Gerber, Carl Friedrich von: Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrecht. Leipzig, 1865.§. 3. Das Staatsrecht. aber ihre wissenschaftliche Darstellung hat den Einheits-punkt nicht in letzterer, sondern in der eigenen Zweck- bestimmung derselben zu suchen. Hierin kann auch dadurch Nichts geändert werden, dass in solchen Ord- nungen der Staatsgewalt selbst ein Gebiet unmittelbaren Handelns und Eingreifens vorbehalten ist; denn die Grundsätze darüber erscheinen als völlig abgelöst von der allgemeinen Lehre über die Willensmacht des Staats, und werden durch die Anziehungskraft des wissenschaft- lichen Princips beherrscht, welches die von jenen Ord- nungen ergriffenen Lebenskreise darbieten.3 §. 3. Der so bestimmte Rechtsstoff des Staatsrechts stellt 3 Dem Systeme des Staatsrechts gehört von allen diesen Ord-
nungen nur soviel an, als erforderlich ist, um das Willensbereich des Staats im Allgemeinen zu characterisiren. Die selbstän- dige wissenschaftliche Darstellung der in ihnen enthaltenen Grund- sätze aber verfolgt ihre eigenen Zwecke, hat ihren eigenen prin- cipiellen Mittelpunkt, und kann nicht von dem für diesen Zweck nebensächlichen Gesichtspunkte beherrscht werden, dass dabei immer auch die Staatsgewalt eine Rolle spielt. So hat sich das Processrecht, das Strafrecht zu einer eigenen vom Staatsrechte ge- trennten Wissenschaft erhoben, und ganz das Gleiche muss statt finden bezüglich des Polizei-, Gerwerbe- und Finanzverwaltungs- rechts u. s. w. Die Systematisirung des Staatsrechts nach den Rubriken: "Verfassungs-" und "Verwaltungsrecht" ist daher wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Unterstützt wird diese Auffassung durch den Umstand, dass unsere Verfassungsurkunden, welche recht eigentlich die Quellen des Staatsrechts sein wollen, fast durchweg bezüglich der Stoffbeschränkung dem hier geltend gemachten Gesichtspunkte folgen, indem sie vom Verwaltungs- rechte in der Regel nur die allgemeinen Principien feststellen und damit andeuten wollen, dass ihre selbständige Durchführung ei- ner anderen Sphäre rechtlicher Ordnungen angehört. §. 3. Das Staatsrecht. aber ihre wissenschaftliche Darstellung hat den Einheits-punkt nicht in letzterer, sondern in der eigenen Zweck- bestimmung derselben zu suchen. Hierin kann auch dadurch Nichts geändert werden, dass in solchen Ord- nungen der Staatsgewalt selbst ein Gebiet unmittelbaren Handelns und Eingreifens vorbehalten ist; denn die Grundsätze darüber erscheinen als völlig abgelöst von der allgemeinen Lehre über die Willensmacht des Staats, und werden durch die Anziehungskraft des wissenschaft- lichen Princips beherrscht, welches die von jenen Ord- nungen ergriffenen Lebenskreise darbieten.3 §. 3. Der so bestimmte Rechtsstoff des Staatsrechts stellt 3 Dem Systeme des Staatsrechts gehört von allen diesen Ord-
nungen nur soviel an, als erforderlich ist, um das Willensbereich des Staats im Allgemeinen zu characterisiren. Die selbstän- dige wissenschaftliche Darstellung der in ihnen enthaltenen Grund- sätze aber verfolgt ihre eigenen Zwecke, hat ihren eigenen prin- cipiellen Mittelpunkt, und kann nicht von dem für diesen Zweck nebensächlichen Gesichtspunkte beherrscht werden, dass dabei immer auch die Staatsgewalt eine Rolle spielt. So hat sich das Processrecht, das Strafrecht zu einer eigenen vom Staatsrechte ge- trennten Wissenschaft erhoben, und ganz das Gleiche muss statt finden bezüglich des Polizei-, Gerwerbe- und Finanzverwaltungs- rechts u. s. w. Die Systematisirung des Staatsrechts nach den Rubriken: „Verfassungs-“ und „Verwaltungsrecht“ ist daher wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Unterstützt wird diese Auffassung durch den Umstand, dass unsere Verfassungsurkunden, welche recht eigentlich die Quellen des Staatsrechts sein wollen, fast durchweg bezüglich der Stoffbeschränkung dem hier geltend gemachten Gesichtspunkte folgen, indem sie vom Verwaltungs- rechte in der Regel nur die allgemeinen Principien feststellen und damit andeuten wollen, dass ihre selbständige Durchführung ei- ner anderen Sphäre rechtlicher Ordnungen angehört. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0023" n="5"/><fw place="top" type="header">§. 3. Das Staatsrecht.</fw><lb/> aber ihre wissenschaftliche Darstellung hat den Einheits-<lb/> punkt nicht in letzterer, sondern in der eigenen Zweck-<lb/> bestimmung derselben zu suchen. Hierin kann auch<lb/> dadurch Nichts geändert werden, dass in solchen Ord-<lb/> nungen der Staatsgewalt selbst ein Gebiet unmittelbaren<lb/> Handelns und Eingreifens vorbehalten ist; denn die<lb/> Grundsätze darüber erscheinen als völlig abgelöst von<lb/> der allgemeinen Lehre über die Willensmacht des Staats,<lb/> und werden durch die Anziehungskraft des wissenschaft-<lb/> lichen Princips beherrscht, welches die von jenen Ord-<lb/> nungen ergriffenen Lebenskreise darbieten.<note place="foot" n="3">Dem Systeme des Staatsrechts gehört von allen diesen Ord-<lb/> nungen nur soviel an, als erforderlich ist, um das Willensbereich<lb/> des Staats im <hi rendition="#g">Allgemeinen</hi> zu characterisiren. Die selbstän-<lb/> dige wissenschaftliche Darstellung der in ihnen enthaltenen Grund-<lb/> sätze aber verfolgt ihre eigenen Zwecke, hat ihren eigenen prin-<lb/> cipiellen Mittelpunkt, und kann nicht von dem für diesen Zweck<lb/> nebensächlichen Gesichtspunkte beherrscht werden, dass dabei<lb/> immer auch die Staatsgewalt eine Rolle spielt. So hat sich das<lb/> Processrecht, das Strafrecht zu einer eigenen vom Staatsrechte ge-<lb/> trennten Wissenschaft erhoben, und ganz das Gleiche muss statt<lb/> finden bezüglich des Polizei-, Gerwerbe- und Finanzverwaltungs-<lb/> rechts u. s. w. Die Systematisirung des Staatsrechts nach den<lb/> Rubriken: „Verfassungs-“ und „Verwaltungsrecht“ ist daher<lb/> wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Unterstützt wird diese<lb/> Auffassung durch den Umstand, dass unsere Verfassungsurkunden,<lb/> welche recht eigentlich die Quellen des Staatsrechts sein wollen,<lb/> fast durchweg bezüglich der Stoffbeschränkung dem hier geltend<lb/> gemachten Gesichtspunkte folgen, indem sie vom Verwaltungs-<lb/> rechte in der Regel nur die allgemeinen Principien feststellen und<lb/> damit andeuten wollen, dass ihre selbständige Durchführung ei-<lb/> ner anderen Sphäre rechtlicher Ordnungen angehört.</note></p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 3.</head><lb/> <p>Der so bestimmte Rechtsstoff des Staatsrechts stellt<lb/> sich nun zunächst als eine Summe von Rechtssätzen und<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0023]
§. 3. Das Staatsrecht.
aber ihre wissenschaftliche Darstellung hat den Einheits-
punkt nicht in letzterer, sondern in der eigenen Zweck-
bestimmung derselben zu suchen. Hierin kann auch
dadurch Nichts geändert werden, dass in solchen Ord-
nungen der Staatsgewalt selbst ein Gebiet unmittelbaren
Handelns und Eingreifens vorbehalten ist; denn die
Grundsätze darüber erscheinen als völlig abgelöst von
der allgemeinen Lehre über die Willensmacht des Staats,
und werden durch die Anziehungskraft des wissenschaft-
lichen Princips beherrscht, welches die von jenen Ord-
nungen ergriffenen Lebenskreise darbieten. 3
§. 3.
Der so bestimmte Rechtsstoff des Staatsrechts stellt
sich nun zunächst als eine Summe von Rechtssätzen und
3 Dem Systeme des Staatsrechts gehört von allen diesen Ord-
nungen nur soviel an, als erforderlich ist, um das Willensbereich
des Staats im Allgemeinen zu characterisiren. Die selbstän-
dige wissenschaftliche Darstellung der in ihnen enthaltenen Grund-
sätze aber verfolgt ihre eigenen Zwecke, hat ihren eigenen prin-
cipiellen Mittelpunkt, und kann nicht von dem für diesen Zweck
nebensächlichen Gesichtspunkte beherrscht werden, dass dabei
immer auch die Staatsgewalt eine Rolle spielt. So hat sich das
Processrecht, das Strafrecht zu einer eigenen vom Staatsrechte ge-
trennten Wissenschaft erhoben, und ganz das Gleiche muss statt
finden bezüglich des Polizei-, Gerwerbe- und Finanzverwaltungs-
rechts u. s. w. Die Systematisirung des Staatsrechts nach den
Rubriken: „Verfassungs-“ und „Verwaltungsrecht“ ist daher
wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen. Unterstützt wird diese
Auffassung durch den Umstand, dass unsere Verfassungsurkunden,
welche recht eigentlich die Quellen des Staatsrechts sein wollen,
fast durchweg bezüglich der Stoffbeschränkung dem hier geltend
gemachten Gesichtspunkte folgen, indem sie vom Verwaltungs-
rechte in der Regel nur die allgemeinen Principien feststellen und
damit andeuten wollen, dass ihre selbständige Durchführung ei-
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