Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger.
Recurs gegen Entscheidungen der Administrativjustiz-
behörden zu rechnen, welcher den im Civilprocesse zu-
lässigen Rechtsmitteln analog zu behandeln ist.

Selbsthülfe in der Form des activen Wider-
stands
gegen obrigkeitliche Verfügungen ist, abgesehen
von dem Falle berechtigter Nothwehr, unstatthaft und
straf bar; s. g. passiver Widerstand dagegen, d. h.
einfache Nichtbefolgung des obrigkeitlichen Befehls,
wird deshalb, weil er zum Zwecke der Opposition gegen
unrechtmässige Verwaltungshandlungen stattfindet, nicht
einer besonderen Ahndung unterworfen, sondern wie
jeder andere Ungehorsam beurtheilt.4

§. 63.

Aber es fragt sich, ob dem Verletzten nicht auch
das Recht zusteht, gegen Verfügungen der Verwaltungs-
behörden unmittelbar bei den Civilgerichten Schutz
zu suchen?

Von vornherein muss hier der Gedanke abgelehnt
werden, dass in Fällen, in welchen die Competenz der
Verwaltung überhaupt begründet ist, die Gerichte auf
Vornahme von Verwaltungshandlungen oder auf Sisti-

4 Diess allein ist die richtige Formulirung des dem Principe des
"bloss verfassungsmässigen Gehorsams" entsprechenden Rechts.
Von einem besonderen und eigenthümlichen Rechte des passiven
Widerstands zu reden, ist streng genommen unrichtig. Der Un-
gehorsam gegen obrigkeitliche Befehle, welche man für ungesetz-
lich hält, ist ein Ungehorsam wie jeder andere auch; er ist wegen
seines besonderen Grundes nicht von den nachtheiligen Folgen
befreit, welche sich an einen Ungehorsam überhaupt anschliessen,
andererseits aber auch wegen dieses seines Grundes nicht mit be-
sonderen Strafen belegt.

§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger.
Recurs gegen Entscheidungen der Administrativjustiz-
behörden zu rechnen, welcher den im Civilprocesse zu-
lässigen Rechtsmitteln analog zu behandeln ist.

Selbsthülfe in der Form des activen Wider-
stands
gegen obrigkeitliche Verfügungen ist, abgesehen
von dem Falle berechtigter Nothwehr, unstatthaft und
straf bar; s. g. passiver Widerstand dagegen, d. h.
einfache Nichtbefolgung des obrigkeitlichen Befehls,
wird deshalb, weil er zum Zwecke der Opposition gegen
unrechtmässige Verwaltungshandlungen stattfindet, nicht
einer besonderen Ahndung unterworfen, sondern wie
jeder andere Ungehorsam beurtheilt.4

§. 63.

Aber es fragt sich, ob dem Verletzten nicht auch
das Recht zusteht, gegen Verfügungen der Verwaltungs-
behörden unmittelbar bei den Civilgerichten Schutz
zu suchen?

Von vornherein muss hier der Gedanke abgelehnt
werden, dass in Fällen, in welchen die Competenz der
Verwaltung überhaupt begründet ist, die Gerichte auf
Vornahme von Verwaltungshandlungen oder auf Sisti-

4 Diess allein ist die richtige Formulirung des dem Principe des
„bloss verfassungsmässigen Gehorsams“ entsprechenden Rechts.
Von einem besonderen und eigenthümlichen Rechte des passiven
Widerstands zu reden, ist streng genommen unrichtig. Der Un-
gehorsam gegen obrigkeitliche Befehle, welche man für ungesetz-
lich hält, ist ein Ungehorsam wie jeder andere auch; er ist wegen
seines besonderen Grundes nicht von den nachtheiligen Folgen
befreit, welche sich an einen Ungehorsam überhaupt anschliessen,
andererseits aber auch wegen dieses seines Grundes nicht mit be-
sonderen Strafen belegt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0217" n="199"/><fw place="top" type="header">§. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger.</fw><lb/>
Recurs gegen Entscheidungen der Administrativjustiz-<lb/>
behörden zu rechnen, welcher den im Civilprocesse zu-<lb/>
lässigen Rechtsmitteln analog zu behandeln ist.</p><lb/>
            <p>Selbsthülfe in der Form des <hi rendition="#g">activen Wider-<lb/>
stands</hi> gegen obrigkeitliche Verfügungen ist, abgesehen<lb/>
von dem Falle berechtigter Nothwehr, unstatthaft und<lb/>
straf bar; s. g. <hi rendition="#g">passiver Widerstand</hi> dagegen, d. h.<lb/>
einfache Nichtbefolgung des obrigkeitlichen Befehls,<lb/>
wird deshalb, weil er zum Zwecke der Opposition gegen<lb/>
unrechtmässige Verwaltungshandlungen stattfindet, nicht<lb/>
einer besonderen Ahndung unterworfen, sondern wie<lb/>
jeder andere Ungehorsam beurtheilt.<note place="foot" n="4">Diess allein ist die richtige Formulirung des dem Principe des<lb/>
&#x201E;bloss verfassungsmässigen Gehorsams&#x201C; entsprechenden Rechts.<lb/>
Von einem besonderen und eigenthümlichen Rechte des passiven<lb/>
Widerstands zu reden, ist streng genommen unrichtig. Der Un-<lb/>
gehorsam gegen obrigkeitliche Befehle, welche man für ungesetz-<lb/>
lich hält, ist ein Ungehorsam wie jeder andere auch; er ist wegen<lb/>
seines besonderen Grundes nicht von den nachtheiligen Folgen<lb/>
befreit, welche sich an einen Ungehorsam überhaupt anschliessen,<lb/>
andererseits aber auch wegen dieses seines Grundes nicht mit be-<lb/>
sonderen Strafen belegt.</note></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 63.</head><lb/>
            <p>Aber es fragt sich, ob dem Verletzten nicht auch<lb/>
das Recht zusteht, gegen Verfügungen der Verwaltungs-<lb/>
behörden unmittelbar bei den <hi rendition="#g">Civilgerichten</hi> Schutz<lb/>
zu suchen?</p><lb/>
            <p>Von vornherein muss hier der Gedanke abgelehnt<lb/>
werden, dass in Fällen, in welchen die Competenz der<lb/>
Verwaltung überhaupt begründet ist, die Gerichte auf<lb/>
Vornahme von Verwaltungshandlungen oder auf Sisti-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0217] §. 63. Rechtsschutz der Staatsbürger. Recurs gegen Entscheidungen der Administrativjustiz- behörden zu rechnen, welcher den im Civilprocesse zu- lässigen Rechtsmitteln analog zu behandeln ist. Selbsthülfe in der Form des activen Wider- stands gegen obrigkeitliche Verfügungen ist, abgesehen von dem Falle berechtigter Nothwehr, unstatthaft und straf bar; s. g. passiver Widerstand dagegen, d. h. einfache Nichtbefolgung des obrigkeitlichen Befehls, wird deshalb, weil er zum Zwecke der Opposition gegen unrechtmässige Verwaltungshandlungen stattfindet, nicht einer besonderen Ahndung unterworfen, sondern wie jeder andere Ungehorsam beurtheilt. 4 §. 63. Aber es fragt sich, ob dem Verletzten nicht auch das Recht zusteht, gegen Verfügungen der Verwaltungs- behörden unmittelbar bei den Civilgerichten Schutz zu suchen? Von vornherein muss hier der Gedanke abgelehnt werden, dass in Fällen, in welchen die Competenz der Verwaltung überhaupt begründet ist, die Gerichte auf Vornahme von Verwaltungshandlungen oder auf Sisti- 4 Diess allein ist die richtige Formulirung des dem Principe des „bloss verfassungsmässigen Gehorsams“ entsprechenden Rechts. Von einem besonderen und eigenthümlichen Rechte des passiven Widerstands zu reden, ist streng genommen unrichtig. Der Un- gehorsam gegen obrigkeitliche Befehle, welche man für ungesetz- lich hält, ist ein Ungehorsam wie jeder andere auch; er ist wegen seines besonderen Grundes nicht von den nachtheiligen Folgen befreit, welche sich an einen Ungehorsam überhaupt anschliessen, andererseits aber auch wegen dieses seines Grundes nicht mit be- sonderen Strafen belegt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/217
Zitationshilfe: Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gerber_staatsrecht_1865/217>, abgerufen am 25.11.2024.