgaben und Leistungen sowie über deren Vertheilung, Erhebung von Wege-, Brückengeld und anderen öffentlichen indirecten Abgaben, über Polizeigegenstände, über die Verhältnisse zwischen Kirchen- und Schulgemeinden u. s. w. Jedoch soll nach §. 11. der Rechtsweg betreten werden, wenn sich Jemand hierbei nicht auf allgemeine Ordnungen, sondern auf einen besonderen Rechtstitel (Privilegium, rechtskräftige Entscheidung, Privatwillenserklärung — Vertrag, letzter Wille, Stiftung, Anerkenntniss — Verjährung, Herkommen) beruft.

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Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/194>, abgerufen am 27.11.2024.